Das Kölner Asasello Quartett begeistert mit Dimitri Schostakowitsch im Kölner Museum für Angewandte Kunst - ein Konzert mit aktuellen Bezügen.
Gepflegte Unterhaltung und heillose Panik
Dimitri Schostakowitschs 5. Streichquartett beginnt wie ein gefälliger Zeitvertreib in guter Stube. Doch schnell bohrt sich ein querständiges Fünftonmotiv dissonant in das biedermeierliche Idyll und rasen die vier Streicher wie von Bluthunden gehetzt hinauf in kreischende Höchstlagen. Gepflegte Unterhaltung und heillose Panik bilden fortan die Kehrseiten der bipolar zersplitterten Musik. Verkörpert wurde diese einmal mehr mit höchster Konzentration, Intensität und Nuancierung vom ausgezeichneten Asasello Quartett.
Das international zusammengesetzte Kölner Ensemble bringt in seiner Reihe „Sputnik DSCH“ im Museum für Angewandte Kunst Köln bis 2024 sämtliche fünfzehn Streichquartette des russischen Komponisten zur Aufführung, kombiniert mit anderen Werken sowie Videos von Michael Growe. Diesmal projizierte der Künstler im Bühnenhintergrund das gemalte Bild einer bürgerlichen Kammer, mit Lilien-Tapete und einem Bilderrahmen, in dem sich wechselnde Fotos langsam überblendeten. Während des langsamen Satzes – einem zarten Sehnsuchts- und Klagegesang – wurde der Rahmen zum vergitterten Fenster eines Gefängnisses.
Ein ebenso hoffnungsvolles wie hilfloses Symbol für den Frieden
Wie bei allen dezent kommentierenden Begleitvideos der Konzertreihe schob Growe auch jetzt mehrmals Alfred Jarrys Zeichnung „Roi Ubu“ ins Bild. Die aufgedunsene Rübe mit Gesicht ist die zeitlos gültige Satire eines tyrannischen Despoten, sei es Napoleon, Hitler, Stalin, Putin oder sonst wer. Da hätte es der Einblendung von Fotos aktueller Kriegszerstörungen aus der Ukraine gar nicht bedurft. Denn in Zeiten, wo in den Nachrichten fast nur noch über Waffensysteme, Panzer, Haubitzen und Raketen gesprochen und ein Haus nach dem anderen zerschossen wird, erscheint das Spielen von Streichquartetten auch ohne weiterer Kommentar als ebenso hoffnungsvolles wie hilfloses Symbol für Verständigung, Gemeinschaft, Humanität, Frieden.
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Das 1960 entstandene Streichquartett von Tatjana Nikolajewa ist tonaler Neoklassizismus in Reinform, mit ungefährlichen Anflügen leichter Dramatik im Schlusssatz. Die Komponistin war vor allem als Pianistin bekannt, für die Schostakowitsch seine „24 Präludien und Fugen“ komponierte, nachdem er sie 1950 beim Leipziger Bach-Wettbewerb das „Wohltemperierte Klavier“ hat spielen hören. In Schostakowitschs 6. Quartett von 1956 balancierte der ausgezeichnete Primarius Rostislav Koshevnikov teils folkloristisch, teils virtuos figurierend als einsame vox humana über den anderen Stimmen. Der sanfte G-Dur-Schluss aller wirkte dann als Ausdruck der Sehnsucht, wie in musikalischer Harmonie möge sich auch alles andere versöhnen. Verdienter begeisterter Applaus!