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Nervöser Auftritt bei „Maischberger“Neuer SPD-Generalsekretär irritiert bei Kanzler-Frage

Lesezeit 4 Minuten
Matthias Miersch absolvierte bei Sandra Maischberger seinen ersten Talkshow-Auftritt als SPD-Generalsekretär. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Matthias Miersch absolvierte bei Sandra Maischberger seinen ersten Talkshow-Auftritt als SPD-Generalsekretär. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Seit einer Woche ist Matthias Miersch neuer SPD-Generalsekretär. Am Dienstagabend tritt er in neuer Funktion erstmals in einer Talkshow auf.

Beinahe hätte sich Matthias Miersch einen echten Lapsus geleistet. Miersch ist am Dienstagabend Gast bei Sandra Maischberger im Ersten. Dort diskutiert er mit dem Ersten Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, über die Steuerpläne, die der SPD-Vorstand am Sonntagabend beschlossen hat.

Maischberger fragt ihn unter anderem, ob er Boris Pistorius für einen guten Bundeskanzler hielte. „Ja“, flüstert er etwas verschämt. Zu spät fällt ihm auf, dass ja die SPD einen anderen Kanzlerkandidaten hat. Und so fügt er nach einiger Zeit hinzu: „Aber wir haben einen Kanzler. Und ich bin mir sicher, dass dieser Kanzler zum Beispiel bei dem Thema Sicherung des Industriestandorts auch genau auf diese Dinge setzen wird, und wir haben jetzt in der nächsten Woche viel vor uns in der Ampel.“

„Diese Dinge“, damit meint Miersch die Steuerpläne der Sozialdemokraten.

Miersch wirkt bodenständiger als Kühnert, aber auch weniger professionell

Miersch ist an diesem Abend sichtlich nervös. Das dürfte seinem ersten Talkshow-Auftritt geschuldet sein. Doch wenn man ihm zuhört, wird schnell klar: Ein Kevin Kühnert ist er nicht. Miersch hat sich gut vorbereitet, er kann die Positionen seines Vorstandes gut vertreten. Aber er sagt, was er denkt, und er sagt es, wie er es denkt. Das kommt manchmal etwas krumm heraus.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch stolperte fast über eine Frage zur Kanzlertauglichkeit von Boris Pistorius. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch stolperte fast über eine Frage zur Kanzlertauglichkeit von Boris Pistorius. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

So geschliffen wie Kühnert redet Miersch nicht, und an seiner freien Rede muss er noch sehr feilen. Seine Sätze sind nicht halb so lang wie die von Kühnert. Und Kühnerts Fähigkeit, lange Sätze in Schriftdeutsch zu formulieren, mit verschachtelten Nebensätzen noch dazu, fehlt Miersch. Ihm geht Kühnerts Rednererfahrung ab.

Dafür wirkt er sehr natürlich, macht sogar hier und da einen kleinen Witz, wenn es notwendig scheint. Miersch versucht, bodenständiger rüberzukommen als sein Vorgänger. Das wirkt ehrlich, aber eben auch unprofessioneller. Aber vielleicht braucht er einfach nur ein bisschen Zeit, um sich in seine neue Rolle hineinzufinden.

SPD will „95 Prozent der Bevölkerung entlasten“

Was der SPD-Vorstand will: 95 Prozent der Steuerzahler sollen entlastet werden. Dafür soll der Spitzensteuersatz für einen Teil der Besserverdienenden auf 48 Prozent angehoben werden. Das soll voraussichtlich ab einem zu versteuernden Jahresgehalt von 278.000 Euro gelten.

Bei Sandra Maischberger stritten Thorsten Frei (links) und Matthias Miersch über die Steuerpolitik. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Bei Sandra Maischberger stritten Thorsten Frei (links) und Matthias Miersch über die Steuerpolitik. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Miersch erklärt das so: „Erst mal haben wir eine politische Grundsatzentscheidung getroffen am Wochenende im Vorstand, dass wir gesagt haben, wir wollen 95 Prozent der Bevölkerung, der Arbeitenden, die in unserm Land wirklich auch unter Inflationsdruck stehen und standen, die wollen wir entlasten. Und jetzt kommt es sehr darauf an, wie man entlastet und wie man belastet. Belasten wollen wir zum Beispiel nicht jemanden, der eigentlich im Spitzensteuersatz drin ist mit 67.000. Und diese Diskussion, wie wir jetzt vorgehen, das ist noch genau Feinarbeit, und die liegt jetzt vor uns.“

Auch die CDU hatte vor anderthalb Jahren über die Einführung einer „Reichensteuer“ nachgedacht, diese Pläne aber ganz schnell wieder fallenlassen. Frei fordert denn auch eine „Agenda 2030“, wie vorher schon Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. „Aber wir sehen keine Regierungspartei, die die Kraft hätte zu einer solchen Agenda 2030“, sagt er. Mit den Plänen der SPD ist er nicht einverstanden. Sie brächten nicht genug Geld, um die weniger verdienenden Menschen zu unterstützen.

Warum hat der SPD-Vorstand ein offenbar halbgares Steuerwahlprogramm veröffentlicht?

Doch Frei hat noch mehr Kritikpunkte. Die SPD entlaste mit ihren Plänen die deutschen Unternehmen nicht. „Wenn man das umsetzen würde, dann würde es Hunderttausende von Arbeitsplätzen ins Ausland vertreiben. Und deswegen ist es so schädlich, deswegen ist es so leistungsfeindlich.“ Das sei eine Unterstellung, so Miersch. Die SPD wolle in Unternehmen investieren. Der Plan des SPD-Vorstands sehe vor, „dass es dann auch eine 'Supersonderabschreibung' gibt, die dann auch die Wirtschaft beflügelt“. Und er fügt hinzu: „Warten wir doch jetzt erst mal ab, wie dieses Konzept genau aussieht.“

Klar wird: Die Steuerpläne des SPD-Vorstands sind noch etwas nebulös. Das hat auch SPD-Chefin Saskia Esken zugegeben. Man müsse das alles erst einmal in Ruhe durchrechnen, hatte sie am Montag gesagt. Fragt sich nur: Warum hat der Vorstand dann ein offenbar halbgares Steuerwahlprogramm veröffentlicht? Und wäre es nicht eigentlich die Aufgabe des Generalsekretärs gewesen, so etwas zu koordinieren? Offenbar hat Matthias Miersch noch eine Menge zu lernen. Und dazu hat er wenig Zeit. Denn mit ihren Steuerplänen hat die SPD den Wahlkampf gerade begonnen. (tsch)