Was Fasten mit dem Körper macht und wie auch Menschen mit weniger Geld zu einem gesünderen Lebensstil kommen können, darüber spricht Dr. Verena Buchinger-Kähler im Interview.
Neue Chefärztin der Buchinger Wilhelmi Klinik„Mit langem Fasten können wir einen Hausputz machen“

Dr. Verena Buchinger-Kähler
Copyright: Buchinger Wilhelmi
Frau Buchinger-Kähler, wann hilft es zu fasten und wann sollte man es besser sein lassen?
Bei körperlichen Problemen wie Übergewicht, zu hohem Blutdruck, Diabetes Typ 2 und Arthrose zum Beispiel, generell bei chronischen Erkrankungen, hilft Heilfasten sehr gut. Aber auch bei psychischen Erkrankungen wie dem Burnout oder einer Erschöpfungsdepression kann Fasten eingesetzt werden. Nicht gefastet werden sollte in der Schwangerschaft und Stillzeit, bei Diabetes Typ 1, dem insulinpflichtigen Diabetes, bei Essstörungen, schwerer Demenz und bei schweren Erkrankungen der Leber, der Nieren oder des Herzens.
Sie sprechen von Heilfasten und Fasten. Wo liegt der Unterschied?
Das heilende Fasten wird von einem Arzt begleitet. Es ist ein intensiver, medizinisch geführter und längerer Prozess. Das Fasten allein kann auch zuhause erfolgen und findet nicht unter der Supervision eines Arztes statt.
Ist Fasten zuhause nicht ausreichend?
Es kommt darauf an, welches Ziel man hat. Ich erlebe immer wieder, dass die Menschen bei uns in der Klinik zu einer gewissen Klarheit über ihren aktuellen Lebensstil kommen: Warum sitze ich am Ende des Tages immer mit der Chipstüte vor dem Fernseher? Warum ende ich ständig in Partnerschaften, die mir nicht guttun? Zuhause im Alltag kann man nicht so viel darüber nachdenken. In der Klinik schon – dort gibt man die Verantwortung ab, muss keiner Rolle gerecht werden, zum Beispiel als Elternteil oder Geschäftsführer, sondern kann einfach aufatmen und zu sich kommen. Wir sehen diesen seelischen Aspekt als entscheidend für einen langfristigen Erfolg dabei, den eigenen Lebensstil zu ändern und Selbstfürsorge in den Alltag zu integrieren.
Ein Aufenthalt in Ihrer Klinik ist aber teuer. Wie gelangen auch Menschen mit weniger Geld wieder zu einem gesünderen Lebensstil?
Wir nehmen auch Gäste auf, die ihren Aufenthalt über die gesetzliche Krankenkasse abrechnen. Ansonsten kann ich empfehlen, mit Essenspausen anzufangen. Wenn wir uns auf die bewussten Mahlzeiten begrenzen, anstatt ständig zu naschen, ist schon viel getan. Andernfalls ist der Hunger nach zwei Stunden wieder da, weil wir in eine Art Insulin-Resistenz-Falle geraten. Und denken Sie über die Kosten nach, die wegen ärztlichen Behandlungen entstehen können: wenn wir zum Beispiel wegen Arthrose ein neues Knie brauchen. Auch in ein Auto investieren wir viel Geld, und zwar oft nicht nur einmal im Leben. Aber unsere Gesundheit ist unwiederbringlich. Körper und Seele gibt es nur einmal, deswegen sollten wir uns auch um sie kümmern.
Wie genau hilft das Fasten dem Körper?
Wenn wir länger als 14 oder 15 Stunden nichts essen, springt langsam ein Reinigungsprozess im Körper an. Dabei werden nicht mehr funktionierende Zellorganellen abgebaut und Stoffe ausgeschieden, die uns nicht guttun. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen jeden Tag ein, packen diese Sachen immer vorne ins Kühlschrankfach und nehmen auch nur von dort wieder etwas heraus. Dann wird es hinten im Kühlschrank irgendwann gammeln. Genau das passiert in unseren Zellen, wenn wir ständig naschen. Mit langem Fasten können wir einen richtigen Hausputz machen.