Nachwuchsstar Helena Zengel„Als Tom Hanks Corona hatte, haben wir viel gechattet“

Helena Zengel und Tom Hanks in ihrem neuen Film „Neues aus der Welt“
Copyright: imago/Bruce Talamon / Universal Pictures / The Hollywood Archive Los Angeles
Helena Zengel, herzlichen Glückwunsch zur Golden Globe-Nominierung. Wie hast du den Tag erlebt, als du zusammen mit Glenn Close, Olivia Colman oder Jodie Foster nominiert worden bist?
Was für ein Tag. Das war der schönste Tag meines Lebens. Ich war gerade beim Möhren kaufen für mein Pferd, meine Mama hat im Auto auf mich gewartet, und als ich zurückkam, war die PR Agentur am Telefon und Mama meinte: »Du hast es geschafft, du bist für den Golden Globe nominiert.« Im ersten Moment konnte ich gar nichts sagen, weil ich so gar nicht damit gerechnet hatte. Das ist so unglaublich für mich, ich bin immer noch total überwältigt, irgendwie sprachlos; und gleichzeitig könnte ich schreien vor Glück.
Du gibst mit erst zwölf Jahren dein Hollywood-Debüt – und das an der Seite von Superstar Tom Hanks. Wusstest du vorher, wer das ist?
Seinen Namen kannte ich, und ich wusste auch, dass er ein Schauspieler ist. Aber mir war nicht klar, wie superberühmt er ist, weil er ja eher Filme für Erwachsene macht.
Erste Begegnung
Wie verlief dann deine erste Begegnung mit Tom Hanks?
Am Anfang war ich noch ein bisschen nervös, weil alles so neu war. Und ich glaube, er auch. Zuerst habe ich auch noch nicht alles in Englisch verstanden. Später hat sich das gelegt, da war ich entspannter. Und wenn ich mal etwas nicht verstand, hat Tom es erklärt. Ab der Mitte der Dreharbeiten wurden wir richtig enge Freunde und sind heute noch in Kontakt.
Du spielst ein deutschstämmiges Mädchen, das bei einem Indianerstamm aufwuchs und erst nach und nach der Hanks-Figur vertraut. Also wie im echten Leben bei euch?
Nun, wir haben uns erst zwei, drei Tage vor Drehstart kennengelernt. Das sollte so sein, weil wir uns zu Anfang der Story auch nicht kennen. Das Fremdeln ist dann einfacher zu spielen.
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Hanks war eine der ersten Hollywood-Celebritys, die sich mit Corona infiziert hatten. Hattet ihr zu der Zeit auch Kontakt?
Ja, seit Ende des Drehs schreiben wir uns E-Mails oder schicken uns Fotos über SMS... WhatsApp haben die Amerikaner ja meistens nicht. Wir schicken uns auch Videos, in denen wir uns von unseren Tagen erzählen. Auch als er Corona hatte, haben wir viel gechattet. Da wusste ich noch nicht so genau, wie das alles ist, mit den Nebenwirkungen und so. Tom hat mir alles erklärt. Es ist schon sehr cool, was er alles zu erzählen hat, wenn er neue Filme dreht.
Wie geht es dir mit der ganzen Corona-Situation?
Das ist schon alles sehr düster, weil man nicht weiß, wie es weitergeht und wie das alles weggehen soll. Es ist auch schade, dass wir mit diesem Film nicht auf Promo-Tour durch die ganze Welt gehen konnten. Das macht mich immer noch traurig. Ich hoffe einfach, dass Corona uns in Ruhe lassen wird, wenn wir uns jetzt alle an die vorgegebenen Regeln halten.
Was hast du von Tom Hanks gelernt – und was hast du ihm vielleicht beigebracht?
Ich habe von ihm viel über das Schauspielen gelernt, er hat mir ein paar Tricks gezeigt, zum Beispiel wie man auf Kommando weinen kann. Er hat ja schon so viel Erfahrung. Und ich habe mein Englisch verbessert. Er hat mir auch beigebracht, wie man mit dem Planwagen fährt. Dafür habe ich ihm dann bisschen das Reiten beigebracht. Und etwas Deutsch. Er lief dann rum und fragte jeden: Wo finde isch etwas zu essen? Ich suche Kaffee und Pflaumenkompott.
Weinen à la Hanks
Verrätst du uns, wie man à la Hanks weint?
Wenn die Tränen nicht von alleine kommen wollen, dann ziehe ich den Gaumen runter, dadurch muss ich gähnen, aber das unterdrücke ich dann – und dann kommen die Tränen. Das baut sich richtig auf. Das ist ein technischer Trick.
Wer half dir dabei, die Sprache der Kiowa-Indianer so beeindruckend zu sprechen?
