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Nachruf auf Donald SutherlandDer eigenwilligste Filmstar der 70er Jahre

Lesezeit 4 Minuten
26.09.2019, Spanien, Madrid: Donald Sutherland, Schauspieler aus Kanada, lässt sich am Rande des Filmfestivals San Sebastián fotografieren. Der kanadische Schauspieler Donald Sutherland ist tot.

Der kanadische Schauspieler Donald Sutherland ist im Alter von 88 Jahren gestorben

Donald Sutherland ist mit 88 Jahren gestorben. Seine Filmkarriere umfasste sieben Jahrzehnte und einige unvergessliche Klassiker. Unser Nachruf.

Als er 16 Jahre alt war, ein schlaksiger Teenager in Nova Scotia an der kanadischen Ostküste, fragte Donald Sutherland seine Mutter, ob sie ihn als gutaussehend beschreiben würde. Die Mutter, erzählte der Schauspieler später, erbleichte. Dann drehte sie sich von ihm weg und sagte: „Nein, aber dein Gesicht hat jede Menge Charakter.“

Nein, eine Schönheit war er nicht, das langgezogene Gesicht, die tränenden „Derrick“-Augen, die großen, abstehenden Ohren, der Mund, dessen Grinsen Großmütter verspeisen konnte. Aber in ihrem Zusammenspiel konnten sich diese Gesichtszüge in beinahe alles verwandeln. In einen hohlen Lüstling (in Federico Fellinis „Casanova“), einen respektlosen Chirurgen im Feldlazarett, der dem Krieg wilde Scherze entgegensetzt (in Robert Altmans „M*A*S*H“) oder einen liebenden, aber schwachen Familienvater (in Robert Redfords „Eine ganz gewöhnliche Familie“). Man nahm ihn das kindliche Gemüt ebenso ab wie den reuelosen Killer und wenn er wollte, gewannen seine Züge etwas Löwenartiges.

Seinem Vater zuliebe hatte Sutherland angefangen, in Toronto Ingenieurwissenschaften zu studieren, aber an der Universität hatte er sich mit dem Schauspielvirus infiziert, siedelte nach England über, um dort an der London Academy of Music and Dramatic Art einzuschreiben, die er jedoch schnell wieder verließ, um sich in der Praxis in kleinen Provinztheatertruppen und noch kleineren Rollen im britischen Fernsehen zu bewähren. Die TV-Rollen wurden größer, bald stand er auch im Londoner West End auf der Bühne.

Donald Sutherlands Filmkarriere begann mit einem Vampirschocker

Seine Filmkarriere begann wenig ruhmreich, an der Seite Christopher Lees im italienischen Vampirschocker „Il castello dei morti vivi“ (1964), aber es war ein Einstieg und Donald Sutherland zeigte seine Dankbarkeit, in dem er seinen ersten Sohn nach dessen Regisseur Warren Kiefer benannte. Seinen eigentlichen Durchbruch erlebte der Kanadier in Robert Aldrichs zynischen Kriegsthriller „Das dreckige Dutzend“ als eher schlichter Kleinkrimineller, der sich in einer Szene als General ausgeben darf. Drei Jahre darauf, nach der Hauptrollen in „M*A*S*H“, war Sutherland ein Star, vielleicht der ungewöhnlichste leading man der 1970er Jahre.

In „Klute“, dem ersten Film in Alan J. Pakulas Paranoia-Trilogie, dient Sutherlands Provinzpolizist als moralisches Rückgrat des Films, und überlässt Jane Fonda den interessanteren Part. Die Schauspieler wurden für kurze Zeit ein Liebespaar und tourten mit ihrer subversiven Comedy-Revue „F.T.A.“ amerikanische Militärstützpunkte. Offiziell bedeutete F.T.A. für „Free the Army“, aber ihr widerwillig einberufenes Zielpublikum verstand genau, wofür das „F“ wirklich stand.

Überzeugender als in „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ ist Intimität nie gezeigt worden

Wie überzeugend er Nähe und Körperlichkeit darstellen konnte, bewies Sutherland in Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, die ominöse Atmosphäre Venedigs, die Schockmomente in den engen Gassen und Wasserstraßen der Stadt sind berühmt geworden, unvergesslich ist die Szene, in der Sutherland und Julie Christie als um ihre ertrunkene Tochter trauerndes Ehepaar zum ersten Mal wieder miteinander schlafen. Überzeugender ist Intimität nie auf Zelluloid gebannt worden.

Fünf Jahre später machte sich mit Philip Kaufmans „Die Körperfresser kommen“ ein weiterer Horrorklassiker Sutherlands Talent zur Abgründigkeit zu Nutzen. Der liebende Mann konnte eiskalt sein, dabei aber stets – man sehe seinen sadistischen Faschisten in Bernardo Bertoluccis „1900“ oder seinen gefühllosen Nazi-Spion in „Die Nadel“ – faszinierend anzuschauen. Nebenbei war er sich aber nicht für sagenhaft alberne Kurzauftritte in zotigen Komödien wie dem „Kentucky Fried Movie“ oder „Ich glaub‘ mich tritt ein Pferd“ (als verkiffter Englisch-Prof) zu schade.

Als seine Tage als Filmstar gezählt waren, in den stromlinienförmigen, konservativen 1980er Jahren war er als Protagonist undenkbar geworden, verlegte sich Sutherland aufs Charakterfach. Von Oliver Stones „JFK“ (1981) bis zu den „Hunger Games“-Filmen der Zehner Jahre – es gab keinen Hollywoodfilm, der nicht durch ein Cameo von Sutherland entschieden an Qualität gewonnen hätte.

Am Donnerstag verkündete Kiefer Sutherland den Tod seines Vaters in Miami, er sei nach längerer Krankheit gestorben. Donald Sutherland ist 88 Jahre alt geworden, erst im vergangenen Jahr hatte er seinen letzten Filmauftritt im Gerichtsdrama „Miranda’s Victim“.