Der Produzent, Arrangeur und Komponist Quincy Jones ist mit 91 gestorben. Sein Werk hat die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt.
NachrufQuincy Jones hat mit allen Musikgrößen gearbeitet – einmal auch in Köln
Quincy Jones lebte und arbeitete im Superlativ. Als Arrangeur, Trompeter, Pianist und Bandleader musizierte er mit Dizzy Gillespie, Count Basie und Charles Mingus. Er produzierte Singles und Alben für Frank Sinatra, Ray Charles, Aretha Franklin und Michael Jackson, für den er mit „Off the Wall“, „Thriller“ (dem erfolgreichsten Album aller Zeiten) und „Bad“ gleich dreimal einen neuen Sound definierte, von samtener Disco zu scharfkantig-synthetischem Funk – und dabei eigentlich erst das erfand, was wir heute unter Popmusik verstehen. Einem unbestätigten Gerücht zufolge soll Quincy Jones Jackson zu gesanglichen Höchstleistungen getrieben haben, indem er ihn während der Aufnahmen trat und anschrie: „Hör auf zu kieksen, Motherfucker!“
Als Filmkomponist war Jones der erste Afroamerikaner, der bei den Academy-Awards für den besten Originalsong nominiert wurde. Zu seinen besten Soundtracks gehören Sidney Lumets „The Pawnbroker“, der Kultkrimi „The Italian Job“, musikalisch ein wilder Ritt durch die Swinging Sixties, der funky Südstaaten-Sound für „In der Hitze der Nacht“ mit Sidney Poitier und seine erschütternde, ans Atonale schrammende Musik zu „Kaltblütig“. Der wäre beinahe nicht zustande gekommen: Truman Capote, der Autor der Romanvorlage, wollte einen schwarzen Komponisten verhindern.
Quincy Jones hat mit Elvis Presley und Miles Davis gespielt
In seinen jungen Jahren hatte Quincy Jones in Paris Musiktheorie mit Nadia Boulanger und Olivier Messiaen studiert, er wohnte gegenüber von Pablo Picasso. Insgesamt war Jones siebenmal für den Oscar nominiert, aber das verblasst vor seinen 80 Grammy-Nominierungen, nur Beyoncé und Jay-Z haben ihn hier zuletzt überholt, gewonnen hat er 28 der goldenen Grammofone.
Schaut man sich abseits der Steigerungsformen um, erscheint Quincy Jones wandlungsfähiges Schaffen sogar noch erstaunlicher: Ja, das ist er, der bei den ersten TV-Auftritten von Elvis Presley die zweite Trompete spielt. Die Reihe liebenswerter Hits, angefangen mit „It’s My Party“ von 1963, die aus der 16-jährigen Lesley Gore einen frühen Teenie-Star machten – Jones hat sie produziert. Und niemand andere als er konnte den mürrischen Miles Davis dazu überreden, sich noch einmal mit seinen Großtaten der 1960er auseinanderzusetzen. Davis‘ grandioser Live-Auftritt mit Jones beim Montreux-Festival 1991 sollte sein letzter sein, drei Monate später war der Jazz-Gott tot.
Und selbstredend findet sich auch eine Köln-Connection, in Form des sehr schönen Easy-Listening-Albums „Kurt Edelhagen Plays Jim Webb“. Die Songs des amerikanischen Songwriters hatte Quincy Jones für den Leiter der WDR-Bigband arrangiert.
Vielleicht lag das größte von Jones vielfältigen Talenten im Dazwischen, im Verbinden von Menschen und Ideen, im forschen Überschreiten von Genregrenzen, die oft genug aus rassistischen Ressentiments bestanden. Jones akzeptierte schlicht kein Nein. Und zum Glück hatte er den Charme und die Expertise damit durchzukommen. Dass er sich allein durchschlagen und dabei alle ihm verfügbaren Mittel nutzen musste, war eine Lehre aus der Kindheit. Die Jones‘ waren arm. Der Vater war ein halbprofessioneller Baseball-Spieler, der sich als Tischler im Gangster-Milieu verdingte. Die Mutter, von der er das musikalische Talent geerbt hatte, entwickelte früh eine Schizophrenie, die Kinder kamen bei der Großmutter mütterlicherseits unter, bevor sie der Vater von Chicago in den amerikanischen Nordwesten verpflanzte. Eine neue Stiefmutter kümmerte sich wenig um Quincy und seinen Bruder Lloyd. Die Jungs waren sich selbst überlassen, oft mussten sie hungern.
Als er mit elf zusammen mit Lloyd in ein Erholungszentrum einbrach, auf der Suche nach Essbarem, fühlte sich Quincy magisch von einem Spinett angezogen. Bald darauf trat er der Schulband bei und verlor keine Zeit. Mit 13 überredete er den Count-Basie-Trompeter Clark Terry, ihm Unterricht zu geben. Mit 14 verbrüderte er sich mit einem zwei Jahre älteren blinden Pianisten namens Ray Charles. Mit 15 heuerte er bei der Band des Vibraphonisten Lionel Hampton an (dessen Frau ihn prompt wieder feuerte und zurück in die Schule schickte).
Im Alter von 23 Jahren nahm er das erste Album unter seinen eigenen Namen auf: „This Is How I Feel About Jazz“. Ein paar Jahre später stürzte er sich in Schulden - nach einer verkrachten Musicalproduktion bezahlte er die Big Band weiter, die er dafür zusammengestellt hatte. Die erste Ehe scheiterte auch, in Sachen Liebe war der rastlose Mr Jones ähnlich umtriebig wie in der Musikszene. Zur Reihe seiner Partnerinnen gehörten die Schauspielerinnen Ulla Andersson, Peggy Lipton und Nastassja Kinski, zu seinen zahlreichen Affären Juliette Gréco und Ivanka Trump.
Jones‘ Geldprobleme Anfang der 1960er Jahre lösten einen beispiellosen Aktivitätsschub aus. Mit den bekannten Ergebnissen. Während der Jazz mit Anbruch der 1970er Jahre in die kommerzielle Bedeutungslosigkeit kippte, gelang Jones der Absprung in poppigere Gefilde scheinbar mühelos und ohne Niveauverlust: Die Jazzfunk-Platte „Walking in Space“ (1969) und das Soulpop-Allstar-Album „The Dude“ (1981) sind kleine Meisterwerke.
Mitte der 1980er hatte Quincy Jones den Gipfel des Ruhms erreicht
Mitte der 1980er, nach dem Sensationserfolg mit Michael Jackson, hatte Jones den Gipfel des Ruhms erreicht, er arrangierte und produzierte die USA-for-Africa-Single „We Are the World“ (schließlich hatte er mit den meisten der hier vereinten Künstler und Künstlerinnen bereits zusammengearbeitet), er produzierte auch mit „Die Farbe Lila“ Steven Spielbergs ersten Ausflug ins ernste Fach (und komponierte die Musik zum Film). Sein Geschäft hatte er zum Multimediabusiness erweitert, mit der Sitcom „Der Prinz von Bel Air“ – die Will Smith zum Star machte – und dem Rap-Magazin „Vibe“ als erfolgreichsten Produkten. Die Nähe zum Hip-Hop ergab sich schon allein daraus, dass seine Aufnahmen zu den am häufigsten gesampelten gehören.
Am Sonntag ist Quincy Delight Jones Jr. Im Alter von 91 Jahren gestorben, im Kreise seiner Familie in Kalifornien.