Das Kiowa habe ich von vielen Menschen gelernt: von dem ältesten Mitglied der Kiowa, Dorothy – sie wird 90 Jahre alt – und Misses Watkins, die lange mit den Kiowa zusammengearbeitet hat. Sie brachte mir nicht nur die Sprache bei, sondern auch ihre Songs. In den drei Wochen vor Drehstart habe ich jeden Tag anderthalb Stunden gelernt.
Du hattest kaum Text und musstest das meiste über Mimik und Gestik transportieren. Wie schwierig war das?
Mit Text ist es schon leichter. Den lerne ich halt auswendig und brauche ihn dann nur richtig betonen. Wenn mir nur Mimik und Gestik bleibt, ist es schwerer, dem Zuschauer die Emotionen zu verkaufen. Aber das macht die Rolle auch sehr interessant. Ehrlich gesagt mache ich beides ganz gerne.
Dreh in alter Western-Stadt
Was ist dir von den Dreharbeiten besonders stark in Erinnerung geblieben?
Auf jeden Fall die tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte, die Tiere und die Landschaft. Der erste und der letzte Drehtag waren schon sehr emotional. Spannend war der Dreh in der Western-Stadt, in den ganzen alten Häusern. Früher war das eine echte Stadt, die man gern als Kulisse für Western benutzt hat. Jetzt ist die Stadt Geschichte und wird nur noch für Filme benutzt. Ich fand es aufregend, dass man dort überall herumlaufen und sich das Leben von damals vorstellen konnte. Und dann gab’s natürlich noch Halloween.
Wie bist du überhaupt zur Schauspielerei gekommen?
Das alles hat angefangen, als ich ungefähr vier Jahre alt war. Ich konnte immer schon gut meine Gefühle zeigen und stand immer gerne im Mittelpunkt. Mein Selbstbewusstsein habe ich von meiner Mama. Sie ist so eine starke Frau. Von ihr habe ich gelernt, nicht schüchtern zu sein, sondern mich zu trauen, mich zu zeigen. Auf jeden Fall hat Mama eine Freundin, die eine Schauspielagentur leitet. So bin ich zur Schauspielerei gekommen. Am Anfang spielte ich nur kleine Rollen, nur ein paar Tage lang, dann wurde das immer mehr. Ich habe aber nie wirklich gelernt, Schauspielerin zu sein. Das kommt einfach nur aus meiner Leidenschaft fürs Spielen.
Was die Freunde sagen
Was sagen deine Freunde dazu, dass du Schauspielerin bist?
Die sind sehr neugierig und haben viele Fragen. Aber die beantworte ich auch gerne. Mir ist es aber auch wichtig, dass das gerade in der Schule keine große Rolle spielt, ob ich Schauspielerin bin oder nicht. Mit meinen Freunden will ich einfach nur Spaß haben.
Was machst du noch neben Schauspielerei und Schule?
Am liebsten bin ich mit Freunden im Stall oder nehme Reitunterricht. Generell bin ich gerne an der frischen Luft. Außerdem spiele ich Klavier, so auf dem Niveau von »Für Elise«, manchmal spiele ich dann auch was vor. Meine Mama hat bald Geburtstag, für sie werde ich ein kleines Konzert spielen. Ansonsten mache ich gerne viel Sport, aber immer mal was anderes. Ich habe Leichtathletik gemacht, sechs Jahre lang Eiskunstlauf, und ich tanze viel. Meine neuste Entdeckung ist das Skateboardfahren. Sport und Bewegung machen mir unglaublich viel Spaß. Und Nähen, das ist auch noch eines meiner Hobbys.
Wie fühltest du dich, als du mit »Systemsprenger« auf der Berlinale so großen Erfolg hattest und später auch noch als jüngste Schauspielerin überhaupt mit der »Lola« geehrt wurdest?
Als ich den Filmpreis gewann oder auch in diesem Berlinale-Wahn war, fühlte ich mich wie in einer riesigen Luftblase voll Euphorie: Man ist die ganze Zeit glücklich, lernt viele neue Menschen kennen und schläft ganz wenig, weil man total aufgeregt ist. Das ist ein irres Gefühl, das auch ein bisschen süchtig macht – wie dieser Beruf überhaupt. Nervös bin ich nur, wenn ich eine Dankesrede halten muss. Ich will dabei ja niemanden vergessen. Bei der Lola war mir besonders wichtig, mich bei meiner Mama zu bedanken: Sie ist bei allem dabei und hat mich immer unterstützt.
Helena Zengel (12) lebt in Berlin und erhielt für ihre Hauptrolle in „Systemsprenger“ die Lola als beste (und jüngste) Hauptdarstellerin. So wurde Hollywood auf sie aufmerksam. In dem Western-Roadmovie „Neues aus der Welt“, das bei Netflix zu sehen ist, spielt sie an der Seite von Hollywood-Star Tom Hanks.
Für ihre Darstellung wurde sie für einen Golden Globe nominiert. (ksta)