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Mina Tander über Body Positivity"Nicht jeder muss seine Cellulite im Internet zeigen"

Lesezeit 6 Minuten
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Mina Tander im ARD-Film "Ein Wahsinnstag"

Frau Tander, Sie spielen in der ARD-Komödie „Ein Wahnsinnstag“ die alleinerziehende Köchin Friederike, die gesundes Schulessen für Kinder liefern will. Wie viel Raum nimmt gesunde Ernährung in Ihrem Alltag ein?

Mina Tander: Gesunde Ernährung ist mir total wichtig. Ich war auf der Ballett Akademie als junges Mädchen. Wir wurden immer angehalten, möglichst wenig zu essen. Ich fand das schlimm. Das ist auch der Grund, warum ich damit aufgehört habe, weil mir der Druck sehr dünn zu sein einfach viel zu groß war. Ich habe mich dadurch aber zwangsläufig mit dem Thema Ernährung beschäftigt. Ich merke, wie gut es mir tut, wenn ich gut esse.

Sie sind schon lange Vegetarierin. Irritiert es Sie, dass jede Forderung, den Fleischkonsum zu senken, zu heftigen Debatten führt

Ich esse kein Fleisch mehr seit ich zwölf bin. Ich kann verstehen, dass es Menschen schwerfällt, wenn sie anders sozialisiert worden sind. Aber man könnte doch den Konsum von Fleisch und Milchprodukten zumindest so reduzieren, dass wir eine Massentierhaltung wie heute nicht mehr haben. Je weniger tierische Produkte man konsumiert, desto entlastender ist es. Allerdings muss uns klar sein, dass auch bei einer guten Tierhaltung immer noch ein Tier nur dafür zur Verfügung steht, damit wir uns ernähren und in den meisten Fällen kein artgerechtes Leben führt.

Vegetariern und Veganern wird oft vorgehalten, sie seien ja selbst inkonsequent, weil sie trotzdem auch Produkte konsumieren, die schlecht fürs Klima sind. Was entgegen Sie da?

Ach ja, dann wird immer dieses Avocado-Argument angeführt. Leute, guckt auf euer Schnitzel! Das ist verdammt nochmal viel schlimmer. Auch das Argument, eine solche Ernährung sei wahnsinnig teuer, stimmt einfach nicht. Man kann sich auch vom Discounter rein pflanzlich ernähren. Man muss sich auch nur mal vor Augen führen, dass der Fleischpreis so pervers niedrig ist. Man kann ja auch damit beginnen, nur einmal in der Woche Fleisch zu essen. Es ärgert mich einfach, dass das immer noch so als Nische abgetan wird, wobei es einfach darum geht, dass dieser Planet nicht vor die Wand fährt.

Zur Person

Mina Tander (43) wuchs in Köln auf. Die Schauspielerin war in zahlreichen Fernseh- und Filmrollen zu sehen, etwa in „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Berlin. Der ARD-Film „Ein Wahnsinnstag“, der in Köln spielt, läuft am Freitag, 27. Mai, um 20.15 Uhr im Ersten. (ksta)

Friederike ist alleinerziehend und muss an dem Tag, an dem der Film spielt, irgendwie eine Betreuung für ihren Sohn finden, weil die Schule wegen eines Bombenfundes gesperrt ist. Sie tut sich mit einem Vater zusammen, aber beide scheitern fast an der Belastung.

Für mich stellt sich da die Frage: Warum können nicht Kinder mehr in den Beruf integriert werden? Warum geht es nur um die Trennung von Beruf und Familie? Warum gibt es nicht mehr Betriebskindergärten? Warum wäre es so eine Katastrophe, wenn irgendwer in eine Besprechung sein Kind mitbringen würde? Seine Kinder in irgendeiner Form präsent zu haben im Beruf schädigt die Karriere. Das ist das größte Problem: Es geht darum, den Beruf so clean und so kinderfrei wie möglich zu machen. Das finde ich unmenschlich.

