Wer 2005 geboren ist, kann 200 Euro für Kultur ausgeben. Viele junge Erwachsene und die Kölner Branche sind begeistert von dem Kultur-Booster.
„Ein grandioses Angebot“Bücher, Kino und Clubs gratis – 18-Jährige und Anbieter feiern den Kölner Kulturpass
Poetry-Slams, Konzerte und Lesungen, eine Virtual-Reality-Tour rund um den Dom, Live-Podcasts, Theater oder Comedy – das alles können 18-Jährige jetzt gratis erleben. Und noch viel mehr, denn mit dem Kulturpass können sie auch Bücher, Kinokarten oder Musikinstrumente kaufen – insgesamt für 200 Euro.
Mitte Juni startete die Aktion der Bundesregierung, also pünktlich zum kulturellen Sommerloch. Doch selbst wenn die Theater und viele Konzerthallen Sommerpause machen - Bücher und Kino gehen immer. Und auch die Kölner Veranstalter, Kinos und Buchhandlungen spüren, dass sich das Angebot langsam in der Altersgruppe herumspricht. Bisher haben sich gut zehn Prozent der Zielgruppe angemeldet, vermeldete gerade eine Sprecherin von Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Das ist ein sehr guter Start und wir freuen uns, dass die Zahlen stündlich und täglich steigen“.
Dass sich die 18-Jährigen über den Geldsegen freuen, ist klar. Aber auch die Anbieter feiern den Kulturpass. „Ein grandioses Angebot“, findet zum Beispiel Dorothee Junck vom Kölner Buchladen Neusser Straße. Und erzählt, dass auch die Euphorie der Jugendlichen, die im Laden über die Kulturpass-App eingekauft haben, groß war. „Es ist schön zu sehen, dass das so gut ankommt."
Kulturpass Köln: Von Büchern über Kino bis zu Clubs nutzen junge Erwachsene das Angebot
Mit ein bisschen Aufwand sei das für die Buchhändler schon verbunden gewesen - aber dank der Unterstützung vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels sei das alles kein Problem gewesen: „Ist ja für eine gute Sache“, so Junck entspannt. Für was die 18-Jährigen sich im Laden so interessieren? Ganz unterschiedlich, sagt sie: „Zum Beispiel für den 'Lonely Planet'-Bildband, einer hat aber auch in eine schöne Klassiker-Ausgabe investiert. Oder einfach Unterhaltungsliteratur.”
Die Fachzeitschrift „buchreport“ rät den Händlern, Mangas und Comics vorrätig zu haben. Die Erfahrungen aus Frankreich, wo es einen ähnlichen „pass culture“ gibt, hätten gezeigt, dass so etwas am gefragtesten bei der Zielgruppe ist. Über die Hälfte des Guthabens wurde dort in Bücher investiert – vor allem in unabhängigen Buchhandlungen. Und fast die Hälfte der jungen Franzosen und Französinnen gab an, durch den Pass neue Buchhandlungen entdeckt zu haben.
Kein Wunder also, dass auch Kerstin Hömann von der Mayerschen Buchhandlung am Kölner Neumarkt die Initiative gut findet: „Es kommt jetzt täglich vor, dass 18-Jährige mit ihrem Kulturpass zu uns kommen und im Buchsortiment stöbern“, erzählt sie. Und tatsächlich seien Mangas in der Generation beliebt - aber auch Fantasy und englischsprachige Literatur. „Wir haben zudem eine große Auswahl an Büchern, die bei TikTok besprochen werden. Die Trends in den Sozialen Medien werden auch für uns im Buchhandel immer wichtiger.“
Dass gerade so viel über den Kulturpass gesprochen werde, helfe, Themen wie Kultur und Lesen in die Öffentlichkeit zu bringen. „Das stärkt den stationären Buchhandel und damit die Attraktivität unserer Kölner Innenstadt. So kommen wieder mehr junge Leute zu uns, weil sie hier eine große Auswahl haben, aus der sie sich mit dem Kulturpass etwas Schönes aussuchen können.“
Viele Jugendliche kämen über den Kulturpass zum ersten Mal mit Büchern und anderen kulturellen Angeboten in Kontakt: „Das ist die Chance für uns, neue Leserinnen und Leser zu gewinnen. Auch für Lesungen oder andere Veranstaltungen kann man den Pass ja nutzen.“
Bücher bei Amazon oder einem anderen digitalen Händler könne über den Pass übrigens nicht bestellt werden – die Bundesregierung will damit nach der Corona-Pandemie gezielt „junge Menschen für Kultur vor Ort begeistern“ und die Kulturbranche unterstützen. Eine Win-Win-Wirkung also, für junge Erwachsene und die Kultur gleichzeitig.
