Vor 34 Jahren veränderte die Philosophin Judith Butler die Art, wie wir über Geschlecht denken. Jetzt reagierte die CSU.
Kommentar zum „Genderverbot“Judith Butler, die CSU und die Angst vorm sozialen Geschlecht
Dieser Tage veröffentlicht die Philosophin Judith Butler ihr erstes Werk, dass sich explizit an ein nicht-akademisches Publikum richtet. „Who's Afraid of Gender?“, hat sie es genannt.
Wer Angst vorm sozialen Geschlecht hat? Zum Beispiel Wladimir Putin, der „Gender“ einen ideologischen Angriff des Westens auf die traditionellen Werte Russlands nennt. Oder Papst Franziskus, der die Gender-Theorie mit Atomwaffen verglich: eine vernichtende Kraft, die sich weigere, die Ordnung der Schöpfung anzuerkennen.
Putin, Papst und CSU: Die seltsame Reihe der Gender-Gegner
Und die CSU, wenn auch in der etwas abgeschwächten Form der Sternchen-Debatte: Der bayerische Ministerrat hat am 19. März ein „Verbot der Gendersprache“ beschlossen. Genderstern, Doppelpunkt, Gender-Gap und andere mehrgeschlechtliche Schreibweisen seien ab sofort unzulässig. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begründete das Verbot – in einem Paradebeispiel Orwell'schen Neusprechs – damit, Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenhalten zu wollen. Eine ideologisch geprägte Sprache, wie beim Gendern, habe eine ausschließende Wirkung.
Man kann darüber streiten, wie wirksam oder ästhetisch die jeweils vorgeschlagenen Lösung sind. Dass ihnen jedoch das Bemühen gemein ist, andere Menschen als nur Cis-Männer mittels solch geschlechterinklusiver Schreibweisen in die Sprache miteinzubeziehen, lässt sich nicht ernsthaft leugnen. Es ist die CSU, die sich hier als Sprachpolizei aufspielen und mit einem Basta im „gesunden Volksempfinden“ fischen will. Indem sie queere Menschen ein zweites Mal ausschließt.
Vor 34 Jahren veränderte Judith Butler mit ihrer Schrift „Gender Trouble“ die Art und Weise, wie wir über Geschlecht denken und reden, die Trennung der Welt in Binaritäten war danach Geschichte, der folgende Ärger im Titel freilich programmiert.
Dieser Tage fällt die amerikanische Philosophin eher durch ihre verstörende Einschätzung des Hamas-Massakers an israelischen Zivilistinnen und Zivilisten als „einen Akt bewaffneten Widerstands“ auf. Es gibt eben vielerlei Arten, Menschen mittels Sprache herabzuwürdigen.