Viele Frauen versuchen bei aller Belastung, nach außen immer alles perfekt erscheinen zu lassen, vor allem in den sozialen Netzwerken. Wie gehen Sie damit um?

Ich habe für mich gestartet, was Mimi Fiedler auf Instagram macht. Sie benutzt keine Filter mehr. Das finde ich super und mache es auch. Ich bin nicht fotogen bei diesen Weitwinkel-Handykameras, deshalb ist es hart. Aber diese Filter geben eben jedem diesen Kardashian-Look, den ich nicht unterstützen will. Wir sind als Gesellschaft sehr davon geprägt, uns über unsere Unterschiede zu definieren. Gleichzeitig sollen wir aber nach außen alle gleich aussehen.

Es gibt auch eine große Body-Positivity-Bewegung im Internet. Vielleicht verändert die ja etwas.

Ich finde Body Positivity ganz großartig, aber es muss auch nicht jeder seine Cellulite im Internet zeigen, um zu beweisen, dass man dazugehört. Das ist mir teilweise viel zu aggressiv. Jeder soll nun seine Makel zeigen. Das ist immer noch eine individuelle Entscheidung. Und ich habe für mich individuell entschieden, dass ich mich nicht mit meiner Cellulite im Internet zeige. Ich behaupte aber auch nicht, dass ich keine hätte. Wir müssen den anderen respektieren in der Entscheidung, wie er sich der Welt zeigt. Wir sollten - gerade Corona hat das schlimm gezeigt - heraus aus der Rechthaberei.

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Aber als Schauspielerin sind der Körper und das Aussehen ja immer auch Teil des Jobs. Wie groß ist da der Druck, nicht altern zu dürfen?

Natürlich ist der Druck sicherlich größer bei jemanden, der mit seinem Körper in der Öffentlichkeit steht, aber ich empfinde ihn für mich noch nicht wirklich. Ich finde vor allem dieses dünn, dünn, dünn schrecklich, das betrifft Frauen jeden Alters. Und es greift in meiner Branche seitens der Sender und Verleiher ein Jugendwahn um sich, um die jungen Leute von Youtube weg zu kriegen und wieder zum Film und Fernsehen zu holen. Aber die Menschen 60 plus werden kaum repräsentiert. Das finde ich unmöglich. Wenn ich z.B. einen Film sehe, in dem die Hauptdarsteller unter 30 sind, geht das meine Realität fast gar nichts mehr an. Wie geht es dann erst Menschen jenseits der 60? Ältere Menschen sind komplett unterrepräsentiert. Das ist sehr schade.

In dem Film ist Köln sehr präsent. Wie war das denn für Sie als gebürtige Kölnerin, wieder in Ihrer Heimatstadt zu drehen?

Das war super. Ich bin im Agnesviertel, wo wir drehten, aufgewachsen und dadurch kamen teilweise wirklich Freundinnen meiner Mutter vorbei und fragen, was ich denn in Köln mache. Und auch meine Mutter konnte ich regelmäßig treffen, die hatte ich vorher wegen Corona neun Monate nicht gesehen, das passiert uns sonst nie und war schrecklich.

Sie leben schon lange in Berlin. Wo fühlen Sie sich mehr zu Hause?

Es ist ganz komisch. Ich lebe schon fast 20 Jahre in Berlin, habe hier meine eigene Familie gegründet. Ich fühle mich schon zugehörig. Aber dennoch sind beide Städte in mir - und das ist auch gut so. Ich fühle mich in beiden Städten sehr wohl.

Und die kölsche Selbstbesoffenheit nervt Sie nicht manchmal?

Ich finde den Kölner an sich einen sehr sympathischen Zeitgenossen. Diese Herzlichkeit und Verquatschtheit führt dazu, dass man sich schnell zu Hause fühlen kann. Ich glaube, die Großstädte in Deutschland neigen alle ein bisschen dazu, zu glauben, ihre Stadt sei die Schönste. Das ist doch super, wenn man denkt, man lebe am schönsten Ort der Welt. Ich mag das.