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Neue Intendanz am Schauspiel KölnWarum Stefan Charles lieber im Geheimen suchen will

Lesezeit 4 Minuten
Der neue Kölner Kulturdezernent Stefan Charles stellt sich 2021 im Gespräch im Neven DuMont Haus vor.

Kölns Kulturdezernent Stefan Charles

Das Schauspiel Köln sucht eine neue Intendanz. Dringend. Schauspieler, Politiker und Theatermacher fordern Transparenz. Aber der Kulturdezernent will die Mitglieder der Findungskommission nicht nennen.

Das Schauspiel Köln braucht eine neue Intendanz. Stefan Bachmann, der das Stadttheater seit 2013 leitete, wechselt ans Wiener Burgtheater. Und zwar schon 2024. Die Zeit drängt also. Aber doch nicht so, dass man auf einen transparenten Findungsprozess verzichten müsste? Der Verein für darstellende Künste Köln hatte im Schauspiel Köln zur Diskussion geladen.

Das Podium war, so Moderatorin Dorothea Marcus, dicht gedrängt. Aber trotzdem übersichtlich: Von der einen Seite kamen die Forderungen nach mehr Offenheit, mehr Diversität, mehr Demokratie. Auf der anderen Seite verteidigte Stefan Charles, seit 2021 Kölner Kulturdezernent, sein Vorgehen.

Kölns letzte Intendantenwahl als Worst-Case-Beispiel

Immerhin hatte er sich der Diskussion gestellt. Denn dass sich ein neuer Intendant oder eine neue Intendantin oder auch eine kollektive Leitung nicht einfach aus dem Hut zaubern lässt, weiß er im Moment vielleicht am besten. Was dann passieren kann, hat man in Köln 2019 erlebt, als die damalige Kulturdezernentin einen designierten Intendanten präsentierte, der allgemein als ungeeignet empfunden wurde. Schuld war nicht der Kandidat, der nach den heftigen Protesten absagte, die Blamage lag allein bei der Stadt. „2019 war das Worst-Case-Beispiel“, schätzte Daniel Grünauer vom Ensemble-Netzwerk, einer Interessenvertretung der künstlerischen Mitarbeitenden an deutschen Theatern. Nun, so Grünauer, wünsche er Köln den Mut, neue, transparentere Wege zu gehen.

Ein Wunsch, der schnell konkret werden sollte: Als Stefan Charles ausführte, wie „unglaublich komplex“ die Situation sei, in der man einen etablierten Platz neu beleben müsse – zur Spielzeit 24/25 soll das Schauspiel wieder an den Offenbachplatz ziehen – und gleichzeitig das Mülheimer Depot halten wolle, wurde er von Bassam Ghazi zur Eile angetrieben. Ghazi leitet heute das Stadtkollektiv, die Bürgerbühne des Düsseldorfer Schauspielhauses, zuvor stand er dem Import Export Kollektiv am Schauspiel Köln vor. Wo die Suche denn nun konkret stehe, wollte er wissen.

Der Pool, aus dem man fischen kann, sei klein, sagt Stefan Charles

„Im Moment versuchen wir die Leute anzusprechen“, antwortete Charles, „die sich für Köln begeistern können.“ Der Pool, in dem man fische, sei klein. Es sei zum Beispiel ganz schwierig, eine Frau zu finden. Allgemeiner Unmut im Publikum, Zwischenruf von Ghazi: „Das ist doch nicht wahr!“ Er wisse, parierte Charles, wie viele sich auf die Ausschreibung gemeldet haben, er könne das widerlegen.

Das wollte nun wiederum Thomas Schmidt nicht gelten lassen. Der Theaterwissenschaftler, Autor einer umfänglichen Studie zu Macht und Missbrauch im Theater, war aus Frankfurt zugeschaltet. Eine möglichst divers besetzte Findungskommission müsse, anders als in Köln, vor der Ausschreibung der Stelle tagen. Alles andere sei Fake, ein abgekartetes Spiel. Undemokratisch.

Aber es gebe ja eine Findungskommission, beeilte sich Charles zu sagen. „Demokratie besteht aus Regeln und wir bewegen uns innerhalb dieser Vorgaben. Wir können Regeln, die die Gesellschaft sich gegeben hat, nicht plötzlich als undemokratisch bezeichnen.“ Zu Schmidts Nachfrage, wer sich denn in der Findungskommission befinde, hielt sich der Kulturdezernent allerdings bedeckt: „Die Teilnehmer möchten aus Personenschutzgründen nicht genannt werden.“ Die Reaktion des Theaterwissenschaftlers: „Das ist doch lächerlich!“

Bassam Ghazi fordert Experten auf, sich freiwillig zu outen

Daniel Grünauer gab zu bedenken, dass ein offen durchgeführter Prozess zwar anstrengend sei, dem Votum aber „eine wahnsinnige Legitimation“ gäbe. Und Bassam Ghazi forderte die Experten und Expertinnen der Findungskommission kurzerhand auf, sich freiwillig zu outen: „Leute, die in eine Findungskommission wollen, sollten bereit dazu sein, sich der Öffentlichkeit zu stellen.“

Das blieb der Kernpunkt der Diskussion. Stefan Charles hörte sich aufmerksam die Forderungen nach Beteiligung an. Schauspieler Alexander Angeletta wünschte sich eine Perspektive für das vom Hin und Her der Zeitpläne gebeutelte Ensemble bis 2026. „Wir möchten den Start am Offenbachplatz mitgestalten.“ Brigitta von Bülow, kulturpolitische Sprecherin der Kölner Grünen, ärgerte sich über die fehlende Beteiligung der Fraktionen am Findungsprozess. Regisseurin Andrea Bleikamp vom Verein für darstellende Künste, fordert, die Intendanz so zu besetzen, dass die starke freie Szene Kölns mitbedacht wird. Und Charles versprach, alle diese Perspektiven – vor allem die Forderungen des Ensembles – mitzunehmen. In die geheime Findungskommission.

Was Thomas Schmidt, nun schon ein wenig hämisch, kommentierte: „Ich habe das Gefühl, dass sie uns alle ein bisschen einseifen. Da gibt es eine Gruppe von Leuten, die nicht genannt werden wollen und mit denen suchen sie dann den Intendanten. Das hört sich nach katholischer Kirche an.“ Dort würden ja auch Kardinäle stets eine Person wählen, die zwar auf ihrem Level spielt, aber niemals die Erfahrungen einer jüngeren Generation durchgemacht hat. Der Kölner Prozess stelle, nach guten Erfahrungen etwa in Wuppertal, Krefeld und Aachen, einen Rückschritt dar.

Doch in diesem Punkt gab sich Stefan Charles hartleibig. Über Themen wolle er jederzeit sprechen, gerne auch noch einmal in dieser Runde, über Personen jedoch nicht. Und auch nicht über den Vorschlag eines Interims aus den Reihen des Schauspiels. Man will am Offenbachplatz mit einem neuen, möglichst glanzvollen Namen eröffnen. Nach der Diskussion blieb die ernüchternde Erkenntnis, dass es am Ende wohl wieder ein Mann wird.