- Im Jahr 1933 wurde der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer von den Nazis aus dem Amt gejagt.
- In einem Kloster in der Eifel fand Adenauer Zuflucht, obwohl der Abt mit den Nazis sympathisierte.
- Wie erging es Adenauer im Kloster und wie prägte ihn diese Zeit? Eine Ausstellung am historischen Ort gibt Antworten.
Köln – Als Konrad Adenauer vor den Trümmern seiner Existenz zu stehen scheint, weiß er, an wen er sich wenden muss: „Würdest Du mir“, schreibt er im April 1933 an den Abt des Benediktinerklosters Maria Laach in der Eifel, „für 1-2 Monate Aufenthalt in Deinem Kloster gewähren können?“ Gerade sind die Nationalsozialisten an die Macht gekommen, die der Kölner Oberbürgermeister schon seit einer Weile scharf kritisiert. Das hat Folgen: Im März wird er erst aus dem Amt vertrieben, später offiziell aus den Diensten der Stadt entlassen. In dieser Bedrängnis erhofft sich Adenauer in der Eifel Schutz vor Übergriffen und Entspannung für Körper und Geist. Aus den ein bis zwei Monaten wird ein ganzes Klosterjahr.
Abt Ildefons Herwegen war in den 1880er Jahren wie Adenauer Schüler des Königlich Katholischen Gymnasiums an der Apostelkirche in Köln. Umstandslos stellte er Adenauer eine Unterkunft zur Verfügung. Dazu heißt es jetzt in der kleinen Ausstellung im Kulturforum des Klosters: „Adenauer findet in der Abtei freundliche Aufnahme, obwohl einige Mönche dem Nationalsozialismus anfänglich noch Sympathien entgegenbringen.“ Dass zu jenen, die Adolf Hitler nicht sofort verdammen, auch der Abt selbst gehört, behandelt die Ausstellung nicht.
Adenauers Versteck sollte den NS-Schlägern verborgen bleiben
Aber in Werner Biermanns Adenauer-Biografie (Rowohlt Berlin, 2017) ist zu lesen, dass Herwegen gerade in den letzten Tagen der Vertreibung Adenauers aus Köln „leidenschaftlich die nationalsozialistische Regierung begrüßt“ habe. Umso mehr rechnet es der Historiker dem Abt hoch an, dass er keinen Moment gezögert und „das alte Gebot der Schülersolidarität höher als weltanschauliche Differenzen“ gestellt habe.
Für den jahrelang so hyperaktiven Adenauer muss die Stille des Klosterdaseins eine Herausforderung gewesen sein. Zumal die Familie weiter in Köln lebte, untergebracht im Krankenhaus Hohenlind. Ehefrau Gussie und die Kinder kamen nur gelegentlich vorbei. Es sollte nicht allgemein bekanntwerden, dass sich der von den Nazis verleumdete Adenauer in der Eifel aufhielt. Denn willige Schläger fanden die Nazis überall. Schon meint man auf dem ausgestellten Porträt des Kölner Oberbürgermeisters, das Johannes Grefrath Anfang 1933 gemalt hat, in Adenauers bang-besorgtem Blick eine Vorahnung der nahenden Diktatur zu erkennen.
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Innenschau betrieb Adenauer gewiss in der Klausur. Auch das Gebet war ihm wichtig. Aber das kann einen Macher wie ihn nicht Tag für Tag ausfüllen. In seinem Zimmer, aus dem nun ein massiver Schreibtisch und eine Kniebank zu sehen sind, züchtet er Skimmia-Stecklinge. Die Klosterbibliothek nutzt er – das belegen die Ausleihvermerke – regelmäßig. Nach der Lektüre von Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“ stellt er fest, „Kälte und Ehrlichkeit“ der Abhandlung seien eine „Wohltat“ gewesen. Oft zieht es ihn hinaus in den Wald um den Laacher See. Ein Schlüssel war ihm anvertraut worden, damit er durch die heute als Adenauer-Pforte bekannte Türe das Kloster-Gelände unauffällig verlassen konnte. Das Tagebuch, das er am 13. September 1933 beginnt, kommt über den ersten Eintrag nicht hinaus: „Alles ist ungewiss, alles ist schwankend.“
Eine Brieffreundschaft pflegt er mit Dora Pferdmenges, der Ehefrau des Kölner Bankiers Robert Pferdmenges. Ihr eröffnet er seine eingetrübte Seelenlage recht klar. Und sie versorgt ihn mit Lebensmitteln, um die klösterliche Speisekarte zu erweitern. So dankt er einmal mit vertrauter Pfiffigkeit für eine Paketsendung: „Ich würde ihnen sehr gerne schreiben, Ihre Kaffeeessenz und Ihr Himbeergeist sind ausgezeichnet, ich muss aber wahrheitsgemäß sagen, sie waren ausgezeichnet.“ Ob postwendend eine neue Lieferung eintraf, ist nicht bekannt.
Seine Frömmigkeit ist hier gewiss weiter gefestigt worden
Schon vor seinem Eifeler Exil war Adenauer Gast in Maria Laach gewesen. Es war ihm ein Ort, um „die Sammlung wiederzugewinnen, die in meiner Stellung so leicht verloren geht“. Auch holte er sich beim befreundeten Abt manchen Rat. So bat er ihn, für die große „Pressa“-Medienausstellung im Jahre 1928 in Köln einen Raum zur Benediktsregel zu kuratieren. Und als 1932 der Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Kölner Universität neu besetzt werden musste und dem OB die Vorschläge der Fakultät „nicht sehr glückleit ist hier gewiss weiter gefestigt wordenich“ erschienen, befragte er den Abt nach alternativen Empfehlungen.
Maria Laach blieb auch nach dem Asyl-Jahr 33/34 für Konrad Adenauer und seine Familie eine wichtige Adresse. Seine Tochter Libet heiratete hier. Und dem Kloster spendete er Geld für ein Kirchenfenster: Wenn man die Abtei betritt, erzählt es gleich links um die Ecke in kräftigen Farben von der Schöpfungsgeschichte.
Adenauers Frömmigkeit ist in diesem Kloster gewiss weiter gefestigt worden. Diese wirkte fort in dem Politiker und Staatsmann. In seinem „Rhöndorfer Programm“ von 1946 heißt es an erster Stelle: „Die Grundsätze christlicher Ethik und Kultur, wahre Demokratie müssen das staatliche Leben tragen und erfüllen.“
An all das erinnert diese vor allem auf Lektüre setzende Ausstellung im Kulturforum des Klosters. Anlass dafür ist die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, die Einführung des Grundgesetzes und der Beginn der Kanzlerschaft von Adenauer vor 70 Jahren. Begibt man sich nach dem Rundgang ins Foyer, hält uns eine Benedikt-Statue noch eine schriftliche Empfehlung hin: „Höre und kehr’ zurück.“
ZUR AUSSTELLUNG
„Glaube und Politik – Konrad Adenauer und die Abtei Maria Laach“, Klosterforum der Benediktinerabtei Maria Laach, Di.-Sa. 10-17 Uhr, So.-Mo. 13-17 Uhr, bis 13. Oktober. Eintritt frei. Im Rahmen der Ausstellung sprechen Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker am 2. September um 19 Uhr und der Enkel Konrad Adenauer am 18. September um 20 Uhr, jeweils im Klosterforum bei freiem Eintritt. (M. Oe)