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Kölner Uraufführungen von Enno Poppe und Maja S.K. RatkjeTolle Chaos-Truppe

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Komponist und Dirigent Enno Poppe    

Köln – Der knallende Puls der Snare Drum wird von wilden Trommelkaskaden überlagert. Später pulsieren Becken und Holzkiste, wozu wahlweise E-Geige und Synthesizer aufjaulen oder sich das gesamte Ensemble zu ekstatischen Ballungen steigert. Enno Poppes neueste Komposition „Körper“ verwandelt das Ensemble Modern zu wechselnden Klangkörpern unterschiedlicher Herkunft, Stilisik und Spielkultur: Freejazz, Bigband, Balkan-Banda, arabischer Takht und scheinbar anarchisch improvisierende Chaos-Truppe.

Mit den drei Drumsets pumpen doppelt besetzte Blechbläser und Saxophone reichlich Energie in die Philharmonie. Dazwischen tönen elektrische Streichinstrumente mal rockig mit Verzerrer oder vokalartig glissandierend wie menschliche Klagelaute. Der zweite Satz des vom Komponisten selbst dirigierten Vierzigminüters beginnt indes ganz matt und leise mit sanften Soli von Saxophon und Posaune. Durch bizarres Wechselspiel zweier schräg piepender Keyboarder groovt sich das Geschehen wieder ein, bis sich die langsam aufgestaute Spannung in konvulsivischen Zuckungen Bahn bricht. Schließlich münden schwebende Harmonien plötzlich im selben Ton und ist das Stück schlagartig zu Ende - als schlüpfe es in seine Ausgangszelle zurück.

Der begeistert beklatschten Uraufführung durch das ausgezeichnete Ensemble Modern vorausgegangen waren die „National Anthems“ von Maja S.K. Ratkje. Die 1973 geborene norwegische Komponistin, Sängerin und Live-Elektronikerin hatte eine Künstliche Intelligenz-Software Wikipedia-Einträge über existierende Staaten zu neuen Texten über Fantasiestaaten collagieren lassen. Wahlweise per Beamer projiziert oder verlesen erhält man Informationen zu Ländern wie „Hanyst“, „Igmondero“, „Mathuna“ oder „Empire Jazzic“. Man erfährt etwas über deren Geschichte, Staatsorgane, Parteiwesen, Wirtschaft, Sprache, Geographie, Bevölkerung, Ernährung. Den ersten Irritationen, dass etwa ein Königreich in Südamerika entsteht, dann aber plötzlich in Südafrika liegt, folgt jedoch bald die Ernüchterung, dass alles bloß Nonsens ist.

Auch die Musik wurde aus realen Nationalhymnen remixt. Die Komponistin singt und pfeift ins Mikrophon, generiert elektronische Sounds und verkettet melodische Floskeln und rhythmische Modelle zu einlullendem Endlosgedudel. Dabei könnte es durchaus spannend sein, all die manipulativen Suggestionsmittel der patriotischen Begeisterung, religiösen Emphase und militärischen Schlagkraft von Nationalhymnen zu entlarven. Doch dazu muss man mit ironischem Skalpell komponieren und pointieren. Wer das einer KI überlässt, produziert nur geist- und formlosen Unsinn. Da der undeutlich gesprochene und zu schnell projizierte Textschwall ohnehin gleichgültig ist, war es schließlich auch egal, dass man nur die Hälfte davon verstand.