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Mahler Chamber Orchestra unter Daniele Gatti in KölnDas Publikum trunken gespielt

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Italienischer Maestro für Schumann: Daniele Gatti                                         

Köln – Einem gängigen Narrativ zufolge verstand Robert Schumann nicht viel von der Oper, vom Orchestrieren übrigens auch nicht. Vielleicht muss man ihn aber nur anders behandeln, den Dramatiker und Klangsucher Schumann, um seinen eigenwilligen Ideen gerecht zu werden. Daniele Gatti und dem Mahler Chamber Orchestra gelang das mit der Ouvertüre zur Oper „Genoveva“ beeindruckend gut. Dabei nahm der Maestro im Grunde nur den Komponisten beim Wort: Die unzähligen „Sforzato“-Akzente der Partitur wurden zu jähen Energie-Entladungen; der musikalische Fluss gestaltete sich als ein beständiges Wechselspiel von Stau und Lösung. In der Zeitgestaltung strebte Gatti weg vom Taktraster, hin zu einer frei modellierten Ereignisfolge, die dem Orchester - nicht zuletzt auch wegen Gattis unkonventioneller Schlagtechnik - ein Höchstmaß an Konzentration abverlangte.

Seit 2016 wirkt der Italiener als „Artistic Advisor“ beim Mahler Chamber Orchestra; ihr gemeinsamer Schumann-Zyklus fand mit dem Konzert in der Philharmonie (dem noch vier weitere in Italien folgen) einen leider wenig glanzvollen Abschluss: Aufgrund der aktuellen Pandemie-Vorschriften durften lediglich Abonnenten den Abend besuchen, der mit dem Konzertstück für vier Hörner und Orchester noch eine besondere Rarität bereithielt. Schumann spielt hier die technischen Möglichkeiten des neu entwickelten Ventilhorns geradezu exzessiv aus; José Vicente Castello Vicedo, José Miguel Asensi Martí, Jonathan Wegloop und Genevieve Clifford formten eine kompakte, punktgenau koordinierte Gruppe, die vom Orchester kollegial gestützt, kraftvoll befeuert, im langsamen Mittelsatz auch zärtlich umschmeichelt wurde.

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Mit diesem Mix aus ausgefuchster Könnerschaft und hochgespannter Darstellung hatte das Orchester sein Publikum geradezu trunken in die Pause entlassen. Der zweite Teil mit der „Frühlingssinfonie“ wirkte danach leider etwas ernüchternd. Die Gestaltungsmittel, die beim späteren Schumann für so viel Plastizität und fiebrigen Nervenreiz gesorgt hatten, verfingen beim früheren weit weniger. Gatti lag ja nicht falsch, wenn er hier musikalische Diskurs-Strategien in der Beethoven-Nachfolge freilegte, das Klangbild durch trockene Pauken und kantiges Blech verschärfte. Allerdings kam das romantische Melos als Gegengewicht zu wenig zum Tragen - vor allem im Larghetto, dessen blühende Streicherlinie unnötig zergliedert und zerredet wurde. Dazu traten Störungen der Einsatzpräzision, an denen der Dirigent nicht ganz unschuldig war. An der Klasse des Orchesters konnte indes kein Zweifel bestehen; vor allem die Solo-Bläser begeisterten immer wieder durch Tonschönheit und lebendige Phrasierung.