In der Kulturkirche Köln zeigen Behzad Karim Khani, Enisa Amani und Aida Baghernejad, warum es so wichtig ist, Betroffenen zuzuhören.
Khani und Amani auf der lit.Cologne„Es wurde immer nur über uns geschrieben, jetzt schreiben wir selbst“
Am Dienstagabend ist in der Kulturkirche Köln ein leider noch seltenes Bild zu sehen: Auf der Bühne sitzen für ein Gespräch über Einwanderung, Diskriminierung und die Suche nach Identität ausschließlich betroffene Personen. Autor Behzad Karim Khani, Komikerin Enissa Amani und Journalistin Aida Baghernejad haben unterschiedliche, individuelle Geschichten, wie sie und ihre Familien aus dem Iran nach Deutschland gekommen sind und doch gibt es in diesen Geschichten etliche Parallelen.
Von diesen erzählen sie bei der Veranstaltung der lit.Cologne. Khanis Debüt-Roman „Hund, Wolf, Schakal“ gibt dafür Beispiele, die er in feiner, aufmerksamer und detailreicher Poesie verpackt hat. Dazu ist er noch an den richtigen Stellen lustig, nimmt der Thematik ihre Schwere, ohne den Schmerz zu verstecken. Es ist eine erste Parallele, die den dreien auffällt: der iranische Witz. Er sei immer von einer politischen Unzufriedenheit geprägt, sind sie sich einig. Und so übersetzen sie mal eben ein paar Witze, deren Pointe stets in der Kritik an der Autokratie besteht, ins Deutsche.
Amani, die ihren Lebensunterhalt mit Humor verdient, sieht hier nicht nur eine Parallele zwischen Iranerinnen und Iranern, sondern zwischen allen Menschen, die einer unterdrückten Minderheit angehören: „Wir nutzen Schmerz als Fluchtweg“, sagt sie. Vor dem Schmerz werden also nicht die Augen verschlossen, sondern er wird genutzt, um mit ihm umgehen zu können.
lit.Cologne: Betroffenen zuhören
Genau dieser Schmerz, ob im Witz verpackt oder eindeutig ausgesprochen, sei lange nicht gesehen worden, so Khani: „Es wurde immer nur über uns geschrieben, anstatt dass wir unsere Geschichten selbst erzählen“. Lange habe gegolten, dass Betroffene nicht über gewisse Themen sprechen dürfen, da sie befangen seien. „Die anderen sind doch auch befangen, nur dass sie unterdrückt haben und nicht unterdrückt wurden“, wirft Baghernejad ein.
Deshalb sei es so wichtig, dass Betroffene ihre Geschichten erzählen. Und das zeigt auch dieser Abend, an dem ein Großteil des Publikums keine iranischen Wurzeln hat. So ertappt man sich immer wieder selbst dabei, seine eigenen Privilegien zu checken, sein (unbeabsichtigtes) diskriminierendes Handeln zu hinterfragen und seine Unwissenheit zu realisieren.
Es sind die Berichte der Betroffenen auf der Bühne – über den Pass, der Sicherheit bedeutet, über das Gefühl, überall fremd zu sein, über das Starren, wenn weiß-dominierte Räume eingenommen werden – die Selbstreflexion und Selbstkritik bewirken. „Fehler machen wir alle, teilweise, weil wir es nicht besser wissen. Das ist nicht das Problem“, sagt Amani hierzu, „Das Problem ist, wenn wir etwas wissen und aus Ignoranz nicht unser Verhalten ändern“.
Behzad Karim Khanis Roman ist autobiografisch
In Deutschland, so Khani, ginge das häufig gut. Seine Zeitheimat, wie er es nennt, sei ein tolles Land, das allgemein kritikfähig und intelligent sei. Nichtsdestotrotz wolle er auch nicht immer in der Erklär-Rolle sein. „Manchmal bin ich sehr wütend, manchmal erkläre ich ruhig und manchmal habe ich einfach keinen Bock“, sagt er. Gleiches gelte für den ständigen Konflikt, ob er in der unterdrückenden Gesellschaft funktionieren oder aus ihr herausbrechen will.
In seinem autobiografischen Roman verkörpern seine beiden Protagonisten diesen Kontrast. Während Saam mit allen Mitteln versucht, sich Respekt auf der Straße zu verschaffen, geht sein Bruder Narim aufs Gymnasium und passt sich immer mehr der Gesellschaft um ihn herum an. Es ist ein Beispiel der vielen Sinnbilder, die Khani nutzt, um das Ausländer-Dasein, die einzige Identität, die er sich wirklich zuzuschreiben vermag, greifbarer zu machen.