Mit ihrer Kurzprosa über das Erwachsenwerden, Klassismus und den Land-Großstadt-Kontrast hat Marie Menke den OffSpring-Award der lit.Cologne gewonnen.
OffSpring AwardMarie Menke gewinnt mit Text über Landkinder in der Großstadt
Marie Menke fühlt sich (noch) nicht als Kölnerin - das Sauerland bekäme man nicht so schnell aus ihr, sie aber auch erstmal nicht aus Köln, sagt die 25-Jährige. Die Gegensätze zwischen der Großstadt und dem Landleben, die Stolpersteine, die sich ihr deshalb in den Weg legen und das Streben nach Freiheit, das für sie nicht auf dem Land befriedigt werden könnte, trage sie immer in sich. Ihrer Protagonistin der Kurzgeschichte „Woher wir kamen und wohin wir gingen“, eine Ich-Erzählerin kurz nach dem Abitur, geht es ähnlich. Mit dieser Geschichte hat Marie Menke am Samtagabend den OffSpring Award der lit.Cologne zum Thema „Bin ich frei?“ gewonnen.
Die Spuren, die das Landleben auf ihr hinterlassen hatte, könnte man ihrer Hauptfigur ansehen „als hätte die eisige Kälte auf den Waldwegen im Winter mir Striemen ins Gesicht gezeichnet und mein Körper den penetranten Geruch von dem Lavendel aus dem Garten meiner Mutter angenommen“, schreibt Menke in dem Prosa-Text. Doch während diese sich davon aufhalten lässt, sich fühlt, als würde sie nicht ihr eigenes Leben führen, hat sie selbst Ihre Herkunft angenommen. „Und dann bleiben die Stolpersteine, aber man stolpert auch irgendwie darüber hinweg“, erzählt sie.
Marie Menke gewinnt den OffSpring Award der lit.Cologne 2023
So nutzt sie ihre Beobachtungen und Erkenntnisse für ihre Geschichten. Diese schreibt sie, wann immer sie eben Zeit hat, erzählt sie. Früher neben ihrem Studium der Sozial- und Politikwissenschaften in Bonn, Köln, Frankreich und in Taiwan - heute neben ihrer Arbeit in der humanitären Hilfe für Projekte in der Ukraine.
Das Schreiben gelernt hat Marie Menke nie so richtig. Trotzdem - oder gerade deswegen - wurde ihre Kurzprosa bereits in Fachzeitschriften wie den „Literarischen Blättern“ veröffentlicht. 2022 war sie zudem Stipendiatin der Grazer „Werkstatt Prosa“ und las im „Freien Werkstatt Theater Köln“.
Nun bekommt sie ein persönliches Schreibcoaching mit Lyrikerin und Schriftstellerin Nadja Küchenmeister. Gegen mehr als 100 Bewerbungen setzte sie sich zunächst vor einer Fachjury und dann im Finale des Offspring-Awards gegen ihre Mitfinalistinnen Verena Schieber und Leonie Ziem vor dem Publikum durch. Vor allem überzeugte sie mit ihrem klaren, trotzdem sehr bildlichem Schreibstil.
OffSpring Award: Erwachsenwerden als Ticket in die Freiheit?
In ihrer Kurzgeschichte schreibt Menke nicht nur über den Kontrast zwischen Land und Großstadt, sondern auch über Klassismus, der sich teilweise heimlich und in Kleinigkeiten versteckt sowie über das Erwachsenwerden. Die hohen Erwartungen, die wir daran haben: Das Erwachsenwerden als Ticket in die Freiheit. Es sei ein Symbol, das naheliegend für das Motto ist, sagt Nadja Küchenmeister, doch Menkes Text zeige, „wie individuell Erwachsenwerden sein kann“, auch wenn es auf den ersten Blick bei allen ähnlich aussehe.
Die Ich-Erzählerin und ihre beste Freundin Romy hat Menke ihrem 300-seitigen Roman-Projekt entliehen hat, das sie in Zukunft an Verlage schicken will. Beide finden sich in der Großstadt völlig unterschiedlich zurecht. Romy passt sich schnell an, scheint damit nicht einmal Probleme zu haben. Die Protagonistin hingegen definiere sich „den gesamten Text nur darüber, dass sie a Romys Freundin ist und b in die Stadt gezogen ist. Wenn beides aufhört, dann ist sie erzählerisch weg“. In der Kurzgeschichte ist das der Fall, in dem geplanten Roman bleibe sie jedoch in der Stadt und stolpert vielleicht so wie ihre Schöpferin einfach über die Stolpersteine hinweg ...
Der OffSpring Award wird seit 2021 im Rahmen der lit.Cologne in Kooperation der Flossbach von Storch AG verliehen und soll jungen Schreibenden im Alter von 16 bis 26 Jahren einen Einstieg in den Literaturbetrieb bieten. Sie können sich mit Gedichten, Essays oder Kurzgeschichten zu einem jeweiligen Thema bewerben. Der OffSpring Award 2023 stand unter dem Motto „Bin ich frei?“.
Der Preis ist ein persönliches Schreibmentoring. Eine Jury wählt drei Texte für das Finale aus. Dort wird per Publikumsabstimmung live am Ende einer Abendveranstaltung, moderiert von Benni Bauerdick, der Gewinner oder die Gewinnerin entschieden. Damit keine Äußerlichkeiten die Auswahl beeinflussen, werden die Texte von einer unabhängigen Person vorgelesen. Das übernahm 2023 die Tatort-Schauspielerin Luise Wolfram.
2024 soll der Award wieder stattfinden, verspricht Kurt von Storch, Vorstand der Flossbach von Storch AG, am Samstagabend in den Balloni Hallen: „Wenn etwas dreimal stattgefunden hat, ist es in Köln Brauchtum“, begründet er sein Versprechen.