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Kunst im StadtraumWarum das Wandgemälde einer Kölner Künstlerin zugemauert wird

Lesezeit 4 Minuten
Betonmischer stehen vor einer Baustelle am Kartäuserwall in Köln.

Baustelle am Kartäuserwall mit dem Wandgemälde von Rune Mields

Die 89-jährige Rune Mields gehört zu den prägenden Figuren der Kölner Kunstwelt. Trotzdem verschwindet bald ein monumentales Werk von ihr.

Sie sei schon „ziemlich traurig“, sagt Rune Mields, auch wenn sie gewusst habe, dass ihr monumentales Wandgemälde im Kartäuserwall nicht für die Ewigkeit gemacht war. Seit 1984 prangt das Mosaik der 89-jährigen Kölner Künstlerin an einer Giebelwand, mit freier Sicht auf die Stadt und den unter ihm liegenden Parkplatz der Melanchthon-Akademie. Seit kurzem klafft hier allerdings eine Baugrube, in der die evangelische Kirche den „Campus Kartause“ errichten lässt. Rechter Hand schließt der geplante Baukomplex direkt mit der bestehenden Bebauung ab – und wird das Gemälde von Rund Mields verschlucken.

Mields Arbeit entstand 1984 als Beitrag eines städtischen Wettbewerbs. Es zeigt die vergrößerten Fragmente eines Mosaikfußbodens aus der romanischen Kirche St. Pantaleon, der um 1170-80 entstanden sein soll und dort schon lange nicht mehr existiert. „Mir gefiel die Idee, dem Viertel etwas Verlorenes zurückzugeben“, so Mields über ihr Wandgemälde. Die Vorlage für ihr Motiv fand sie in einem alten Band über St. Pantaleon, die Mosaikfliesen, sagt Mields, lagern möglicherweise in Kisten verpackt in einem Kölner Museumsdepot.

Rune Mields hat durch Zufall davon erfahren, dass ihr Wandgemälde zugebaut wird

Sie habe durch Zufall davon erfahren, dass ihr Wandgemälde zugebaut wird, sagt Rune Mields. Weder die Stadt, auf deren Initiative das Werk zurückgeht, noch die evangelische Kirche als Bauherrin seien an sie herangetreten. Erstere ist bei diesem privaten Bauprojekt allerdings auch nicht zuständig, letztere wusste vermutlich nicht um die Geschichte der eindrucksvollen Wandmalerei. Was man ihr nicht einmal verdenken kann: „St. Pantaleon Retrospektiv“, so der Titel der Arbeit, hat selbst in den einschlägigen Datenbanken zur Kunst im öffentlichen Raum wenige bis keine Spuren hinterlassen.

Dabei ist Rune Mields nicht irgendwer. Anlässlich ihres bevorstehenden 90. Geburtstags richtet ihr das Aachener Ludwig-Forum eine Ausstellung aus, das Kunstmuseum Bonn würdigt sie mit einem Werkraum innerhalb der ständigen Sammlung und in der Kölner Galerie Pamme-Vogelsang sind derzeit neue Arbeiten der weiterhin aktiven Künstlerin zu sehen. Insbesondere im Rheinland hat der Namen Mields einen guten Klang.

Mir gefiel die Idee, dem Viertel etwas Verlorenes zurückzugeben
Rune Mields

Als sich Rune Mields Mitte der 1960er Jahre entschloss, Malerin zu werden, war es hingegen noch keinesfalls unüblich, Frauen in der Kunstwelt zu belächeln. Allerdings gerieten die Männer bei Mields nicht nur wegen ihres maskulin klingenden Vornamens ins Grübeln; ihre stahlharten frühen Röhrenbilder scherten sich wenig um angebliche weibliche Sensibilität. Wie frisch aus der Malmaschine gezogen, hängen die schwarz glänzenden Rohre an der Wand, so scharfkantig in ihrem scheinbar banalen Realismus, dass es schon wieder surreal erscheint. Allerdings ging es der vierfachen Mutter weniger um das aggressive Potenzial des Gegenstands als um die zentralperspektivische Konstruktion des Bildraums.

Mields kam über die Stationen Münster (wo sie aufwuchs) und Aachen (wo sie den kurzlebigen, aber wichtigen Kunstverein Gegenverkehr mitbegründete) nach Köln und war gleich mitten im Geschehen. 1972 zog sie in eine Wohnung gegenüber des heute legendären Galerienhauses in der Lindenstraße, ihr Interesse an Technik und den Naturwissenschaften erweiterte sie um die Mathematik, indem sie Primzahlen mithilfe fernöstlicher Schrift in eine malerische Zeichensprache übersetzte – mit diesen Bildern nahm sie 1976 an der Documenta teil.

Zwischen Kartäuserwall und der Kirche St. Pantaleon liegen nur wenige Gehminuten

Mields Kölner Wandarbeit ist dagegen betont bodenständig, ein Geschenk an das Viertel, in dem es steht. Zwischen Kartäuserwall und St. Pantaleon liegen nur wenige Gehminuten, die Giebelwand blickt in Richtung der Kirche, die zu den ältesten Kölns gehört. „Eine schöne Idee“, findet Mields bis heute, die Entwürfe zum Gemälde, vermutet sie, könnten heute irgendwo im Kölnischen Stadtmuseum schlummern. Das Werk mit seinen gezackten Kreisen ist erstaunlich gut erhalten, und was sich an Patina gebildet hat, passt zum fragmentarischen Charakter des Motivs.

Bis der „Campus Kartause“, ein Areal, das Bildung, Wohnen, Verwaltung und Gastronomie nach dem Vorbild eines klösterlichen Kreuzgangs vereint, das Wandgemälde zudeckt, dürften noch einige Monate vergehen – derzeit wird unter dem Straßenniveau gebaut. Man kann also Abschied nehmen von diesem „vergessenen“ Kunstwerk, das mutmaßlich auf dokumentarischen Abbildungen weiterleben wird.

Der Kölner Künstler Cornel Wachter hat seinen Beitrag dazu schon geleistet und den Fotografen Laurenz Berges dafür gewonnen, das Wandgemälde abzulichten. Die Aufnahme des renommierten Becher-Schülers soll in eine Benefiz-Edition zugunsten des „Housing First“-Projektes eingehen, mit dem die Südstadt-Initiative Vringstreff obdachlosen Menschen ein festes Zuhause ermöglichen will. So schließt sich der Kreis zum Namenspatron der Kirche St. Pantaleon, einem der vierzehn Nothelfer der katholischen Kirche. Ganz nebenbei ist Rune Mields Wandgemälde auch ein ökumenisches Werk. Es stiftet zwischen den Konfessionen eine innige Nachbarschaft.