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Kulturdezernent Quander„Kölner Politik hat Haltungsproblem“

Lesezeit 5 Minuten

Georg Quander an seinem Kölner Arbeitsplatz.

KölnHerr Quander, sind Sie froh, den Zwängen eines Kölner Kulturdezernenten zu entkommen?

Georg Quander: Natürlich fällt eine Last von meinen Schultern. Aber ich hätte sie auch gerne weiter getragen.

Die Entscheidung der Politik gegen eine Vertragsverlängerung fiel knapp aus.

Georg Quander, am 29. November 1950 in Düsseldorf geboren, war Intendant der Deutschen Staatsoper Berlin, bevor er am 1. Juni 2005 Kulturdezernent der Stadt Köln wurde. Seine Amtszeit endet am 31. Mai 2013. An diesem Donnerstag gibt er seinen „Ausstand“. (ksta)

Quander: Ja, das hätte auch anders ausgehen können. Bei den Grünen hat es da ordentlich gekracht.

Wie ist insgesamt Ihr Eindruck von der Politik in dieser Stadt?

Quander: Ich habe sie mir nicht so instabil und konzeptlos vorgestellt, wie sie tatsächlich ist. Dass Politik nach Stimmungen und Wahlchancen guckt, das ist normal und überall so. Aber dass darüber hinaus Entscheidungen so kurzlebig sind, ist sehr ungewöhnlich. Das war so bei dem zunächst geplanten Bühnen-Neubau und das ist jetzt so bei der Debatte um den Neubau des Stadtarchivs. Auch im aktuellen Fall gilt: Die Politik wollte ausdrücklich die ganz große Lösung. Aber jetzt soll das wieder Makulatur sein? Das finde ich sehr schwierig.

Welches Grundproblem vermuten Sie hinter dieser Wankelmütigkeit?

Quander: Das ist ein Haltungsproblem. Das ist in Frankfurt anders, auch in Berlin. Eine Elbphilharmonie, wie sie Hamburg baut, wäre in Köln schon dreimal gestoppt worden. Da hätte man womöglich gesagt: Das können wir auch ohne Konzertsaal bauen und planen Wohnungen stattdessen.

Sie meinen, dass dieses ewige Hin und Her ein Kölner Spezifikum ist?

Quander: Ja, das ist meine Erfahrung.

Hatten Sie sich Köln so vorgestellt?

Quander: Einerseits war das Angebot des Kulturdezernenten, das an mich herangetragen wurde, faszinierend: Köln – eine bedeutende, große Kulturstadt. Andererseits hatte die Stadt kulturpolitisch einen ziemlich katastrophalen Ruf. Nach einem Jahr habe ich dann ziemlich ernüchtert festgestellt: Die Lage ist wie der Ruf.

Das sagen Sie jetzt.

Quander: Natürlich habe ich damals das Gegenteil behauptet. Ich wollte ja eine Aufbruchsstimmung erzeugen und Mut machen. Aber alle Museen – mit Ausnahme des Museums Ludwig – waren strukturell unterfinanziert, ja, unterirdisch schlecht aufgestellt. Die Stadtbibliothek, die gut organisiert war, war bis auf die Knochen abgemagert. Und die freie Szene war aufgestellt, als lebten wir in einer Mittelstadt. Die politischen Entscheidungen wirkten auf mich nicht, als würden sie in einem sinnvollen Zusammenhang getroffen, sondern zufällig.

Spürten Sie damals den Impuls, alles hinzuschmeißen?

Quander: Nein. Das ist nicht meine Art. Es war ja für mich eine Herausforderung, hier wieder etwas aufzubauen.

Zweimal wurde öffentlich, dass Sie das Amt aufgeben wollten: Einmal ging es um die Kölner, dann um die Stuttgarter Opern-Intendanz. Hat Sie die heftige Kritik überrascht?