„Man merkt schon, dass durch die Pandemie viele junge Leute der Kultur etwas fern sind“ hat auch Christian Schmalz beobachtet: „Und da halte ich 200 Euro als eine Art Startkapital, um wieder in die Kultur einzusteigen, für ganz großartig“, sagt der Betreiber der Kölner Kinos „Off Broadway“ und „Weisshaus“. Auch bei ihm wurden schon einige Tickets über den Kulturpass eingelöst.
„Aus den Gesprächen mit jüngeren Leuten höre ich raus, dass sich viel verändert hat, dass sich viel ins Internet verschoben hat. Und da denke ich, ist es gut, den öffentlichen Versammlungsraum und den soziokulturellen Raum wieder mehr zu öffnen, gerade für diese Generation.“ Im Moment ziehe zum Beispiel der Film „Asteroid City“ von Wes Anderson besonders ein junges Publikum in die Kinos.
„Es ist schön zu sehen, wie viele junge Menschen das Angebot nutzen und ihre Begeisterung fürs Kino wiederentdecken“, findet auch Holger Pfaff, Geschäftsführer des Kölner Cinedom. Mehr als 200 Mal sei der Kulturpass dort schon eingelöst worden.
Einen pädagogischen Ansatz hat der Kulturpass nicht – es ist also egal, ob sich die Nutzer für Shakespeare oder Comics entscheiden. Das Angebot in der App lässt sich unter anderem nach der Postleitzahl filtern. Dass einige Buchhandlungen offenbar ihr gesamtes Sortiment eingestellt haben (mit Büchern wie „Risikomanagement im Kinderschutz“ oder den „Rahmenlehrplan für den Unterricht Humanistische Lebenskunde“) macht die Orientierung nicht unbedingt leichter. Viele Veranstalter und Läden werben inzwischen aber auch schon mit dem Kulturpass-Logo auf ihrer Webseite oder direkt vor Ort.
Mit „Gratis Eintritt in den Club“ wirbt zum Beispiel auch das Kölner Bootshaus. Marketing Chef Niclas Aigner erzählt, dass vor allem Festival-Tickets über den Kulturpass gekauft werden - für das „Nibirii“ in Düren Ende August und für das Blacklist Festival in Oberhausen im Oktober.
Direkt nach der Corona-Pandemie sei das Publikum tatsächlich noch zurückhaltender gewesen. Das habe sich inzwischen aber wieder voll eingependelt: „Beim Bootshaus sind wir in der sehr guten Position, dass wir in der Regel Events ausverkaufen. Für uns ist der Kulturpass deswegen kein entscheidender Hebel, aber um kleinere Veranstalter zu unterstützen, macht das Ganze schon sehr viel Sinn.“
Er sieht die Aktion vor allem als eine nette Geste für junge Besucher nach der Pandemie: „Wir wissen, wie wichtig besonders diese jungen Jahre sind, um verschiedene Seiten der Kultur zu entdecken, erleben und Erinnerungen fürs Leben zu schaffen.“
Der Kulturpass ist für alle Jugendlichen, die in Deutschland leben und im Jahr 2023 18 Jahre alt werden. Deutschlandweit sind das laut Statistischem Bundesamt etwa 750 000 Menschen. Dafür brauchen sie nur die Kulturpass-App und einen digitalen Nachweis, dass sie 2005 geboren sind – zum Beispiel mit der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises.
Die mit 100 Millionen Euro ausgestattete Förderung kommt aus dem Ressort von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) mit Unterstützung des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP). Das Geld reicht zunächst für rund 60 Prozent der 18-Jährigen. Sollte der Kulturpass ausreichend genutzt werden, will Roth das Angebot in Zukunft auf weitere Altersgruppen ausweiten. Das Guthaben soll zwei Jahre lang gültig bleiben. (dpa)