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Konzert im Kölner PalladiumEinst war er peinlich, heute ist Rick Astley der Größte

Lesezeit 4 Minuten
Rick Astley gestikuliert am Mikrofon auf der Bühne des Kölner Palladiums. Er trägt einen auberginefarbenen Zweireiher und hat eine weiße E-Gitarre umgeschnallt.

Rick Astley am 9. März 2024 im Kölner Palladium

Dem bubihaften Star der 80er ist ein beeindruckendes Comeback gelungen. In Köln feierte Rick Astley den Auftakt seiner Europatour. Unsere Kritik.

Im Palladium läuft das Beste aus den 80ern. Manches davon ist heute noch schwerer erträglich, als es Rick Astley damals war. Was der falsch gemacht hatte? Eigentlich nichts.

Aber die Musik! Das Produktionstrio Stock Aitken Waterman (SAW) dominierte in der zweiten Hälfte der 80er die britischen Charts mit einer Mischung aus festgezurrten Hi-NRG-Beats und Italo-Disco-Melodien. Zusammen klang das wie dünn aufgebrühter schwarzer Pop, Motown-Muckefuck. Thatcheristische Musik, schimpfte Pet Shop Boy Neil Tennant. Fügte bewundernd hinzu: perfekter Pop als Ausdruck seiner Zeit.

Als schüchterner Sänger mit robustem Bariton landet Rick Astley 1987 einen Welthit

In Rick Astley, einem schüchternen Northern-Soul-Sänger aus Lancashire mit überraschend robustem Bariton, fanden Stock Aitken Waterman ihren perfekten Protagonisten. „Never Gonna Give You Up“ sang Astley 1987 mit dem frischgebügelten Charme eines BWL-Erstsemesters. Seine Debütsingle landete in 25 Ländern auf Platz 1, selbst in den USA. Es waren die Gier-istgut-Jahre, in denen die Helden in Hollywoods Teenager-Komödien am Ende mit einem neuen, frisch gewachsten Auto belohnt wurden: Die Minne war dementsprechend auch nur eine Art Verkaufsgespräch.

Nie wieder klang Pop so transzendenzlos. Kein Wunder, dass man sich als Jugendlicher mit Problemen sein Heil bei den Smiths suchte, nicht ahnend, dass deren quengelnder Sänger Morrissey mit seiner Elvis-Haartolle Astleys großes Frisurvorbild war. Die Tolle sitzt immer noch. „Nur das zählt“, scherzt Astley in Köln. Es bleibt nicht der einzige selbstironische Witz, den er an diesem Abend über sein beneidenswert dichtes Haar macht. Zur Zugabe posiert er mit Föhn im Anschlag.

09.03.2024, Köln: Rick Astley gab ein Konzert im Palladium. Foto: Uwe Weiser

Rick Astley im Palladium

Mit 58 Jahren sieht Rick Astley immer noch aus wie Rick Astley, man könnte ihn auf „Kinder Schokolade“-Verpackungen drucken. Die Doppelreiher-Anzüge – erst auberginefarben, dann in Burnt Orange – sitzen perfekt und für „Never Gonna Give You Up“ wechselt er gleich noch einmal das Oberteil, präsentiert seinen größten Hit im dunkelblauen Jackett und gestreiften T-Shirt, wie im alten Video. Das kennen, dank des „Rickrolling“-Phänomens, bei dem nichtsahnende Internet-Nutzer per Hyperlink eben dorthin gelockt wurden, auch Milliarden von Nachgeborenen.

Astley ist der einzige Mensch, der sich selbst rickrollen kann. Aber wer will schon ein Comeback als Netztroll feiern? Seinen dritten Karrierehöhepunkt bescherten Astley zwei Auftritte in Glastonbury im vergangenen Sommer: Nach seiner regulären Show sang er mit der Indieband Blossoms ein Set, das ausschließlich aus Smiths-Covern bestand. Sang dabei mit so offensichtlichem Vergnügen, dass die Menge ihn nur zu gerne als nicht-toxische Alternative zum rechts frei drehenden Morrissey umarmte: Wer ist hier der Troll?

Was uns endlich zum Kölner Konzert bringt, auf dem sich Astley einmal mehr als Best-Practice-Beispiel für würdevolles Altern im Schaugeschäft empfiehlt. Den dünnen Digitalsound der 80er-Hits verwandelt die neunköpfige Band in schmissige Partyversionen, interpoliert Gassenhauer wie Lizzos „Juice“ oder Chics „Good Times“, für die neuere Stücke treten die drei Bläser einen Schritt zurück, es wird intimer, als man das von einer Nostalgie-getriebenen Show erwartet hätte.

In „Keep Singing“ singt Astley von seiner schwierigen Kindheit, davon, wie er seinen Vater am Steuer hat weinen sehen, wie die Musik ihn aus der Ausweglosigkeit gerettet hat. „Driving Me Crazy“ ist ein Liebeslied an seine dänische Frau, die er bereits im „Never Gonna Give You Up“-Jahr kennengelernt hat. Eigentlich würden alle seine Liebeslieder von seiner Frau handeln, gesteht Astley und tausend Frauen schicken ihm in Gedanken ein Herz-Emoji.

Als er Harry Styles' „As It Was“ zum Besten gibt, öffnet sich ein Wurmloch von Herzbube zu Herzbube. Unerwarteter ist das zweite Cover: Seine Musikkarriere, erzählt Astley, habe er als Schlagzeuger begonnen, AC/DCs „Highway to Hell“ war der Song, zu dem er übte. Spricht's, setzt sich hinters Drumkit, und haut völlig losgelöst auf die Felle, wie ein glückliches Kind.

Bon Scott ist tot und Morrissey gesellschaftlich erledigt. Aber Astley, ausgerechnet, ist in der Form seines Lebens. Lang lebe der Rick'nRoll!