Der neueste „Polizeiruf 110“ begleitet jagende Anwälte und Schweinebauern, bleibt aber insgesamt zu oberflächlich.
So war der Polizeiruf 110Trotz Zielwasser danebengeschossen
Wem würde man wohl weniger gerne Alkohol in die Hand drücken als einem, der in der anderen ein Gewehr hält? Dieses Empfinden scheinen drei junge Anwälte im neuesten „Polizeiruf 110“ nicht zu teilen. Als Jagdtouristen wollen sie an der deutsch-polnischen Grenze auf Wildschweine und Hirsche schießen, genug Zielwasser haben sie ja intus. Blöd nur, wenn es am Ende einen der Jäger erwischt. Er wird tot im Wald aufgefunden.
Die zwei überlebenden Anwälte sind somit gleich verdächtig. Konstantin Richtmann (Nicolas Handwerker) ist vor kurzem von seinem Vater degradiert worden, der die Kanzlei leitet, während sein noch lebender Kollege Daniel Pillokat (Marius Ahrendt) sich weiter im väterlichen Nest breit macht. Der Nutznießer wirkt aber auch alles andere als unschuldig, zumal er seinen Kater im Wald ausgeschlafen hat und dort noch eine Weile herumtorkelt. Dadurch bietet sich früh eine interessante Gemengelage: Das gegenseitige Misstrauen der Anwälte ist gepaart mit dem schlechten Gewissen von Menschen, deren Erinnerung sie im Stich gelassen hat. Dieses beengende Gefühl bringen die Schauspieler sehr gut rüber.
Polizeiruf 110 ohne Kommissar Vincent Ross
Zu den Verdächtigen zählt auch ihr Jagdleiter Marek Kulesza (Piotr Witkowski), der die Hobbyschützen eigentlich dauerbetreuen muss, die Jagd aber abbrach, als die Anwälte sich nicht an die Regeln hielten. Sie waren dann trotzdem alleine weitergegangen und dabei auch in ein Gebiet eingedrungen, das wegen Schweinepestbefall abgesperrt ist. Besonders heikel: Kuleszas Familie hat in der Nähe einen schwächelnden Schweinemastbetrieb, den seine Schwiegermutter gerade so am Leben hält. Sie kümmert sich liebevoll um die verbliebenen Tiere, aber ein weiterer Befall wäre der letzte Nagel im Sarg des Familienbetriebs.
Von diesem Nebenschauplatz hätte man am liebsten mehr gesehen, im Anwaltsmilieu kommen vor allem Klischees. Der Sohn ertränkt seine Vaterprobleme in Alkohol. Der Patriarch sorgt dafür, dass trotz der Konflikte alle dichthalten. Da ist herzlich wenig für die Ermittler zu machen, die zudem ohne ihren Stammkommissar Vincent Ross auskommen müssen. Stattdessen führen Alexandra Luschke (Gisa Flake) und Karl Rogov (Frank Leo Schröder) die Ermittlung, können dabei aber nicht besonders glänzen.
Die Auflösung des Falls
Wie erwartet zerbricht die Gemeinschaft der Jagenden an ihren Konflikten. Der Anwaltssohn hat Geld veruntreut, was seine Kollegen dem Vater gesteckt haben. Da er seine Zulassung zu verlieren droht, zielt er beim nächsten Jagdausflug erst auf Kollegen Daniel Pillokat und dann auf seinen Vater. Die Ermittler, die zufällig zum selben Zeitpunkt in der Nähe ermitteln, können dann Schlimmeres verhindern. Ein Geständnis Pillokats erweist sich aber als Nebelkerze.
Es ist bezeichnend, dass Rogov damit zur Lösung des Falls beiträgt, dass er in den entscheidenden Hinweis buchstäblich hineinstolpert: Einem toten Wildschwein, das wie erwartet die Schweinepest hat. Mit der Jagd im Sperrgebiet drohte eine Ausbreitung des Befalls, um am Ende ist es die alte Schweinebäuerin, die den Anwalt tötete, um das zu vertuschen.
Fazit zum Sonntagskrimi „Schweine“
Auf dem Papier bietet der neueste Polizeiruf eine interessante Geschichte über Klassenunterschiede. Leider nutzt der Krimi diese Dynamik kaum: Die Begegnungen der Anwälte mit der polnischen Familie sind rar und finden meistens außerhalb der gezeigten Handlung statt. Piotr Witkowski spielt den grimmigen Jagdleiter so gut, dass man gerne die Konfrontation mit den Anwälten gesehen hätte. Ein paar gute Szenen mit der polnischen Familie schenkt uns der Krimi. Es wirkt fast wie ein Horrorfilm, als ein Team anrückt, um den Bauernhof nach dem Befall zu untersuchen, wir sehen das aus der Froschperspektive, dazu ein bedrückender Soundtrack. Das Geständnis und die Verhaftung der polnischen Schweinebäuerin tun enorm weh.
Aber warum sich Rogov und Luschke danach zufrieden auf die Schulter klopfen (es fällt sogar ein „Gut gemacht!“), wird für immer ihr Geheimnis bleiben. Sie töten damit die mühsam aufgebaute Stimmung sehr schnell, auch wenn ihre Nonchalance vielleicht ausdrücken soll, dass die Gesellschaft sich letztlich nicht um einen toten Familienbetrieb schert. Die Anwälte dagegen fallen bei all ihrer Verantwortungslosigkeit weich. „Schweine“ weiß durchaus Spannung aufzubauen, der ganze große Wurf ist es aber nicht.