AboAbonnieren

Frank Peter Zimmermann und Co.Musiker und ihre geliehenen Stradivari-Geigen

Lesezeit 5 Minuten

Die japanisch-amerikanische Stargeigerin Midori spielt die Guarneri „ex-Huberman“ von 1734.

„Das sind Gerüchte, es gibt keinerlei Entscheidungen.“ Mit diesem Statement kommentierte soeben auf Anfrage der Düsseldorfer Finanzdienstleister Portigon (der Rechtsnachfolger der landeseigenen WestLB) Meldungen, denen zufolge er gewillt ist, die in seinem Eigentum befindliche Stradivari-Violine des deutschen Weltgeigers Frank Peter Zimmermann an einen ausländischen Bieter zu verkaufen. Gerücht hin, Gerücht her – der Künstler zeigte sich alarmiert, sagte, die „Lady Inchiquin“ sei „wie die große Liebe seines Lebens“, nach der er „viele Jahrzehnte gesucht“ habe.

Die durch den Vorgang in Künstlerkreisen hervorgerufene Unruhe verweist auf einen Umstand, der vielen Klassik-Liebhabern und Konzertbesuchern gar nicht bekannt sein dürfte: Oft spielen (vor allem) Geiger und Cellisten Instrumente, die ihnen selbst nicht gehören, sondern privaten Verleihern, die sie ihnen überlassen – bis auf weiteres oder auf Lebenszeit. Die meisten sind im Besitz von Großbanken, aber auch von Kulturorganisationen wie der vom japanischen Kulturministerium gegründeten Nippon Music Foundation. Die größte öffentlich zugängliche Sammlung – ein Streichquintett aus zwei Violinen, einer Viola und zwei Celli – gehört übrigens dem spanischen Königshaus.

Erfüllter Traum

Anne-Sophie Mutter, das deutsche Geigenwunder, besitzt tatsächlich beide (!) von ihr gespielte Stradivaris: die „Emiliani“, die in den Karajan-Aufnahmen zum Einsatz kam, und die „Lord Dunn-Raven“, die derzeit ihre bevorzugte Konzertvioline ist. Eine Stradivari, so Mutter, klinge, wie sie es sich immer erträumt habe: „Wenn ich auf der Bühne stehe, sind wir musikalisch eins.“

Lebenslänglich

Die japanisch-amerikanische Stargeigerin Midori spielte zunächst die Guarneri „ex-David“, die ihr 1985 leihweise durch Mary Galvin überlassen wurde. Später erwarb sie das Instrument von Galvin. Um 1992 kaufte die Unternehmer-Familie Hayashibara für Midori die Stradivari „Jupiter“, die sich dann aber als wenig geeignet für sie herausstellte. Etwa seit 2000 spielt Midori die Guarneri „ex-Huberman“ von 1734, die ihr von der Hayashibara-Stiftung lebenslänglich zur Verfügung gestellt wird.

Wunderbares Funkeln

Der französische Violinvirtuose Renaud Capuçon spielt eine die Guarneri „Panette“, die zuvor Isaac Stern gehört hatte und von der Banca Svizzera Italiana für ihn gekauft wurde. Über sein Instrument sagt er: „Ich liebe die Art, wie es spricht. Es ist nicht laut oder stark, sondern einfach groß. Ich liebe seine dunklen Farben, obwohl es auch wunderbar funkeln kann – für Mozart ist es ideal.“

Wie eine Ehe

Die Münchner Geigerin Julia Fischer spielte früher eine Guarneri, eine Leihgabe der „Blue de Brasil“ der Fazenda Ipiranga, sowie die „Booth“ Stradivari, eine Leihgabe der Nippon Music Foundation. Fischer: „Aber da ich bei der Stradivari wusste, ich muss sie eh wieder hergeben, konnte ich nicht diese tiefe Beziehung zu dem Instrument aufbauen. Die Beziehung zur Geige ist wie eine Ehe.“ Heute spielt Fischer eine Guadagnini und eine Geige von Philipp Augustin (2011).

Spottpreis für ein Cello

Der aus Riga gebürtige und heute in Brüssel lebende Cellist Mischa Maisky kam auf denkwürdige Weise an sein Instrument: Nach dem Debütkonzert in der New Yorker Carnegie Hall 1972 zeigte ihm ein Bewunderer ein Montagnana-Cello von 1720 und bot es ihm für einen Spottpreis zum Kauf an. Zunächst erwarb eine Stiftung das Cello, später konnte Maisky es dank eines Bankkredits übernehmen. Er spielt es bis heute.

Die Seele des „Herrn Gabetta“

Die in der Schweiz lebende argentinische Cellistin Sol Gabetta spielt ein Guadagnini-Cello von 1759, das rund zwei Millionen Euro wert ist. Ermöglicht wurde ihr das durch ein großzügiges privates Stipendium des Zürcher Musikmäzens Hans Konrad Rahn, der das Instrument in den 90er Jahren für sie kaufte. Die Tatsache, dass sie es als „Herr Gabetta“ anredet, verweist auf ihre besondere Beziehung zu diesem Cello: „So ein Instrument entwickelt sich und verbindet sich mit dem Geist der Person. Es hat eine Seele und eine Persönlichkeit.“ (MaS)

Warum ist das so, warum sind die Instrumente, die die einschlägige Weltelite spielt, teils gar nicht ihr Eigentum? Kaum denkbar, dass ein Virtuose des 19. Jahrhunderts – Paganini zum Beispiel – auf einer Violine gehext hätte, das ihm nicht gleichzeitig gehörte. Die Antwort ist einfach: Der freie Markt ist, was Spitzeninstrumente anbelangt, ziemlich leer gefegt. Gerade Stradivari-Geigen gelten als lukrative Kapitalanlagen – bei Versteigerungen sind Erlöse von mehr als vier Millionen Euro keine Seltenheit. Bei diesen Versteigerungen können auch gut verdienende Starmusiker manchmal, aber eben längst nicht immer mithalten, hinzu kommt das Versicherungsproblem.

Die „Lady Blunt“ Stradivari von 1721 etwa – sie trägt den Namen nach der Enkelin von Lord Byron, der sie 30 Jahre lang gehörte – holte 2001 bei einer Wohltätigkeitsauktion zugunsten der japanischen Erdbebenopfer glatt 11,6 Millionen Euro. Der nicht bekannte momentane Besitzer rückt das Instrument übrigens nicht heraus, verzichtet damit allerdings auch auf den Image-Gewinn, den private Kulturförderung – also auch der öffentlich kommunizierte Instrumentenverleih – immer mit sich führt.

Der Preis hängt am Namen

Selbstredend hängen diese Preise mit dem Mythos Stradivari zusammen, ein Name, der den anderer Produkte aus dem goldenen Zeitalter des Geigenbaus, dem 17. und frühen 18. Jahrhundert – Amati und Stainer zum Beispiel – durchaus überstrahlt. Der Mythos hat freilich einen rationalen Begründungskern: Während etwa bei vielen historischen Geigen die optimale Entfaltung ihrer Eigenschaften an die seinerzeit üblichen kleine Räume gebunden bleibt, schaffen die von dem Cremoneser Geigenbauer hergestellten Instrumente dank ihres Klangvolumens mühelos den Sprung in den Konzertsaal unserer Tage.

Warum das so ist? Man weiß es bis heute nicht, die Werkstatt des Antonio Stradivari hat ihre Geheimnisse nicht preisgegeben, man kann seine Instrumente nicht nachbauen. Und mit diesem Problem sehen sich eben gerade die Streicher konfrontiert – nicht die Flötisten, Hornisten und Pianisten.