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Kölnischer KunstvereinWarum noch malen, wenn es die KI schneller kann?

Lesezeit 4 Minuten
Ausstellungsansicht Hoi Köln Teil 2 im Kölnischen Kunstverein

Ausstellungsansicht von „Hoi Köln, Teil 2: Im Bauch der Maschine“ im Kölnischen Kunstverein

Valérie Knoll, die neue Direktorin des Kölnischen Kunstvereins, setzt ihre Erkundung der zeitgenössischen Malerei fort.

„Ab heute ist die Malerei tot“, rief der Historienmaler Paul Delaroche Ende der 1830er Jahre aus, als er seine erste Daguerreotypie zu Gesicht bekommen hatte. Andere, wie der Dichter Charles Baudelaire, begrüßten dagegen die Fotografie als „idealen Diener der Malerei“. Hatten nicht bereits die alten Meister die Sonne für sich malen lassen, als sie Gebrauch vom Hilfsmittel der Camera obscura machten? Eines war jedenfalls klar: Die Malerei konnte gar nicht anders, als sich dieser Herausforderung zu stellen.

Seitdem musste sich die althergebrachte Malerei immer wieder mit technischen Zumutungen auseinandersetzen, doch keine kommt wohl jener gleich, die nun durch Künstliche-Intelligenz-Programme wie Dall-E, Midjourney oder Stable Diffusion, die gewissermaßen auf Zuruf — sogenannte „Prompts“ — neue Bilder generieren, dem althergebrachten Handwerk droht.

Weshalb Valérie Knoll, die neue Direktorin des Kölnischen Kunstvereins, den zweiten Teil ihrer Antrittsausstellung „Hoi Köln“ — die schweizerdeutsche Entsprechung des deutschen „Hallo“ — dem Problem der Medialisierung von Bildern gewidmet hat.

Wird Künstliche Intelligenz die Malerei zu neuen Höhen führen?

Unter der Überschrift „Im Bauch der Maschine“ sucht sie nach der Differenz zwischen Hand- oder wenigstens Menschengemachtem und Darstellungen, die sich aus binärem Code zusammensetzen. Wobei die meisten der hier gezeigten Künstlerinnen und Künstler diese Auseinandersetzung durchaus lustvoll führen. Wenn schon die Fotografie und anderen bildgebende Methoden die Malerei zu neuer Freiheit geführt haben, wie hell wird dann erst ihre Zukunft dank der KI strahlen?

Der Kölner Maler Matthias Groebel hat sich bereits in den 1980er Jahren eine Malmaschine aus Fahrradketten und alten Fotokopierern gebaut und Fernsehbilder auf die Leinwand übertragen. Im Kunstverein zeigt Knoll allerdings mit „tower house“ eine spätere Arbeit, für die sich Groebel der Stereofotografie bedient hat.

In der Eingangshalle lädt Jacqueline Humphries großformatiges Bild „NMMM ... MMM“ zum Decodieren ein. Die amerikanische Künstlerin hat älterer Werke von sich in ASCII-Zeichencodes übertragen. Der „American Standard Code for Information Interchange“ bezeichnet den Standard, mit dem sich menschliche Zeichen in maschinell lesbare übersetzen lassen, Humphries hat den Zeichenwust mit Schablonen und großem Fleiß auf eine 254 mal 282 Zentimeter große Leinwand in Öl gemalt, wer Abstand nimmt, erkennt einen grauen Teppich mit schütteren Stellen, wer näherkommt, taucht in eine Schwarz-weiß-Version der Matrix ein.

Unterm digitalen Raster prangt ein tätowierter Bauch

Damon Zucconis Büsten-Porträts in UV-härtender Tinte auf Dibond lassen sich durchaus noch als solche erkennen, aber die individuellen Personen haben sich schon in code-artigen Mustern aufgelöst. Auch Nolan Simons „Simone's space and Time-Like Pique“ – der Künstler arbeitet wie Humphries und Zucconi in New York – lädt zu Raster-Metaphern ein, freilich lässt sich hier die Wirklichkeit des Körpers hinterm Raster noch leicht erkennen, unterm Netzkleid prangt ein tätowierter Bauch. Ob das der Bauch der Maschine aus dem Titel ist?

Was auf den ersten Blick als aufgeblasener Schnappschuss erscheint, verbirgt eine komplexe Entstehungsgeschichte: Simon inszeniert seine Fotomotive, bearbeitet das Ergebnis am Computer, lässt den Farbstoff im Sublimationsdruckverfahren auf die Leinwand eindampfen und übermalt diese dann von Hand. Was ist hier digital, was analog?

Die Frage stellt, auf ganz andere Weise auch der Wahlberliner Gunter Reski. Sein Bild „Touch ID“ zeigt einen Mann mit Baseballkappe, verdeckt von seinem eigenen, übergroßen Daumen. Aus dieser Perspektive sähe uns der Home Button unseres Smartphones, man stelle sich eine Porträtgalerie aus lauter Fingerabdrücke vor. Reski, erläutert Valérie Knoll, nutzt längst KI-Prompts als Bildvorlagen.

Andere finden ihre Motive — genau wie die erwähnten Bild-Programme — im unendlichen Bilderschatz des Internets. Hamishi Farah erhebt ein Foto von Beyonćes Instagram-Account, das die Sängerin mit ihrem Mann Jay-Z beim Freiluftbaden in Island zeigt, zum Ölgemälde.

Der Brite Alan Michael nutzt unter anderem vorproduzierte Aufnahmen von Bildagenturen, das Außergewöhnlichste an seinem Bild „Opening a keyhole to the city“ sind aber nicht die fotorealistisch gemalten Personen, sondern die Untersicht aus der sie gezeigt werden und die ziemlich eindeutig auf eine Selfie-Stick-Aufnahme verweisen. Im Hintergrund der Selbstporträtisten leuchtet eine LED-Werbewand, die Gemalten leben zwischen zwei Bildschirmen.

Guckt irgendjemand noch irgendjemanden direkt an? Vielleicht die in Acryl gemalten Augenpaare der Schottin Morag Keil? Ach nein, am Bildrand zeichnet sich ein Handy ab, das wohl die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

„Hoi Köln, Teil 2: Im Bauch der Maschine“ ist bis zum 21. Januar im Kölnischen Kunstverein zu sehen.