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Natalie Portmann über ihre neue Serie„Wir Frauen leben immer mit der Gefahr von Gewalterfahrungen“

Lesezeit 6 Minuten
Natalie Portman in einer Szene von „Lady in the Lake“

Natalie Portman in einer Szene von „Lady in the Lake“

In der sehenswerten Apple+-Serie „Lady in the Lake“ spielt Natalie Portman eine jüdische Hausfrau, die sich in den 1960er aus gesellschaftlichen Zwängen emanzipieren will.

Frau Portman, Sie spielen in „Lady in the Lake“ eine jüdische Hausfrau im Baltimore der 1960er Jahre. Spürten Sie eine persönliche Nähe zu diesem Stoff?

Ohne Frage. Genau wie meine Figur Maddie in der Serie war auch meine Großmutter in jener Zeit in ihren 40ern und sehr engagiert in ihrer jüdischen Gemeinde. Die Rolle war für mich eine ziemlich einzigartige Möglichkeit, nachzuempfinden, wie ihr Leben damals gewesen sein könnte und welche Sorgen und Nöte sie als Frau in jener Zeit verspürt haben dürfte. Dass wir in Baltimore gedreht haben, erwies sich dann nochmal als zusätzlich spezielle Erfahrung. Eigentlich hatte ich die Stadt nicht besonders mit meiner Familiengeschichte verknüpft. Doch als ich dann ein paar Nachforschungen im Stammbaum meiner Mutter unternahm, stellte ich fest, dass meine Urgroßeltern und viele ihrer Verwandten damals aus Europa nach Baltimore gekommen waren und zum Teil auch dort beerdigt sind.

Sie haben mit Jackie Kennedy schon einmal eine Ehefrau und Mutter in jenem Jahrzehnt gespielt. Aber da halten sich die Parallelen vermutlich in Grenzen, oder?

Ich habe mich durchaus an Jackie erinnert gefühlt, zumindest was Äußerlichkeiten angeht. Jackies Stil haben in den 60ern ja wirklich sehr viele Frauen zu kopieren versucht. Was die Frisur, die Kostüme und die Hüte angeht, kann man entsprechend durchaus einen Bogen schlagen zwischen ihr und Maddie. Davon abgesehen aber sind diese beiden Frauen und ihre Geschichten natürlich vollkommen verschieden und verlangten mir entsprechend emotional auch ganz verschiedene Dinge ab.

Ich kenne keine Frau, die abends nicht selbst die paar Meter von ihrem Auto zur Haustür rennt, weil sie sich allein auf der Straße unwohl fühlt
Natalie Portman

„Lady in the Lake“ basiert zum Teil auf wahren Ereignissen und erzählt nicht nur, aber auch von der Gewalt und der Unterdrückung, der Frauen in jener Zeit ausgesetzt waren. Welche Relevanz hat die Geschichte heute?

Einiges wovon die Serie erzählt, hat natürlich dezidiert mit der Zeit zu tun, in der sie spielt. Aber dass wir Frauen immer mit der Gefahr von Gewalterfahrungen leben, ist bis heute leider unverändert. Die Feministin Gloria Steinem hat man den großartigen, aber furchtbaren Satz gesagt: Die größte Angst von Männern ist es, blamiert zu werden, während es die größte Angst von Frauen ist, umgebracht zu werden. Dieses Gefühl ist tragischerweise fester Bestandteil des Frauseins, auch heute noch. Ich kenne zum Beispiel eigentlich keine Frau, die abends nicht selbst die paar Meter von ihrem Auto zur Haustür rennt, weil sie sich allein auf der Straße unwohl fühlt. Wenn ich Männern von diesem Verhalten erzähle, fallen die meistens aus allen Wolken. Aber die Frauen können das alle nachvollziehen.

In der Serie wird Maddie von ihrem pubertierenden Sohn eigentlich genauso respektlos behandelt wie von ihrem Ehemann. Würden Sie als Mutter, die ebenfalls einen Sohn hat, sagen, dass der Kampf gegen die Misogynie schon mit der Beziehung der Kinder beginnt?

Über meine eigenen Kinder spreche ich in Interviews aus Prinzip nicht, aber natürlich kann ich ganz allgemein sagen, dass man als Eltern die Verantwortung hat, seine Kinder zu guten Menschen zu erziehen und gerade bei Jungs darauf zu achten, dass sie sich alteingesessenen frauenfeindlichen Mustern widersetzen. Aber gerade Maddies Fall, wo plötzlich der eigene Sohn zu einem weiteren männlichen Unterdrücker in ihrem Leben wird, zeigt ja auch, dass man das Aufbrechen patriarchaler Strukturen nicht allein in der Hand hat. Und selbst wenn beide Elternteile an einem Strang ziehen, reicht das nicht automatisch. Die äußeren Einflüsse, was gesellschaftliche Vorstellungen von männlichem und weiblichem Verhalten angeht, sind oft übermächtig, gerade während der Pubertät. Sich dagegen zu wehren ist unglaublich hart.