Quander: Bei der Kölner Opern-Intendanz hat mich das sehr irritiert, weil ich doch weiter für Köln tätig gewesen wäre. Auch bin ich auf diesen Posten angesprochen worden. Stuttgart war eine andere Geschichte. Aber auch da habe ich mich nicht beworben, weil ich frustriert war, sondern weil es ein verlockendes Angebot war.

Sie sind ein Kulturdezernent ohne Parteibuch. Ist das hilfreich oder hinderlich?

Quander: Am Anfang habe ich es als Chance gesehen, offen gegenüber allen zu sein. Auch war die Kultur zu Beginn weitgehend kein politisches Feld war. Da konnte man sich kulturpolitisch parteiübergreifend einigen. Das hat sich mit den Jahren deutlich verändert. Also: Es hilft, wenn man parteipolitisch gebunden ist, weil man zumindest ein Lager hat, das hinter einem steht.

Ihre designierte Nachfolgerin ist ebenfalls parteilos.

Quander: Das sehe ich mit einer gewissen Sorge. Denn da kann sich das Spiel wiederholen, was mit mir aufgeführt wurde.

Es gab harte Auseinandersetzungen. Bleiben da Narben?

Quander: Was die Kulturschaffenden angeht, gab es eine solche persönliche Auseinandersetzung nur mit dem ehemaligen Opernintendanten Uwe Eric Laufenberg. Das war der einsame Ausreißer. Auch mit der Politik war es alles in allem in Ordnung. Was ich allerdings bedauere, ist der Umgang der Politik mit der Verwaltung.

Was meinen Sie?

Quander: Das beliebte Spiel der Politik ist das Verwaltungs-Bashing. Dabei können wir als Verwaltung kaum einen Schritt tun, ohne dass der Rat beteiligt wird.

Beliebt ist natürlich auch das Politiker-Bashing. Wird da womöglich der schwarze Peter weitergereicht?

Quander: Ja. Das ist sicherlich so. Aber das geht an der Verfassungsrealität vorbei.

War es ein harte Amtszeit?

Quander: Es war eine durchaus heftige Zeit. Als Kölner Kulturdezernent steht man ja permanent in der Öffentlichkeit – fast so stark wie der Oberbürgermeister.

Das öffentliche Interesse kann doch auch ein Schutz sein.

Quander: Absolut. Ich bin fest davon überzeugt, dass Köln eine sehr kulturinteressierte Bürgerschaft hat. Das Publikum ist sehr sachkundig und begeisterungsfähig. Das sah man exemplarisch, als Karin Beier das Schauspiel übernahm. Das gilt auch für die Ausstellungen und aktuell für die Art Cologne, die wieder Tritt gefasst hat. Da ist ein Potenzial, das man nicht in jeder Stadt hat, die sich Kulturstadt nennt. Dieses Kulturinteresse der Bürger ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann – nur hat das die Politik noch nicht begriffen.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Quander: Stolz bin ich darauf, dass wir die Kultur ein Stück nach vorne gebracht haben. Auch der Ruf hat sich gebessert. Es hat sich herumgesprochen, dass sich die Finanzausstattung der Kultur spürbar verbessert hat, obwohl sie noch lange nicht da ist, wo sie hingehört. Frankfurt gibt zehn Prozent seines Etats für die Kultur aus – und Köln nur vier Prozent. Die sechs oder sieben Prozent, die es zu Zeiten des Kulturdezernenten Kurt Hackenberg gab, sollten es wieder sein. Auch halte ich den Kulturentwicklungsplan für einen Meilenstein, wenngleich die Politik versucht, davon wegzurudern.

Die dunkelste Stunde?

Quander: Der Archiv-Einsturz – eine furchtbare Katastrophe.

Gibt es eine neue berufliche Herausforderung?

Quander: Nein. Erst mal werde ich privatisieren.

Werden Sie nach Ablauf Ihrer Amtszeit endlich nach Köln ziehen?

Quander: Nein. Ich wohne sehr schön in Bonn, direkt am Rhein.

Das Gespräch führteMartin Oehlen