AboAbonnieren

Nachruf auf Françoise HardyDie Frau, die Bob Dylan, Mick Jagger und David Bowie vergeblich liebten

Lesezeit 3 Minuten
Italien, Mailand: Dieses Bild aus den 1960er Jahren zeigt Francois Hardy, Sängerin und Schauspielerin aus Frankreich auf der Piazza Sant'Ambrogio.

Françoise Hardy in den 1960er Jahren

Françoise Hardy, französische Vorreiterin der Singer-Songwriter-Bewegung und Stil-Ikone der 1960er, ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Unser Nachruf.

All die Jungs und Mädchen in meinem Alter promenieren zu zweit durch die Straßen, klagt die schüchterne 17-jährige. Schauen sich tief in die Augen, gehen Hand in Hand. „Tous les garçons et les filles“, nur sie nicht. Sie geht allein, ungeliebt und verdrossen. Am liebsten verschwände die hübsche Pariserin wohl hinter ihren langen, glatten Haaren.

Das Chanson, eigentlich eine B-Seite, verwandelte Françoise Hardy im April 1962 in die Projektionsfläche Tausender unglücklicher Teenager des Kontinents. Wenn schon einsam, dann wenigstens so stilsicher, wie das schüchterne Yé-Yé-Girl aus dem 9. Arrondissement. Sie hätte das Lied in drei Stunden mit den vier schlechtesten Musikern der Stadt aufgenommen, lästerte die Hardy später. Hinter ihrer Schüchternheit verbarg sie stets ein gerüttelt Maß an Verachtung für den eigenen Ruhm und die Albernheiten des Showgeschäfts. Ihren Erfolg nutzte sie, um fortan in London aufzunehmen, mit exzellenten Studiomusikern, unter anderem einem jungen Jimmy Page.

An dem Label Yé-Yé, wie man die Beat-Variante der prinzipiell unrockbaren Franzosen nannte, war die Hardy im Übrigen nicht ganz unschuldig, hatte sie doch ihr Lied „La Fille Avec Toi“ im schönsten Franglais begonnen: „Oh, oh, yeah, yeah.“

1962 konnte sich noch niemand vorstellen, dass binnen eines Jahres vier Arbeitersöhne aus Liverpool das Teenagerleben weltweit völlig umkrempeln würden. Bald umschwärmten die Beatles Hardy in Paris, später nannte Mick Jagger sie die ideale Frau und David Bowie erklärte ihr öffentlich seine leidenschaftliche Liebe. Bob Dylan widmete ihr auf dem Klappentext seines 1964 erschienenen Albums „Another Side of Bob Dylan“ ein Gedicht: „für françoise hardy/am rande der seine/ein riesiger schatten/von notre dame/versucht, meinen Fuß zu ergreifen/Studenten der Sorbonne/schwirren auf dünnen Fahrrädern vorbei.“ Hardy hatte an der Sorbonne ein Germanistikstudium begonnen, passenderweise sang sie viele ihrer frühen Chansons auch auf Deutsch ein („Frag den Abendwind“). Die anglophonen Ikonen konnten sie, die Distinguierte, nicht beeindrucken, sie waren ihr schlicht zu benebelt.

Als die Beatles noch Coverversionen spielten, schrieb Françoise Hardy längst eigene Lieder

Oder sie war sich ihres Pionierstatus bewusst: Während die Beatles ihre frühen Alben mit jeder Menge Coverversionen anfütterten, stammten zehn von zwölf Titeln auf Hardys Debütalbum aus ihrer Feder, auch „Tous les garçons“, dabei war das Label Singer-Songwriter noch gar nicht erfunden. „Le temps de l’amour“, eine der Fremdkompositionen stammte von dem Sänger und Schauspieler Jacques Dutronc, und der wurde die Liebe ihres Lebens. Freilich keine unproblematische. Man küsste und man schlug sich. Betrachten wir es aus der Perspektive der zurückgewiesenen Popgrößen, könnte man auch sagen: Der Mistkerl brach ihr das Herz.

Aber die Traurigkeit war Françoise Hardy mit in die Wiege gegeben, sei es durch den abwesenden Vater oder die jüngere Schwester, die an Schizophrenie litt, da brauchte es keinen untreuen Mann. So waren fast alle ihrer Lieder Klagelieder, auch wenn sie Musik und Text meilenweit von den verstockt vorgetragenen Kleinmädchenproblemen ihrer ersten Erfolge entfernten. Als Mode- und Zeitikone – eingekleidet von Paco Rabanne, abgefilmt von Jean-Luc Godard – blieb sie den schwingenden Sechzigern verhaftet.

Doch als Musikerin entwickelte sie sich stetig weiter. Als ihr Meisterwerk gilt das Album „La question“, sie spielte es 1971 mit der brasilianischen Musikerin Tuca ein, mit Yé-Yé hatte das nichts mehr gemein, es war das französische Gegenstück zu Joni Mitchells „Blue“ – asketisch, tiefschürfend und dabei très sexy.

Spätere Alben variierten von kühler Elektronik bis zu übersteuertem Indie-Rock, aber immer wieder ging es um den Wunsch und die Angst, zu verschwinden. Seit 2004 litt Françoise Hardy an Krebs, noch vor drei Jahren sprach sie sich für Sterbehilfe aus. Nun ist sie im Alter von 80 Jahren gestorben.