Kaum etwas wird in unserer Welt ja leider so wenig Respekt entgegengebracht wie dem weiblichen Körper
Natalie Portman

Um noch einmal auf die Serie selbst zurückzukommen: in etlichen Rückblenden sieht man Sie da per Computer verjüngt. Ist es nicht fast erschreckend, wie einfach und realistisch sich so etwas heutzutage machen lässt?

Als ich diese Szenen zum ersten Mal gesehen habe, war mein erster Gedanke: Wie toll, ich kann mich wieder um High School-Rollen bewerben. Aber Spaß beiseite. Tatsächlich sind die Entwicklungen, die seit geraumer Zeit in Sachen künstlicher Intelligenz und Bewegtbilder zu beobachten sind, ziemlich besorgniserregend. Vor allem, wenn man bedenkt, wie problemlos sich Bilder und Videos herstellen lassen von Menschen, die dazu gar nicht ihr Einverständnis gegeben haben. Zumal wir ja nicht nur von Gesicht und Stimme sprechen, sondern vom ganzen Körper. Und kaum etwas wird in unserer Welt ja leider so wenig Respekt entgegengebracht wie dem weiblichen Körper.

Mit solchen Themen beschäftigen Sie sich längst nicht mehr nur als Schauspielerin, sondern auch als Produzentin. In dieser Funktion waren Sie zuletzt schon bei „May December“ und nun auch bei „Lady in the Lake“ verantwortlich. Macht es nach solchen Projekten überhaupt noch Spaß, Jobs anzunehmen, bei denen Sie gar keinen künstlerischen Einfluss ausüben können?

Die Arbeit als Produzentin hat mich in den letzten Jahren wirklich erwachsen werden lassen. Das klingt aus dem Mund einer 43-jähren Frau vielleicht komisch, aber tatsächlich hat der Beruf der Schauspielerin ja etwas sehr Kindliches. Nicht nur, weil man spielen darf, sondern weil man sich um sehr wenig selbst kümmern muss. Man wird zum Set gefahren, geschminkt, bekommt gesagt, wann man wo sein soll, und muss sich meistens noch nicht einmal den Kaffee selbst holen.

Als Produzentin oder Regisseuri ist das anders?

Da ist das Gegenteil angesagt, denn da ist man von früh bis spät damit beschäftigt, Probleme zu lösen und anderen zu sagen, was sie machen sollen. Ich liebe das, wenn ich dafür sorgen kann, dass andere Menschen ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen können. Aber genauso freue ich mich, wenn ich zwischendurch bei einem Film einfach nur als Schauspielerin beteiligt bin, und genieße dann den Luxus, mich ausschließlich auf meine eigene Arbeit konzentrieren zu können.

Letzte Frage noch, mit einem kleinen Abstecher ins Private: Von Ihrem Ehemann Benjamin Millepied sind Sie inzwischen geschieden. Haben Sie trotzdem noch einen Bezug zu Frankreich?

Aber natürlich, ich lebe schließlich weiterhin in Paris und liebe es dort. Meine engsten Freundschaften habe ich dort und nirgends verehre ich die kulturelle Landschaft mehr. Ich kann mir kein besseres Zuhause vorstellen. Zumal jetzt nach den jüngsten Wahlen. Zu sehen, wie da die Menschen zusammenkamen und für ihre Anliegen gekämpft haben, hat mich stolz gemacht und inspiriert.

Das Gespräch führte Patrick Heidmann


30 Jahre ist es inzwischen her, dass Natalie Portman als 12-jährige im Film „Leon – Der Profi“ ihre Schauspielkarriere begann. Seither begeisterte sie in drei „Star Wars“-Abenteuern und ebenso vielen „Thor“-Filmen ein Millionenpublikum, drehte mit Regisseuren wie Mike Nichols („Hautnah“), Wong Kar-Wai („My Blueberry Nights“) oder Terrence Malick („Knight of Cups“) und wurde für „Black Swan“ mit dem Oscar ausgezeichnet. Kürzlich war die Mutter von zwei Kindern im Film „May December“ zu sehen, den sie auch als Produzentin verantwortete.

Nun ist sie mit ihrer Firma auch an der Serie „Lady in the Lake“ (bei AppleTV+) beteiligt, in der sie ebenfalls die Hauptrolle spielt.