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Monika Sosnowska in KölnDas moderne Leben und die Blumen der Korrosion

Lesezeit 3 Minuten
Wild gebogene Eisenstreben scheinen aus Kübel zu wachsen.

Monika Sosnowskas Werke „Cloud“ und „Wallpaper“ in der Kölner Galerie Gisela Capitain

Die polnische Bildhauerin Monika Sosnowska führt die Ruinenästhetik in die Gegenwart. Jetzt zeigt sie neue Arbeiten bei Gisela Capitain.

Ein kluger Mann hat die Ruine einmal die Rache der Natur am menschlichen Geist genannt. Da mag man kaum widersprechen, denn wenig führt uns die Vergeblichkeit unseres nach Höherem strebenden Tuns schöner vor Augen als eine einst stolze Burg, die im zweiten Leben als Kulisse für Bäume, Sträucher und Unkraut herhalten muss. Allerdings erfüllt uns dieser Anblick keinesfalls mit Schmerz, sondern eher mit nostalgischen Gefühlen für eine versunkene Zeit – der menschliche Geist ist offenbar wendiger, als sich die Natur in ihrer Rachsucht träumen ließ.

Auch die polnische Bildhauerin Monika Sosnowska lebt hervorragend von der romantisch aufgeladenen Ruinenästhetik, die sich mittlerweile von Antike und Mittelalter bis auf marode Betonburgen, aufgelöste Fabriken und andere modernistische Brachen erstreckt. Weltweit bekannt wurde Sosnowska, als sie 2007 den polnischen Pavillon auf der Biennale von Venedig mit einem demolierten Architekturskelett aus Eisen füllte. Sofort wurde in dieser riesigen Skulptur das Relikt des sozialistischen, von seinem Betonmantel entkleideten Traums erkannt.

Ihrer Liebe zum Monumentalen gibt Monika Sosnowska bei einer „Wolke“ aus Stahlstreben nach

In ihrer aktuellen Ausstellung in der Kölner Galerie Gisela Capitain trägt Sosnowska diesen Traum nun in deutlich kleineren, aber nicht weniger verführerischen Maßen zu Grabe – und dazu noch in ungewohnt gelöster Stimmung. Beim Eintreten stößt man auf eine geöffnete „Auster“, deren Schalenklappen aus zwei scheinbar aus dem Boden gebrochenen, in Wahrheit aber nachgegossenen Waschbetonplatten mit Mosaikverzierung bestehen. Dahinter tanzt eine „Ballerina“ aus gebogenen Stahlstreben im bröckelnden Beton-Tütü, und gleich nebenan verstecken sich drei „Geister“ unter einem jeweils aus Kunststoff gegossenen weißem Tuch. Allerdings ähneln diese Bettlaken eher Schirmen, was auch viel besser zur Stehlampen-Anmutung dieser aus schiefen Betonfüßen und verknoteten langen Eisenstäben geformten Spukgespenstern passt.

Die Inspiration zu diesen Ruinenbewohnern fand Sosnowska auf einem alten Fabrikgelände in Chemnitz, das wohl im Zuge der Wiedervereinigung seinem Schicksal überlassen wurde. In den dortigen Büros müssen die Tapeten in großen Fetzen von der Wand gehangen haben, so wie jetzt bei Gisela Capitain. Mit dem entscheidenden Unterschied natürlich, dass Sosnowskas Tapeten aus dicken Stahlplatten gegossen, gepresst und gebogen wurden. Der besondere Reiz ihrer Arbeiten liegt darin, dass die Künstlerin ungeheure Kräfte auf harte Materialien wirken lässt, damit diese wahlweise biegsam oder porös erscheinen – wie weichgeklopft von jahrhundertelanger Korrosion.

Ihrer Liebe zum Monumentalen gibt Monika Sosnowska am ehesten bei einer „Wolke“ aus Stahlstreben nach, die aus drei betonierten „Töpfen“ zu sprießen scheinen: einem Blumenkübel, einem Autoreifen und einer Waschschüssel. Zwischen ihnen fliegen die dicken Eisenstäbe wie Seile durch die Luft, man kann aber auch an gekritzelte Linien oder an wucherndes Unkraut denken. Die rächende „Natur“ hatte bei diesen Verformungen offenbar den Schalk im Nacken. Aber vielleicht teilt sie mit Sosnowska auch nur den Hang zur surrealen Ruinenpoesie.


„Monika Sosnowska: Ghosts“, Galerie Gisela Capitain, St. Apern Str. 26, Köln, Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sa. 11-18 Uhr, bis 29. Juni.