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LiteraturVor 25 Jahren begann Harry Potter, Deutschland zu verzaubern

Lesezeit 4 Minuten
Eine Harry-Potter-Figur auf dem Leicester Square in London

Eine Harry-Potter-Figur auf dem Leicester Square in London

Mehr Understatement war selten. „Ich mach überhaupt nichts, ehrlich!“, war einer der ersten Sätze, die der elfjährige Harry Potter 1998 im ersten der nach ihm benannten Bücher sprach. Was er sogleich widerlegte. Der erste Zauber, den er wirkte, war - impulsiv, noch ohne Spruch und Stab – im Zoo die Glaswand eines Großschlangenterrariums verschwinden zu lassen. Die erste Strafe, die sein Onkel Vernon über ihn verhängte: „Geh! – Schrank! – Kein Essen!“

„Harry Potter und der Stein der Weisen“ erschien am 21. Juli 1998 - noch unspektakulär, ohne das spätere Marketingdrama von Mitternachtsveröffentlichungen, Mitternachtspostboten,  und nächtlichen Warteschlangen verkleideter Fans vor Buchhandlungen. Die Erstauflage umfasste 8000 Exemplare – eine solide Zahl für die damals unbekannte Autorin J. K. Rowling.

Noch heute erinnert man sich an den Anruf einer befreundeten Buchhändlerin, die einem das Buch mit „klebt an den Fingern wie Kitt“ ans Herz legte. Wie ein alter bärtiger Mann mit Umhang (Albus Dumbledore), eine Katze, die sich in eine Frau verwandelte (Minerva McGonagall) und ein Riese auf einem vom Himmel fallenden Motorrad (Hagrid) Baby Harry im Ligusterweg 4 vor der Tür der Dursleys ablegten, erzeugte in der Tat schon bei der Lektüre der ersten Seiten diesen Fingerkitt.

Die Harry-Potter-Saga begann als Cinderella-Version

Die Harry-Potter-Saga begann als Cinderella-Version – nur eben nicht in einer Lange-her-Märchenwelt angesiedelt. Seine Adoptiveltern steckten Harry in einen Verschlag unter der Treppe, ließen ihn vereinsamen und missbrauchten ihn, um den eigenen (nichtsnutzigen) Spross Dudley im Vergleich zur Lichtgestalt zu erheben. Hinter ihrem Dünkel steckte die Angst vor den Superkräften des Neffen - Mrs. Dursleys tote Schwester Lily Potter war eine Zauberin gewesen.

„Harry Potter und der Stein der Weisen“ war ein Kinder- und Jugendbuch, weil die Helden – Harry Potter, Ron Weasley und Hermine Granger - Kinder waren. Als sich aber am Ende des ersten Bandes aus dem Hinterkopf von Quirinus Quirrell, des Lehrers für die Verteidigung gegen die Dunklen Künste an der Zauberschule Hogwarts, das nasenlose Antlitz des Antagonisten Lord Voldemort wölbte, „das schrecklichste Gesicht, das Harry je gesehen hatte“, war dies bester Stephen-King-Horror.

Für die jüngeren wie älteren Leser wurde die Schulerfahrung in ein mystisches Schulhaus verlegt, wobei die Fächer deutlich spannender waren. Hogwarts war gemütlich und gefährlich zugleich. Eine Sphäre, die auch wegen ihrer bewusst nicht juvenilisierten Sprache generationenübergreifend war.

Die Schauspieler Rupert Grint (vorn, l-r), Daniel Radcliffe und Emma Watson und die Autorin J. K. Rowling kommen zur Weltpremiere des ersten Harry-Potter-Films ‚Harry Potter und der Stein der Weisen‘ im Odeon Leicester Square.

Die Schauspieler Rupert Grint (vorn, l-r), Daniel Radcliffe und Emma Watson und die Autorin J. K. Rowling kommen zur Weltpremiere des ersten Harry-Potter-Films 'Harry Potter und der Stein der Weisen' im Odeon Leicester Square.

Den Carlsen-Verleger Klaus Humann und die Lektorin Gabriele Leja hatte die Idee von sieben Bänden für sieben Schuljahre begeistert, zudem Rowlings Kunst der Spiegelung unserer Welt im magischen Universum von Hogwarts. Und auch die Autorin war angetan, war bei Carlsen doch zwei Jahre zuvor „Der Goldene Kompass“ erschienen, erstes Buch von Philip Pullmans „Dark Materials“-Trilogie. „Es hat J.K. Rowling sehr gefreut“, sagt Hogrebe, „dass die deutschsprachigen Übersetzungen ihrer Bücher im selben Verlag erscheinen sollten wie die des von ihr sehr bewunderten Philip Pullman“, erinnert sich Katrin Hogrebe, Pressechefin von Carlsen.

„Ja“, antwortet Hogrebe knapp auf die Frage, ob Harry Potter, ein Glücksfall für das Haus gewesen sei. Aber auch eine Herausforderung: „Auf allen Ebenen der Verlagsarbeit hatte man es mit neuen Dimensionen und Geschwindigkeiten zu tun - von der Besorgung nie gekannter Papiermengen und Druckkapazitäten über vertriebliche Herausforderungen bis hin zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in der Branche und darüber hinaus begegnete der Verlag einem Wachstum, mit dessen Tempo er als Organisation kaum Schritt halten konnte.“ Man habe es aber geschafft, die durch Harry Potter erfolgte schlagartige Veränderung in eine nachhaltige Entwicklung überzuführen.

Vom ersten Band wurden bisher weltweit 7,2 Millionen Bücher verkauft

In Deutschland ging der zweite Band 1999 mit 25.000 Exemplaren in den Handel, der vierte, „Harry Potter und der Feuerkelch“, hatte im Oktober 2000 erstmals eine Auflage von einer Million. Von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ wurden bis heute, wo die 98. Auflage in den Läden steht, 7,2 Millionen Bücher verkauft.

Das Franchise läuft weiter gut – mit einem „Harry Potter als Erwachsener“-Theaterstück, einer nagelneuen Gesamtausgabe und einer für 2025 anberaumten Neuverfilmung der sieben „Harry Potter“-Bücher als Streamingserie. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass J.K. Rowling seit einigen Jahren wegen ihrer Aussagen zu Transsexualität heftig kritisiert wird. Am 26. August findet auf dem Hamburger Rathausmarkt ein Jubiläumsevent „Back to Hogwarts“ statt. Man hofft dort auf mehr als 997 als Harry Potter verkleidete Fans, um den Weltrekord knacken zu können.

Bleibt zu gratulieren, - am besten, weil passend - mit dem Satz der auf den geheimen Zaubererversammlungen zu erhobenen Gläsern geraunt wurde, und der das erste Kapitel des ersten Buchs beschloss: „Auf Harry Potter, den Jungen, der lebt!“