Ein Film mit M. Emmet Walsh kann nicht schlecht sein, befand Star-Kritiker Roger Ebert. Jetzt ist der Schauspieler mit 88 Jahren gestorben.
Nachruf auf M. Emmet WalshDer Hollywood-Charakterkopf, den man zu hassen liebte
Der große amerikanische Filmkritiker Roger Ebert stellte einst die Stanton-Walsh-Regel auf. Die besagt, dass „kein Film, in dem entweder Harry Dean Stanton oder M. Emmet Walsh in einer Nebenrolle zu sehen ist, wirklich schlecht sein kann“.
Ebert starb im Jahr 2013, Stanton 2017, jetzt ist auch Walsh von uns gegangen und mit ihm ein guter Teil der amerikanischen Filmgeschichte. Am vergangenen Dienstag hatte der Charakterdarsteller in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Vermont einen Herzstillstand erlitten, drei Tage vor seinem 89. Geburtstag.
M. Emmet Walsh hatte schon zehn Jahre lang auf Provinzbühnen gestanden, bevor die Studios auf den Schauspieler mit dem Galgenstrickgesicht und der hohen, heiseren Stimme aufmerksam wurden. Zuerst erhielt er nur winzige Rollen, aber in was für Filmen: Arthur Penns „Alice's Restaurant“ und „Little Big Man“, John Schlesingers „Midnight Cowboy“, Peter Bogdanovichs „Is' Was Doc?“, Sidney Lumets „Serpico“, eine wahre Leistungsschau des New Hollywood.
M. Emmet Walsh hatte sich auf üble Charaktere, die anderen das Leben zur Hölle machen, spezialisiert
Bald wurden die kleinen Rollen größer: in der Eishockey-Komödie „Slap Shot“ (1977) nervt Walsh Paul Newman als gehässiger Sportreporter, im Krimidrama „Stunde der Bewährung“ (1978) triezt er Dustin Hoffman als misstrauischer Bewährungshelfer und in der Steve-Martin-Farce „Reichtum ist keine Schande“ (1979) zielt er als durchgedrehter Scharfschütze auf den arglosen Comedian. Mit anderen Worten: M. Emmet Walsh hatte sich auf die Art üble Charaktere spezialisiert, die ihren Mitmenschen das Leben zur Hölle machen und er verkörperte diese hinterfotzigen Landplagen so überzeugend, weil er begriff, dass die in ihrem jeweils eigenen Film der Held sind.
So einer kann die strahlendsten „leading men“ zur Verzweiflung bringen. Neben Hoffman und Newman rieben sich unter anderem auch Robert Redford, Denzel Washington, Gene Hackman und Will Smith – in „Wild Wild West“, einer seltenen Ausnahme der Stanton-Walsh-Regel – an diesem fleischgewordenen Hindernis. Walsh verglich diese Aufeinandertreffen mit einem Tennismatch: „Genau dafür holt man mich: Diese Jungs schlagen den Ball, ich schlage zurück, wir schlagen den Ball so hart wie möglich. Schon haben wir eine Szene im Kasten, die funktioniert.“
Zur Perfektion brachte Walsh diesen Typus in zwei weit vorausweisenden Klassikern der 1980er Jahre. In Ridley Scotts „Blade Runner“ (1982) presst er Harrison Ford als dessen ehemaliger Vorgesetzter bei der LAPD in seinen alten Job als Androiden-Killer zurück.
Doch Loren Visser, der betrügerische, über Leichen gehende Privatdetektiv in „Blood Simple“ (1984), dem Filmdebüt der Coen Brothers, ist die Krone im Schaffen M. Emmet Walshs: ein kleiner Bösewicht, aber zu jeder Gemeinheit fähig. Er ist als Einziger in diesem Neo-Noir-Thriller mit offensichtlichem Spaß bei der Sache, außer den beiden Regie-Brüdern selbst, versteht sich. Gedreht hatte er seine größte Rolle während einer dreiwöchigen Drehpause des Dramas „Silkwood“, in dem er Meryl Streeps Whistleblowerin als Direktor eines Atomkraftwerks kujonierte.
Roger Ebert taufte ihn den „König der Schmierlappen“ und sein Kritikerkollege Mike Clark beschrieb den typischen Walsh-Charakter, nicht weniger bewundernd als „eine Jauchegrube in einem Blumenhemd“. Kein Wunder, dass sich der Darsteller anschließend nach anderen Angeboten umsah: Als Julia Roberts Beinahe-Schwiegervater in „Die Hochzeit meines besten Freundes“ (1997) etwa konnte er kein Wässerchen trüben.
Und M. Emmet Walsh spielte bis ins hohe Alter in mehr als 200 Filmen, trat in TV-Serien und auch wieder im Theater auf und wann immer man ihm unverhofft begegnete, wie etwa in „Knives Out“ (2019), man freute sich über den begnadeten Fiesling, ein Urgestein aus Hollywoods aufregendsten Jahren.