Kunst ist Chef: Jonathan Meese und DJ Hell verbeugen sich mit ihrem „Gesamtklärwerk Deutschland“ vor Deutschlands ehemals innovativster Musikgruppe – mit sensationellem Ergebnis.
Kraftwerk neu gedeutetMeese x Hell: Deutschland, Deutschland

Ein Ausschnitt aus dem KI-generierten Video zur titelgebenden Single des neuen Albums von Meese x Hell. Bereits die Kleidung macht klar, um wen es hier geht.
Copyright: Pressefoto Buback
Vier Jahre nach ihrer ersten Zusammenarbeit „Hab keine Angst, hab keine Angst, ich bin deine Angst“ haben sich Kunst-Apokalyptiker Jonathan Meese und Techno-Ikone DJ Hell erneut zusammen getan.„Gesamtklärwerk Deutschland“, ihre vertonte Ehrerbietung an Deutschlands ehemals wichtigste Band Kraftwerk ist das zeitgemäße Update eines Sounds, der von den Düsseldorfer Innovatoren seit 30 Jahren nur noch verwaltet wird, wie Innovatoren eben irgendwann meistens nur noch verwalten – wenn auch nicht selten auf weltumspannenden Touren durch große Hallen.
Ich bin Dr. Deutschland / Mach Deutschland klein / Und mach es wieder groß / Das ist die Zukunft und das muss es sein / Klein Groß Klein Groß Klein Groß ...
Der von Meese seit Jahren propagierten „Diktatur der Kunst“ unterwerfen er und Hell, selbst seit Jahrzehnten Aufsauger, Transformierer, Erfinder und Weiterdreher auf „Gesamtklärwerk Deutschland“ ihre kongenialen Genies.Gruppiert um das Boom-Boing-Tschack der kraftwerkschen „Techno Pop“-Ära des Jahres 1986 im Zentrum des Albums, gelingt Meese x Hell mehr als eine würdige Hommage. Nämlich etwas noch nie gehörtes. Zwischen Hells House, harten EBM-Brüchen und Meeses Songtexten, die an die einsilbige Stichwort-Lyrik der Düsseldorfer Pioniere erinnern, bleiben diese stets erkennbar – und untanzbar.
Kraftwerk und Deutschland, die bestimmenden Pole, sind es auch, die Malerstar und Labelchef Daniel Richter auf dem Cover zusammenführt: hier, die orange-weiß-gestreiften Warnkegel, wie man sie auf den frühen Kraftwerk-Alben, heute nur noch auf Baustellen findet. Dort, der klotzförmige Industriebau aus bessern Zeiten.
Wo Meese ist, ist Mutter Brigitte, künstlerzeitlebens Managerin, Verwalterin, Organisatorin der Arbeit ihres Sohnes, mittlerweile 95 Jahre alt und auf zwei Tracks zu hören.
Meeses und Brigittes Stimmen öffnen für Hells Sound-Kompositionen neue Ebenen. Überhaupt waren es immer auch Meeses Worte die zu provozieren wussten. Gleich drei der sieben Songs tragen „Deutschland“ im Titel.
Auf einem, dem Stück „Apokalyptiker“ stacheln sich beide zu einem Schlagabtausch zwischen Gut und Böse, an:
„Guten Abend, ich bin Lady Toleranz. Ich liebe das Leben und ich möchte, dass das Leben schön ist“„ Nein, Nein, Nein, Nein“, „Doch“, „Nein“, „Doch“ – die gute Mutter „Mami“ Meese zieht ihre Sohn am Ende die Hörner.
Was soll das alles?
Gaga oder dada? Alles ist möglich. Gute Kunst lässt bekanntlich immer die Betrachter ihr Urteil fällen.
Meese x Hell - „Gesamtklärwerk Deutschland“ (11.04, Buback / Indigo / Zebralution)