Steve Albini war ein streitbarer Mensch, aber ein genialer Klangschöpfer, ob mit den Pixies oder mit Nirvana. Unser Nachruf.
Meister-Produzent stirbt mit 61Wie sich Steve Albini mit Kurt Cobain anlegte
Schroff, schrill, abweisend und voller Wut war Steve Albinis Musik – eine unaufhaltsame Kraft, die auf ein unbewegliches Objekt, den schockstarren Hörer, trifft – und schroff, schrill, abweisend und voller Wut war auch Steve Albini. „Wenn du Kerosin hast, gibt es immer etwas zu tun: Zünd‘ mich an!“, befahl er in „Kerosene“, der sechsminütigen Selbstverletzungshymne seiner ersten und einflussreichsten Band Big Black. Popmusik, befand Albini, sei etwas für Kinder und Schwachsinnige.
Deren zweitem Album, auch das ein Meisterwerk mit ausgestrecktem Zeigefinger, gab Albini den Titel „Songs About Fucking“ (1987), dann löste er die Band auf, etwas, so Albini, dass er noch einigen anderen Bands empfehlen würde. Er suchte weder Geld noch Ruhm, er suchte brennende Klarheit. Seine Gitarre spielte er zumeist mithilfe eines Metallplektrums. Die nächste Formation taufte Steve Albini auf den unmöglichen Namen Rapeman. Dafür und noch für einiges andere, entschuldigte er sich im vergangenen Jahr: „Viele Dinge, die ich aus einer unwissenden Position der Bequemlichkeit und des Privilegs heraus gesagt und getan habe, sind eindeutig schrecklich und ich bereue sie.“
Später bereute Steve Albini viele Dinge, die er gesagt hatte
Sehr viel schneller noch bereute Albini einige der Auftragsarbeiten, für die er viel berühmter werden sollte als für seine eigene Musik. Mit „Surfer Rosa“ (1988), dem Debütalbum der Pixies, hatte der Produzent, der lieber Tontechniker genannt werden wollte, die Vorlage für den Grunge-Sound der 90er geschaffen: Extrem laut und unglaublich nah. Stolz war er darauf nicht: kurzweiliger College-Rock sei das, lästerte Albini, unterhaltsam, nicht mehr und die Band vier zahme Kühe, die sich von ihrem Management am Nasenring führen ließen. Auch dafür entschuldigte er sich später.
Kurt Cobain, für den „Surfer Rosa“ die Initialzündung für das eigene Schaffen war, heuerte Albini für „In Utero“ an, das dritte (und letzte) Nirvana-Album. Als die Plattenfirma dessen harschen Klang bemängelten, knickte Cobain ein und ließ die Tracks, die als Singles ausgekoppelt werden sollten, in Richtung Radiofreundlichkeit neu abmischen. Albini schäumte vor Wut und weigerte sich zuerst, die Master-Aufnahmen herauszugeben.
Er hasste die Musikindustrie, Sklaventreiber, die die Kunst korrumpierten. Aber das Auftragsbuch des Analog-Freaks blieb übervoll und er war auch nicht wählerisch, nahm so gut wie jeden Job an, justierte die Mikrofone im Studio, wie nur er das konnte und ließ die Bands einfach machen, während er hinter dem Mischpult Scrabble spielte.
Er sah sich als Servicekraft und verzichtete konsequent darauf, an den Einnahmen der Alben beteiligt zu werden („In Utero“ hätte ihn zum Millionär gemacht). Wenn er Geld brauchte, nahm er – mit erstaunlichem Erfolg – an Pokerturnieren teil.
PJ Harvey, die Breeders, The Jesus Lizard, Boss Hog, Slint, Helmet, Low: Die besten Künstler der Indie-Szene wollten mit Albini arbeiten, sogar die reformierten Stooges und Led Zeppelins Jimmy Page und Robert Plant klopften irgendwann an. Und es musste gar nicht immer hart und böse klingen, auch für die im Wortsinn fabelhaften Balladen auf Joanna Newsoms 2006er-Meisterwerk „Ys“ zeichnete er verantwortlich.
Den eigenen dunklen Impulsen konnte er mit seiner letzten und langlebigsten Band Shellac nachgehen, deren Diskografie, trotz der langen Abstände zwischen den einzelnen Alben, fehlerlos ist. Am 17. Mai soll das sechste Shellac-Album „To All Trains“ erscheinen. Posthum: Steve Albini, der mürrische König der Kompromisslosigkeit, ist am 7. Mai in seinem Haus in Chicago an einem Herzanfall gestorben. Er wurde 61 Jahre alt.