AboAbonnieren

Kulturmonat AugustHartes Geschäft für Kölner Kinos

Lesezeit 8 Minuten
Marion Kranen

Marion Kranen

Was ist das älteste Kölner Kino? Für unsere Serie „Mein Kulturmonat“ erzählt Marion Kranen auch von der Film- und Kinogeschichte der Stadt.

Ich bewege mich gerne zwischen städtischen Kulturinstitutionen und freier Szene, gehe gerne in die Philharmonie, ins Schauspielhaus oder auch in die Hochschule für Musik und Tanz, die – bis auf die Semesterferien – regelmäßig Konzerte anbietet, meistens kostenlos. Dort kann man von Jazz bis Klassik alles hören, mit tollen Musikerinnen und Musikern. Ende Juli hatten sie zum Beispiel eine Veranstaltung, die sich „Hofklänge“ nennt. Da treten Studierende in verschiedenen Ensembles im Innenhof der Hochschule auf. Aber auch abseits der großen städtischen Institutionen gibt es viel zu entdecken. Immer wieder präsentieren Gruppen an nicht klassischen Kulturorten ihre Produktionen oder Musik. Das ist so viel, dass man gar nicht alles mitkriegt, aber genau das macht ja auch eine Großstadt aus.

Es gibt auf dem Josef-Haubrich-Hof diesen kleinen Kubus, der im Hof liegt wie ein Ufo, das dort gelandet ist. Das Haus der Architektur macht dort immer wieder spannende Veranstaltungen dazu, wie die Stadt sich entwickelt und wie wir eigentlich leben wollen. Und es ist offen für die freie Szene, mit dem neuen Konzept des KulturKubus wird da sicher in den nächsten Monaten noch einiges passieren. Ebenso wie auf dem Gelände der Hallen Kalk, wo in diesem Sommer erstmals Open-Air-Veranstaltungen stattfinden werden, von Musik über Lesungen bis zu Performance und Zirkus.

Reiche Festivallandschaft von Cinepänz bis Edimotion

In der Kölner Filmszene gibt es viele Festivals: Das Afrika Film Festival, das Frauenfilmfestival, das Kurzfilmfestival, Edimotion als Festival für Filmschnitt und Cinepänz für Kinderfilm. Daneben Filmreihen, die von verschiedensten Organisationen und Vereinen veranstaltet werden. Sie alle zeigen Filme, die sonst nicht in die Kinos kommen. Und viele der Kinos sind offen für Kooperationen mit der Filmszene. Aber sie müssen natürlich trotzdem ihren kommerziellen Betrieb weiterlaufen lassen. Das heißt, man muss abstimmen, in welche Zeitschiene und in welchen Kinosaal man mit eigenen Veranstaltungen reinkommt. Insofern könnte es durchaus noch mehr Leinwände geben. Und ganz klar: Ohne diese vielfältige Filmszene wäre das filmische Angebot in Köln deutlich kleiner und hätte nicht so viele Facetten.

Die Film- und Kinolandschaft hat sich über die Jahrzehnte wahnsinnig verändert, besonders durch die Digitalisierung – bei der Produktion ebenso wie im Verleih. Es kommen jährlich hunderte von Filmen auf den Markt, die unmöglich alle laufen können. Wenn man mal von Blockbustern absieht und an kleinere Produktionen oder an Dokumentarfilme denkt, laufen die häufig nur eine oder zwei Wochen. Sie haben gar keine Zeit per Mundpropaganda oder mit Social Media ihr Publikum zu finden, dann sind sie schon wieder weg. Es ist ein hartes Geschäft für alle Beteiligten.

