Kasper König hat dem Kölner Museum Ludwig 50 Werke geschenkt. Jetzt zeigt eine Ausstellung die Früchte seiner spontanen Sammellust.
Museum LudwigWarum Kasper König Köln einen falschen Warhol schenkt
Kleine Geschenke erhalten auch in der Kunstwelt die Freundschaft. Als Kasper König die erste Warhol-Ausstellung nach Europa brachte, schickte der dankbare Künstler eine Brillo Box an Königs Ehefrau – selbstgebaut aus Holz und ohne die patentierten Putzschwämme aus Stahlwolle, die darin sonst mitgeliefert werden. Einige Jahrzehnte stand das Werk bei Königs als etwas überteuertes Möbelstück herum (die Dinger wurden für 2000 Dollar gehandelt) und trug klaglos den kastenförmigen Fernsehapparat. Irgendwann muss die Brillo Box dann aber dermaßen an Wert gewonnen haben, dass König sie lieber gegen „zwei Drittel meiner Wohnung in Berlin“ eintauschte.
Kasper König erzählt diese kleine Kunstgeschichte im Katalog der ihm gewidmeten Ausstellung im Kölner Museum Ludwig. Deren Anlass ist ebenfalls ein Geschenk – König überlässt „seinem“ Museum 50 Werke aus seiner privaten Sammlung. Das spricht dafür, dass der ehemalige Ludwig-Direktor seine zwölf Kölner Dienstjahre in guter Erinnerung behalten hat. Und offenbar legt er Wert darauf, in Köln in ebenso guter Erinnerung zu bleiben. Dafür hätte es die Gabe zwar gar nicht gebraucht. Aber wie sagte einst schon Irene Ludwig: „Es ist eine Ehre und ein Privileg, Picasso schenken zu dürfen.“
Ein Sammler im engeren Sinne ist Kasper König nicht
Einen Picasso hatte König zwar nicht im Gepäck, aber immerhin einen falschen Warhol, der in Wirklichkeit ein echter ist. Jedenfalls erzählte König beim Rundgang durch seine Ausstellung, dass er zufällig dabei gewesen sei, als die für ihre „Wiederholungen“ fremder Kunstwerke berühmte Elaine Sturtevant bei Warhol nach einem Originalsieb für dessen Blumen-Siebdrucke fragte. Stattdessen gab Warhol ihr dann einige fertige Blumendrucke mit; die brauchte Sturtevant nur noch zu signieren und sparte sich die lästige Wiederholungsarbeit.
Jetzt hängen die vier Blumen, die eigentlich ein von Warhol vorweggenommener Sturtevant sind, im Museum Ludwig an der Wand, deutlich erhöht, wie es sich für eine Ikone der Konzeptkunst gehört. Allein dieses Geschenk hätte wohl für zwei Drittel einer Kölner Zweitwohnung gereicht, aber so toll findet König seine einstige Heimatstadt auch wieder nicht. In gewohnter Plauderlaune wunderte er sich über einen Kardinal, der offenbar in Amt und Würden ausharren wolle, bis der Dom vollends leer gepredigt ist, und verfügte klipp und klar, er gedenke mit Köln so wenig wie möglich zu tun zu haben. Die Nachfrage, ob die Schenkung dann nicht anderswo besser aufgehoben wäre, erübrigte sich. So klingt eben Hassliebe auf königliche Art.
Es versteht sich beinahe von selbst, dass Kasper König selbst, als wandelnde Performance, das schönste Geschenk der Kölner Ausstellung ist. Aber auch die unbewegliche Kunst hat einiges zu bieten, angefangen bei der von Thomas Bayrle entworfenen Kaffeetassen-Tapete. Vor diesem Hintergrund machen sehr unterschiedliche Gaben eine ähnlich gute Figur: eine Farbdose mit Stacheldraht (von Isa Genzken), Notizen auf Millimeterpapier (von Hanne Darboven) oder ein Miniaturschiff aus verknotetem Schilf (von Bethan Huws). Das Kölner Lokalherz lässt Jeremy Deller mit zwei Siebdrucken, „Lang lebe Holger Czukay“ und „Lang lebe Jaki Liebezeit“, schneller schlagen, On Kawaras 32-teilige Postkartensammlung „I got up 1968 – 1979“ ist hingegen so kosmopolitisch, wie nur ein künstlerisches Nomadenleben sein kann.
Ein Sammler im engeren Sinne ist Kasper König nicht, auch das zeigt die kleine Schau. Er kaufte meistens spontan ein, ansonsten wuchs und wucherte seine Sammlung mit der Zahl an Freund- und Bekanntschaften und mit den Gaben, die man als Künstler zur Hand hat, wenn man einem Kurator eine Freude bereiten will. Aber was schenkt man einem Mann, der schon eine Fernsehkommode hat? Vor allem Werke der Konzeptkunst, was sich wohl nicht zufällig mit Königs Vorlieben und Verdiensten als Ausstellungsmacher und Museumsdirektor trifft.
Auch im Ruhestand ist König im Grunde Museumsdirektor geblieben, denn mit seiner Schenkung will er nicht zuletzt Vorbild sein und den moralischen Druck auf potenzielle Gönner des Ludwig erhöhen. Die Künstlerliste der Ausstellung vereint daher Klassiker und Geheimtipps, die Werkliste große Arbeiten mit solchen, die eher als Souvenir bezaubern. Sammeln erscheint in dieser Ausstellung als schönes Wagnis, das sich aus der Lust an Entdeckungen speist und in der Freude darüber erfüllt, etwas Bleibendes weitergeben zu können. Alle Wünsche konnte König seinem Museum nicht erfüllen. Aber er arbeitet weiter daran.
„1000 … miles to the edge – Schenkung Kasper König“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 17. März 2024. Der Katalog zur Ausstellung ist im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König erschienen und kostet 19,80 Euro.