Im Rahmen der lit.Cologne hat das „Ballet of Difference“ unter Leitung von Richard Siegal zur öffentlichen Probe im Schauspiel Köln eingeladen.
Offene Tanz-Probe bei der lit.CologneWie durch ein Schlüsselloch Richard Siegal beobachten
Es ist ein wenig intim, als würde man etwas durch ein Schlüsselloch beobachten, dass eigentlich nicht für einen bestimmt ist, eigentlich nicht zugänglich ist: Die Tänzerinnen und Tänzer des „Ballet of Difference“ witzeln unbekümmert miteinander, vor und zwischen ihren Einsätzen. Dann, wenn die elektronische Musik spielt, oder auch nur jemand „Attention“ („Achtung“) ruft, sind sie konzentriert, ein eingespieltes Team, saugen einen in ihre Welt, ihr Stück ein. Nur an einzelnen, kleinen Patzern merkt man, dass sie eigentlich gerade proben.
Und wenn Richard Siegal, ihr Leiter und Choreograf, aus dem Dunklen, irgendwo zwischen dem Publikum, hervortritt und Anmerkungen macht. Der Begriff „Anmerkungen“ wird ihm jedoch nicht gerecht. Vielmehr bespricht er mit den Tänzerinnen und Tänzern, was ihm aufgefallen ist und wie sie es ändern könnten – falls überhaupt. Immer wieder fragt er „Was denkt ihr?“, oder sagt „Es gibt tausend gute Wege, wie wir es machen könnten, wir müssen uns nur für einen entscheiden“. Seine Arbeit wirkt komplett spontan, nicht einmal die Musik steht final fest.
Richard Siegal choreografiert im Austausch mit Tänzerinnen und Tänzern
Das könnte seine Philosophie nach 17 Jahren Erfahrung als Choreograf sein, es könnte aber auch an den Umständen der Probe am Mittwochabend liegen, zu der er im Rahmen der lit.Cologne ins Depot 1 des Schauspiels Köln eingeladen hat. Wie er im anschließenden Gespräch mit Dramaturg Tobias Staab erzählt, musste an diesem Tag nämlich das gesamte Stück geändert werden. Für den Text des japanischen Autors Mishima Yukio, auf dem das gesamte Stück basierte, hat er keine Rechte, das hat er am Vortag erfahren. „Und es gibt keinen Weg, dass wir diese bekommt“, erzählt er.
Das Stück „(Dis)obediance of Dance“, das am 24. März seine Premiere hat, muss nun also in zwei Wochen umgepuzzelt werden. Die einzelnen Puzzleteile habe die Tanz-Company, jetzt müsse nur noch geschaut werden, wie diese zusammen passen. Ein bisschen Spontanität kann also nicht schaden. Siegal scheint dadurch auch nicht wirklich gestresst.
Ruhig bespricht er mit seinen Tänzerinnen und Tänzern, wie was angeordnet werden kann, erklärt zwischendurch noch dem Publikum, dass der Tanz, der an militärische Ordnung erinnert, von der japanischen Aktivität Shūdan Kōdō inspiriert ist. Dabei gehe es darum, ein Teil einer Einheit zu werden.
„(Dis)obediance of Dance“ feiert am 24. März Premiere
Zum Schluss der Probe kann man dann auch schon ein größeres Puzzleteil des Gesamten sehen. Einzelne Teile, die zuvor zusammenhangslos geprobt wurden, ergeben dann plötzlich eine komplette Choreo, die fesselnd wirkt. Diese ist geprägt von Strukturen und Formationen, die immer wieder angekündigt, eingenommen und gebrochen werden. Die Tänzerinnen und Tänzer ergeben eine Einheit, ein gesamtes Puzzle, in dem Ordnung herrscht und eingefordert wird, aber Individuen protestieren, um dann doch zu gehorchen. Wer Befehle gibt und wer ausbricht, ändert sich immer wieder. Es wirkt wie ein Kampfspiel um die Macht der Ordnung.
Interessant wird es zu sehen, ob dieses Puzzleteil so bleibt oder weiter verändert wird. Ein neuer textlicher Rahmen für die Inszenierung stehe zumindest schon fest: „Ein Bericht für eine Akademie“ von Franz Kafka. Darin geht es um einen Affen, der einer Akademie von seinem Anpassungsvorgang an die Menschen und seiner Rolle als Menschenimitator berichtet. „Wir müssen jetzt schauen, wie wir das mit dem Tanz, aber auch der japanischen Kunst des Shūdan Kōdō verbinden. Aber wir haben ja noch zwei Wochen Zeit“, sagt Richard Siegal mit einem Grinsen ans Publikum der ausgebuchten Veranstaltung.