Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Sender haben ein Manifest veröffentlicht, in dem sie mehr Transparenz fordern.
Manifest veröffentlichtMitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio fordern Reformen
Es sind deutliche Worte, mit denen rund 100 Erstunterzeichner in einem am Mittwoch veröffentlichten Manifest den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland kritisieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie die weiteren Unterzeichner beklagen eine Eingrenzung des Debattenraums. Statt multiperspektivische Informationen anzubieten, „verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht.“ Eine relevante inhaltliche Auseinandersetzung mit konträren Meinungen finde selten statt. Es werde versucht, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.
In dem „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ wird die These aufgestellt, innere Pressefreiheit existiere nicht in den Redaktionen. Die öffentlich-rechtlichen Medien orientierten sich am Meinungsspektrum der politisch-parlamentarischen Mehrheit. Zudem erschwere äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus.
Kritik an Ausrichtung auf Einschaltquoten
Zudem kritisieren die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, dass es keine Partizipation der Beitragszahler bei medienpolitischen, finanziellen und personellen Entscheidungen gebe, auch das Programm werde ohne Publikumsbeteiligung erstellt. Die Einschaltquoten seien das „allgegenwärtige Argument für die dramatische Ausdünnung und populistische Ausrichtung der Kultur- und Bildungsangebote.“
Die Unterzeichner sagen über sich: „Wir arbeiten in unterschiedlichen Gewerken, Abteilungen und Redaktionen: als Programmmacher, Techniker, Sachbearbeiter, Kameraleute, Moderatoren, Sprecher sowie Musiker in den Rundfunkorchestern und -chören“. Namentlich gehören zu den Erstunterzeichnern darüber hinaus der Mathematiker Gerd Antes, die Kabarettistin Lisa Fitz, der frühere Talkshow-Moderator Jürgen Fliege, Schauspieler Henry Hübchen, der Dirigent Christoph Poppen und andere Journalisten, Künstlerinnen und Wissenschaftler. 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen, die anonym bleiben wollen, haben ihre Unterschrift bei einem Anwalt hinterlegt.
Auch Ole Skambraks, ehemaliger freier Mitarbeiter und Redakteur des MDR, WDR und SWR, hat an dem Manifest mitgearbeitet. Der SWR hatte Skambraks nach einem Konflikt über öffentliche Äußerungen zur Corona-Berichterstattung gekündigt, vor Gericht kam es dann zu einem Vergleich. Um Rache gehe es ihm aber nicht, sondern um den Wunsch, etwas zu verbessern, sagte er dieser Zeitung: „Das ist ein Rettungsversuch. Es muss sich was ändern, sonst ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in zehn Jahren tot. Es braucht jetzt grundlegende Änderungen, damit das System weiter Bestand hat.“ Angst sei in allen Anstalten ein Problem, „das zeigt sich daran, dass viele Mitarbeiter das Manifest nicht namentlich unterzeichnen wollen. Die Angst vor Repressalien ist zu groß.“
Die Verfasser machen auch konkrete Vorschläge, wie aus ihrer Sicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk zukunftstauglich werden kann. Das Prinzip des Rundfunkbeitrags solle beibehalten werden. „Finanzflüsse sind transparent und öffentlich einsehbar. Dies gilt insbesondere für die Budgetverteilung zwischen einzelnen Ressorts, Redaktionen und der Verwaltung.“ Den Beitragszahlern gehöre der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk. Ihre mehrheitliche Einbindung in den Kontrollgremien sei daher selbstverständlich. Diese Arbeit werde angemessen honoriert. Sie schließe die Wahrnehmung eines weiteren Amts aus.
Der Deutsche Journalisten-Verband appellierte an anonyme Unterzeichner
„Alle Ansichten und Perspektiven, die vom Grundgesetz gedeckt sind und die Menschenwürde achten, dürfen frei und ohne Vorbehalte geäußert werden. Minderheitenmeinungen und unbequeme Äußerungen werden gehört, diskutiert und dem Publikum zur freien Meinungsbildung angeboten“, heißt es weiter.
Zudem soll die Programmgestaltung unabhängig von Einschaltquoten erfolgen, auf Werbeeinnahmen solle verzichtet werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle die Politik kontrollieren und nicht umgekehrt.
Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte am Mittwochnachmittag auf die Veröffentlichung. Er forderte die Kritiker, die sich anonym zu Wort gemeldet haben, zu Transparenz auf. Mika Beuster, DJV- Bundesvorsitzender, nannte es „ein urjournalistisches Grundprinzip“, kritische Berichte, Stellungnahmen und Kommentare mit dem eigenen Namen zu kennzeichnen. „Zu wenig Zeit für notwendige Recherchen, wachsender Produktionsdruck und schwierige wirtschaftliche Verhältnisse der Freien sind durchaus berechtigte Kritikpunkte, die auch wir vorbringen“, so Beuster. Der DJV-Vorsitzende riet dazu, sich mit berechtigter Kritik an den Sendern auseinanderzusetzen. „Dafür muss aber auch klar sein, von wem das kommt.“ Sonst drohe das „Manifest“ in der Schublade zu verschwinden.
Den gesamten Text des Manifests finden Sie hier.