Seit 60 Jahren stellt sich Rolf Rose die Frage, wie man Malen kann, ohne wirklich zu malen. Sein Werk wird jetzt in Bergisch Gladbach gezeigt.
Kunstmuseum Villa ZandersWarum Rolf Rose lieber mit dem Spachtel malt
Über Jahrhunderte haben Maler darum gekämpft, als Künstler anerkannt zu werden, nur um sich in der Moderne den Blaumann wieder freiwillig anzuziehen. Steht man in Bergisch Gladbach vor einer weißen Wand des 90-jährigen Rolf Rose, ist man jedenfalls geneigt, nach einem Fliesenleger zu rufen, der das abgebrochene Werk vollenden möge. Mit dem Zahnspachtel hat Rose so lange schöne Kurven in die weiße Acrylfarbe gewischt, bis man sie für handelsübliche Spachtelmasse halten könnte. Jetzt noch Kleber und Fliesen drauf und fertig ist das neue Badezimmer.
In Kennerkreisen wurde Rolf Rose als Meister des Anthrazits geschätzt
Aber auch das „unvollendete“ Werk hat seine Vorzüge. Die gezahnten Schwünge verwandeln die weiße Riesenleinwand in ein wogendes Meer, und in den Rillen bricht sich das Licht in immer neuen Mustern und Grauschattierungen. In den 1950er Jahren erfand der New Yorker Kunstkritiker Clement Greenberg für derartige Formen der Malerei den Ausdruck „Post Painterly Abstraction“: unmalerische abstrakte Malerei. Ein hübsches Paradox, das Rose seit 60 Jahren mit Leben füllt. Der Jubilar greift zum Spachtel, weil ihm die Vorstellung, ein Maler habe eine Handschrift, von vorgestern erscheint. Aber auch ohne einen einzigen Pinselstrich wirkt sein Werk erstaunlich kunstvoll.
Wie malerisch kann ein Bild sein, das nicht mehr im klassischen Sinne gemalt ist? Diese Frage stellt sich im Kunstmuseum Villa Zanders vor jedem Bild der Rolf Rose gewidmeten Ausstellung. In ihr versammelt Museumsdirektorin Petra Oelschlägel Bilder seit den 1970er Jahren und schrammt damit nur knapp an einer vollwertigen Retrospektive vorbei. Die frühen Werke, hohe graue Himmel über flacher grauer Erde, wirken noch vergleichsweise klassisch. Für sie löste Rose Farbpigmente in Wachs auf und schichtete sie auf die samtig schimmernde Leinwand. In Kennerkreisen wurde Rose damals als Meister des Anthrazits geschätzt.
Mit dem Spachtel kommt ein neuer Tonfall in Roses Werk - der Minimalist wird zum virtuosen Grobmotoriker. Die Leinwände bleiben vorwiegend monochrom, doch jetzt zieht Rose Streifen in die dick aufgetragenen Farben und lässt die Ränder stehen. Gelegentlich streut er Graphitstaub auf die fertige Leinwand, um ihr den Glanz zu nehmen oder die Schwere von Eisenplatten zu verleihen. Grau bleibt lange Roses Blattgold. Aber in Bergisch Gladbach gibt es auch eine monumentale Abweichung in Blutrot zu sehen.
Mit den Jahren werden die Spachtel in Roses Werkstatt mal schmaler, mal breiter – und die Bilder mitunter geradezu frivol. Hell erleuchtet sind zwei Übungen auf Aluminium, für die Rose verschiedene Farbschichten übereinander legte, um die Farben anschließend abzuschaben. Im Prinzip ähnelt das den Rakelbildern Gerhard Richters, nur dass Rose die Leinwand durch klar voneinander getrennte Flächen strukturiert. Bunte Bindfäden scheint es dann auf einem Bild aus dem Jahr 2018 zu regnen; die geschabten Striche bilden eine undurchdringliche Wand, ein Farbstakkato im Hochformat.
Auf den jüngsten Bildern werden die Wischeffekte dicker, der breite Zahnspachtel scheint für Rose das altersgemäße Mittel des malerischen Nicht-Malens zu sein. Ähnliches sieht man gelegentlich an Schaufenstern, die mit Kleisterbürsten blind gemacht wurden, wobei Rose seine späten Großformate vor allem nutzt, um mit Farbkontrasten zu spielen und der Leinwand eine ungewohnte Tiefe zu verleihen. Dazu schichtet Rose die Farben, bis sich mitunter die Leinwand biegt. Ein drei Jahre altes, nach dem mitteleuropäischen Urwald der Antike benanntes Riesenformat („Hercynia Silva No 1“) riecht immer noch nach frischer Farbe. Auf ihm wogt es Tiefblau und Schwarzgrün, lediglich am oberen Bildrand glimmt es feuerrot. Aber das genügt, um einem das Gefühl zu geben, dass unter Roses verkrusteten Oberflächen das Magma glüht.
„Rolf Rose – Malen Sehen“, Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach, Di., Fr. 14-18, Mi., Sa. 10-18, Do. 14-20, So. 11-18 Uhr, bis 3. März 2024. Der Ausstellungskatalog kostet 32 Euro im Buchhandel und 26 Euro im Museum.