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Minions, Doktor Watson, Chewbacca und Co.Wenn Sidekicks die großen Helden vergessen machen

Lesezeit 4 Minuten

Die Minions laufen derzeit wieder im Kino

Köln – Am Anfang war der „Sidekick“ ein gemeiner Dieb. Englische Gauner nannten die schwer zu erreichenden Hosen- und Jackentaschen „kicks“, und um an sie heranzukommen, brauchte es jemanden, der das Opfer für die entscheidenden Sekunden ablenkt. Im Zweifelsfall steckte dieser Sidekick dann auch die Prügel ein. Heute ist der Sidekick immer noch ein etwas undankbarer, aber durchaus ehrenwerter Beruf. Er begleitet die Helden auf Schritt und Tritt, um wie Dr. Watson ihre sagenhaften Geschichten zu erzählen, wie R2-D2 für etwas komische Ablenkung zu sorgen oder dem Publikum jemanden zu zeigen, der nicht ganz so furchtbar heldenhaft daherkommt. Sidekicks sind also weit mehr als nützliche Idioten: nämlich unsere Stellvertreter. Helden lassen uns davon träumen, die schönsten Frauen (oder Männer) zu erobern, die schwierigsten Fälle zu lösen und jeden Gegner umzuhauen; Sidekicks bringen uns kumpelhaft-wissend wieder in die Wirklichkeit zurück.

Der Sidekick ist also eigentlich der beste Freund des Lesers oder Zuschauers – weshalb es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis sie aus dem Schatten der überlebensgroßen Helden treten durften. So haben die Alltagstrottel in Fernseh-Sitcoms und Komödien oft die Herrschaft übernommen oder sie bekommen wie die gelben Minions aus „Ich – Einfach unverbesserlich“ ihren eigenen Film. Anstelle des großen Ich ist das drollige Minions-Kollektiv derzeit in unseren Kinos am Ruder und merkt im Gegensatz zu uns gar nicht, dass es den Helden nicht wirklich braucht. Aus diesem Anlass feiern wir unsere liebsten Sidekicks aus Film, Fernsehen und Literatur. Hier dürfen und sollen sie tun, was ihnen ansonsten bei Höchststrafe verboten ist: dem Helden die Schau stehlen. (KoM)

Mr. Stringer aus Miss Marple

Mister Stringer ist ein Trottel, und als solcher wird er auch von Meisterdetektivin Miss Marple verschlissen (in den Filmen mit Margaret Rutherford, in Agatha Christies Krimis kommt er gar nicht vor). Brauchbar ist er allenfalls für Handlangerdienste und furchtsam außerdem. Indes ist diese Demütigung für ihn kein Problem – er wird ihrer nicht gewahr. Tatsächlich besteht der Reiz der Paarung in der Gender-Kreuzung, in der „verkehrten“ Zuweisung von Geschlechterrollen-Klischees. Ein emanzipatorischer Ansatz! (MaS)

Doktor Watson aus Sherlock Holmes

Anders als Mister Stringer ist Dr. John H. Watson, der Begleiter von Sherlock Holmes, kein Trottel, freilich auch kein Genie – dieses Prädikat lässt Arthur Conan Doyle uneingeschränkt seinem Detektiv. Aber er ist ein scharfsinniger, gebildeter Zeitgenosse, mit dem Holmes auf satisfaktionsfähigem Niveau kommunizieren kann. Die Paarung war form- und typenbildend: Eine leicht verschobene moderne Fortschreibung findet sie im Double William von Baskerville/Adson von Melk in Umberto Ecos „Name der Rose“. (MaS)

Robin aus Batman

Klar, Batman ist ein Einzelgänger, der mit spitzen Ohren allein durch die Nacht zieht. Doch dass er dabei fortwährend Selbstgespräche führen muss, erschient seinen Autoren irgendwann allzu solipsistisch. Also stellten sie ihn den jungen Dick Grayson zur Seite, Waise einer Zirkusfamilie, die ein Gangsterboss hat ermorden lassen. Mit der Ankunft von Robin im April 1940 verdoppelte sich die Auflage der Batman-Heftchen. Im Kino versetzte ihm leider Joel Schumacher mit dem desaströsen „Batman and Robin“ den Gnadenstoß. (cbo)

Sancho Panza aus Don Quijote

Auch in diesem Fall ist „dick“ nicht „doof“. Anders als seinen verschroben-idealistischen Herrn zeichnet den Diener Sancho Panza ein zynisch-brutaler Realitätssinn aus. Der Bauch ist kein Ausweis von Trägheit, sondern der Fähigkeit, noch unter widrigsten Umständen zurande zu kommen. Damit wird Cervantes’ Roman „Don Quijote“ zu einem frühen Anwendungsfall von Hegels berühmter Herr-und-Knecht-Dialektik. Ihr zufolge ist der Knecht – weil er noch etwas werden will – seinem Herrn stets überlegen. (MaS)

Chewie aus Star Wars

„Flieg ganz unauffällig, Chewie“ – der zottelige Wookie an Han Solos Seite mag etwas unartikuliert wirken, doch wer solchen Anweisungen Folge zu leisten versteht, muss ein gerüttelt Maß an Feingefühl mitbringen. Als junger Kerl cruiste George Lucas mit seinem Alaskan Malamute durch Nordkalifornien. Vom Schlittenhund auf dem Beifahrersitz zum Copiloten des „Falcon“ war es nur ein kleiner Schritt. Der Hund hieß übrigens Indiana – in seiner nächsten großen Rolle verinnerlichte Harrison Ford einen Teil seines alten Sidekick. (cbo)

Manuel Andrack aus der Harald Schmidt Show

Jeden Abend trank Manuel Andrack ein Bier vor laufender Kamera. Und prostete dabei dem von seinem Chef Harald Schmidt gerne und oft verspotteten Klischee des deutschen Fernsehzuschauers symbolisch zu. So wurde er nicht nur deutscher Bierbotschafter, sondern auch ein Liebling des Publikums. Vielleicht dabei war auch ein wenig solidarisches Mitleid mit im Spiel. Schließlich konnte man nie sicher sein, ob Andrack das Los, als Zielscheibe seines Arbeitgebers zu posieren, wirklich immer lustig fand. (KoM)