Marion Kranen erforscht die Kölner Film- und Kinogeschichte

Zwar ist der Film in Frankreich geboren, um Weihnachten 1895 herum. Aber unmittelbar danach, schon am 20. April 1896, gab es in Köln die erste öffentliche Filmvorführung. Der Schokoladenfabrikant Ludwig Stollwerck hatte die Kameramänner der Firma Lumière, die den Kinematographen in Lyon entwickelt hat, nach Köln eingeladen. Stollwerck war ausgesprochen technikbegeistert und ein guter Werbefachmann, hat das Stollwerck-Gebäude aufnehmen lassen und die ersten Lumière-Filme in der Kantine für die Arbeiter und Arbeiterinnen vorgeführt. Ein paar Tage später konnten dann auch Kölner und Kölnerinnen für 50 Pfennig Eintritt die Filme sehen. Das waren 50 Sekunden lange bewegte Bilder, und wahrscheinlich war nach einer halben Stunde alles vorbei, aber es war für die Leute natürlich absolut umwerfend und phänomenal zu sehen, wie sich die Menschen im Bild genauso bewegen wie im realen Leben.

Schon im Mai 1896 wurden auch die ersten Filme in Köln gedreht. Es gab am Kölner Hauptbahnhof ein Remake dieser Zugeinfahrt, die die Lumières in Südfrankreich gedreht haben. Von dieser Zeit gibt es auch erste Aufnahmen vom Kölner Dom. Zuerst hat man für solche Vorführungen Ladenlokale an der Hohen Straße angemietet, weil das ein schnelles Geschäft war und noch gar nicht klar war, wie sich das weiterentwickelt. Dann wechselten Filmvorführungen in die Varietétheater. In den 1920er Jahren wurden schließlich große Lichtspiel-Theater mit 800 bis 1500 Plätzen gebaut, vor allem in der Innenstadt: Hohe Straße, Schildergasse, Breite Straße. Neben dem Hochhaus am Hansaring, wo jetzt dieses hässliche Parkhaus neben dem Saturn steht, entstand beispielsweise 1926 das Emelka-Theater, mit einem Kinosaal mit 1200 Plätzen.

Rex ist das älteste noch existierende Kino in Köln

Mir ist kein Kinogebäude aus den 20er Jahren bekannt, das heute immer noch als Kino betrieben wird. Allerdings haben wir mit dem  Rex das älteste noch existierende Kino in Köln – zumindest als Adresse. Eröffnet wurde es als „Lichtspiele des Westens“ im Jahre 1928. In den 30ern betrieb Karl Wolffsohn das Kino, wurde aber von den Nazis kaltgestellt, weil er Jude war, das Kino wurde arisiert. Es gab in den 30ern auch schon den Ufa-Palast, an genau der Stelle, wo heute der Cineplex-Filmpalast steht. Und in nahezu allen Stadtteilen existierten Kinos: In Mülheim, in Kalk, in Ehrenfeld, in Zollstock, in Höhenhaus.

Nach dem 2.Weltkrieg waren dann die meisten Lichtspieltheater zerstört. Die Briten hatten ein Interesse daran, dass die Kölner Bevölkerung sehr schnell wieder in die Kinos ging, um - als Gegenmittel zu der Nazi-Propaganda der Jahre davor - informiert zu werden. Sie haben umgehend einen Kinotechniker beauftragt, der sich alle Kinos angeschaut und eingestuft hat, welche möglichst schnell in Betrieb genommen werden können. Neben dem Angebot zur reinen Unterhaltung spielten die sogenannten Wochenschauen eine wichtige Rolle mit Aufnahmen aus zerstörten deutschen Städten, mit Berichten von Überlebenden der Konzentrationslager und Bildern, in denen die Befreiung der Konzentrationslager gezeigt wurden.

Kinoboom und Kinokrise

In den 50er Jahren entwickelte sich ein wahrer Kinoboom – 87 Kinos gab es im Jahr 1959. Darauf folgte ab Anfang der 60er eine weitreichende Krise mit dem Aufkommen des Fernsehens und einem geänderten Freizeitverhalten. Bis 1969 hatte sich die Zahl der Kinos in Köln halbiert. Von den über 200 Kölner Kinos, die wir als Köln im Film recherchiert haben, haben viele nur drei, vier oder fünf Jahre existiert.  Heute haben wir hier eine Kinolandschaft, in der viele Kinos schon lange im Betrieb sind. Dabei gibt es in Köln gar nicht so viele Multiplexe wie Cinedom oder Cineplex, stattdessen viele Filmkunstkinos, darunter auch solche die jeweils nur einen Saal haben, wie zum Beispiel die Lichtspiele Kalk oder das Filmhaus Kino.

