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lit.pop feiert PremiereDas Event, bei dem alle „woken“ Kölnerinnen und Kölner dabei sein wollen

Lesezeit 3 Minuten
Valentin Moritz (links), Philipp Winkler, Joris Bas Backer, Dinçer Güçyeter und Mithu Sanyal  bei der lit.pop im Kölner Stadtgarten am 4. März. Sie sitzen in der Reihe auf der Bühne. Hinter ihnen ist das lilane Logo der lit.pop groß auf einem Bildschirm. Vor ihnen sitzt das Publikum.

Valentin Moritz (links), Philipp Winkler, Joris Bas Backer, Dinçer Güçyeter und Mithu Sanyal lesen bei der lit.pop aus „Oh boy“.

Am Samstagabend feierte die lit.pop Premiere. Es kam zu langen Menschenschlangen vor dem Stadtgarten.

Die Schlange an Menschen vor dem Stadtgarten ist lang. Über eine Absperrung wird noch mit einem Veranstaltungsteammitglied abgeklärt, ob es sich überhaupt lohnen würde, weiter anzustehen. Nein. Es scheint als wolle das gesamte „woke“ Köln, also jene Kölnerinnen und Kölner, die jung, wachsam, politisch aktiv und meist akademisch sind, teilweise aber dafür belächelt werden, an diesem Event am Samstagabend, der lit.pop, teilnehmen. Das abgesonderte Format der lit.Cologne feiert an diesem Abend seine Premiere.

Zielgruppe des Mini-Literaturfestivals waren eben genau diese woken Menschen, die sich für soziale Gerechtigkeit, Klimarettung und sexuelle Freiheit einsetzen. Entsprechend ist auch das Programm, bei dem eine Entscheidung zwischen jeweils zwei parallelen, sehr interessanten Themen zu jedem Zeitfenster schwertut, bestückt – angefangen, wie sollte es anders sein, mit einem Talk über feministische Außenpolitik. Während parallel im zweiten, kleineren Saal das Schauspiel Köln „(Orpheus und) Eurydike“ aufführt, sprechen Kristina Lunz und Stephanie Rohde darüber, wie eine ideale Welt aussehen würde.

In der wären Interessen und Werte keine Gegensätze, sondern würden sich überlappen. Waffenlieferungen wären auch kurzfristig nicht nötig, weil langfristig geplant worden wäre. Menschliche Rechte und Sicherheit ständen über militärischer Sicherheit. Komplexe Probleme würden mit komplexen, nachhaltigen Lösungen angegangen werden. Dass wir in dieser Idealvorstellung nicht leben, ist offensichtlich, deshalb brauche es Menschen, die stetig bereit sind, Konventionen infrage zu stellen und dabei standhaft bleiben, so Lunz.

lit.pop: Ableger der lit.Cologne feiert Premiere

Die Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy und ehemalige Beraterin des Auswärtigen Amts ist absoluter Vollprofi, spricht strukturiert, hat auf fast alles eine Antwort, scheut sich aber auch nicht „Ich habe keine Ahnung“ zu sagen, wenn es so ist. Konträr dazu stellt kurze Zeit später Lydia Meyer das Buch „Die Zukunft ist nicht binär“ vor. Meyer liest daraus aufgeregt und verhaspelt sich immer wieder leicht, was die Thematik und Meyers Gedanken nicht weniger interessant macht.

Es ist dieser Kontrast, der die Stärke des Festivals aufzeigt: Nicht nur die Themen der Talks sind breitgefächert, sondern auch die entsprechenden Personen, die etwas zu sagen haben. So analysieren Friedemann Karig und Samira El Ouassil in einer Live-Ausgabe ihres Podcasts Piratensender Powerplay das aktuelle Weltgeschehen. Die Rapperinnen Nashi44 und Die P diskutieren darüber, was Hip-Hop sagen darf und kann. Und es wird aus der Anthologie „Oh boy“ gelesen, für die 18 cis und trans Männer sowie non-binäre Menschen über eine neue Männlichkeit schreiben, die sich dem Narrativ des stets starken, gefühllosen Mannes entgegensetzt.

Hier sagt Dinçer Güçyeter etwas ganz Entscheidendes, bevor er sein anrührendes Gedicht vorliest: „Diese Veranstaltung sollte in den Kneipen sein, in Mülheim zum Beispiel. Das fände ich viel interessanter“. Denn die Menschen, die an diesem Abend im Stadtgarten sind, haben sich vermutlich schon mit den Themen auseinandergesetzt, holen sich nur zusätzliche Perspektiven dazu ein. Alle anderen werden sich kaum für das Event angemeldet haben.

lit.pop: Breite Themenspanne, aber zu wenig Platz

Das ist schade und ein Makel des Festivals. Hätte man die Panels und Lesungen nicht abgesondert, sondern als einzelne Programmpunkte der lit.Cologne angeboten, hätte man auch Menschen erreichen können, die nicht eh schon mit den behandelten Themen vertraut sind. Denn ein ganzer Abend über sechs Stunden, mit anschließender kinky Party, ist ganz schön viel, um sich mit komplett neuen Dingen zu beschäftigen.

Dass die Veranstaltung trotzdem ein voller Erfolg war, zeigt ein weiterer Makel: Sie war im Stadtgarten zu klein angelegt. Je nach Thema füllten sich der große Konzertsaal oder der kleinere Kellerraum Jaki so sehr, dass ein Großteil des Publikums auf dem Boden sitzen musste. Bei der letzten Veranstaltung, in der Şeyda Kurt („Radikale Zärtlichkeit“) Hass untersuchte, bekamen sogar etliche Interessierte keinen Eintritt mehr. Wenn die lit.pop also – hoffentlich – eine Fortsetzung bekommt, sollte ein geräumigerer, barrierefreier Veranstaltungsort gefunden werden.