Für mich persönlich war die Eröffnung des Broadway 1982 ein markanter Punkt. Das befand sich auf der Ehrenstraße, wo heute ein Bekleidungsgeschäft ist. Es war eines der ersten Arthouse Kinos mit Schwerpunkt auf europäischen und amerikanischen Independent Filmen, ich war sehr oft mit meinen Freunden und Freundinnen dort. Es gab ein Café daneben, und ich habe in Erinnerung, dass es immer voll war. Die Betreiber haben dann noch zwei weitere Kinos eröffnet: Das Off-Broadway und das Odeon, die ja beide noch existieren. Das Broadway wurde 2001 geschlossen, weil die Pacht so stark erhöht wurde, dass sie vom Kino nicht mehr gezahlt werden konnte.

Freie Szene in Köln am finanziellen Limit

Die ganze freie Szene arbeitet in Köln am unteren finanziellen Limit - und damit meine ich jetzt alle Sparten, von Musik über Bildende Kunst, Theater bis Film und Literatur. Die Szene schafft ein vielfältiges kulturelles Angebot für alle Menschen hier, hat aber tatsächlich nur einen Anteil von 0,3 Prozent des gesamten Kulturhaushalts. Dass das ziemlich wenig ist, muss ich nicht extra betonen. Und von diesen 0,3 Prozent verteilt sich das dann auf die verschiedenen Sparten, die ganz unterschiedliche Produktions- und Arbeitsbedingungen haben und auch unterschiedlich hohe Etats. Insofern ist die Forderung nach mehr Geld völlig richtig, auch bezogen auf Inflationsausgleich und auf angemessene Bezahlung derjenigen, die im Kulturbereich arbeiten. Ich stehe voll hinter dieser Forderung.

Wenn man sich als attraktive Kulturstadt versteht und definiert, und das tut Köln ja, muss man auch dazu stehen und sagen: Wir wollen diese Vielfalt und dass es hier Nischen gibt und Schräges, Kleines, Großes, Irritierendes und Unterhaltsames, also all das, was wir als freie Szene mit sehr viel Engagement bieten.

Tipps für den August

Kopfhörerkino im Mediapark

Im Mediapark findet vom 15. bis zum 17. August das „Kopfhörerkino“ statt. Es gibt drei spannende Kurzfilmprogramme, mit Kölner und internationalen Produktionen, die Open Air ausgestrahlt werden. Den Ton der Filme hört man über kabellose Kopfhörer. Die Veranstaltungen im Rahmen von Sommer Köln sind kostenlos.

Letzte Chance für die Kolumba Jahresausstellung

Die Jahresausstellung „Wort Schrift Zeichen“ ist nur noch bis zum 14. August zu sehen. Man kann dort viele kleine Schätze entdecken, zum Beispiel die roten Siegel, mit denen man früher Briefe verschlossen hat. Und mich beeindruckt die Architektur des Museums immer wieder, auch als Raum, in dem ich mich gerne aufhalte.

hdak spezial am 18. August: die Stadt und die Demokratie

Das Haus der Architektur Köln veranstaltet am 18. August eine mehrteilige Gesprächsrunde mit diversen Gästen, unter anderem zum Thema „Der öffentliche Raum hat keine Lobby“. Freier Eintritt.

Zur Person

Marion Kranen hat Theater-, Film und Fernsehwissenschaften in Köln und Florenz studiert. Sie war ab 1985 Mitorganisatorin des Frauenfilmfestivals Feminale in Köln. Daneben arbeitete sie als Filmkritikerin, unter anderem für die StadtRevue und als freie Autorin für den Hörfunk. Bei Köln im Film e.V. erforscht und präsentiert sie die Kölner Film- und Kinogeschichte und kuratiert Filmreihen zu diesem Thema.