Der Posaunist Nils Wogram und sein Jazz-Quartett Root 70 kommen zum Jubiläumskonzert mit Gästen ins Loft.
Jazz-Quartett wird 25Nils Wogram kommt mit Root 70 ins Kölner Loft

Nils Wogram
Copyright: Gerhard Richter
Es ist ein stolzes Jubiläum und für eine Working Band im Jazz keine Selbstverständlichkeit: Seit einem Vierteljahrhundert gibt es nunmehr das grandiose Quartett Root 70, das Posaunist Nils Wogram zu Beginn des Jahrtausends gemeinsam mit Saxofonist Hayden Chisholm, Kontrabassist Matt Penman und Schlagzeuger Jochen Rückert in Köln gründete.
Damals waren sie Studenten an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, allesamt geboren in den 1970er-Jahren, was ein Stück weit den Band-Namen erklärt. Doch die Wurzeln reichen noch tiefer: Inzwischen längst eine der innovativsten Jazz-Ensembles in Europa, tauchte Root 70 von Beginn an tief in die traditionelle Harmoniewelt des Jazz ein, ohne dass daraus ein Widerspruch entstünde.
Bis heute fasziniert Root 70 dank nie nachlassender Spielfreude, virtuoser Aneignung von Stil- und Spielformen, ebenso dank seiner Offenheit für Wandel. Konsequent verzichtet das Quartett auf das Harmonieinstrument Klavier, und doch spürt man in jeder komplexen, gleichwohl eingängigen, mal groovenden, mal balladesken Tonfolge die Seele dieser Musik: Klänge voller Wärme und Einfühlungsvermögen.
Nils Wograms Root 70 macht „klassisch zeitlose Musik“
Tradition versteht Nils Wogram durchaus als konstitutiven Teil seiner Musik: „Root 70 ist eine Jazz-Band mit klassisch zeitloser Musik. Unsere Instrumente klingen, wie sie klingen, und doch können wir innerhalb des Gegebenen stets unseren eigenen Stil entfalten, ohne zwanghaft dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Nicht weniger wichtig ist mir die Haltung zur Musik, die glaubwürdig, zeitlos und doch lebendig sein muss, nie aber altbacken sein darf. Das ist die Herausforderung: dass man nie abschaltet, sondern immer neu ins Risiko geht. So bleibt es spannend, und so bleiben wir als Band authentisch.“
Es ist ja aktuell ein zentrales Problem, dass sich die Leute voneinander wegbewegen, während die Aufgabe der Musik das genau Gegenteil ist
Die aktuelle Jubiläumstour führte Root 70 bereits nach Berlin, Zürich, Karlsruhe und Eupen, nun steht in Köln das Loft auf dem Programm, jener Ort, in dem das Quartett von Beginn an seine zweite Heimat fand. „Bislang läuft es sehr, sehr gut“, freut sich Wogram, „wir haben ein tolles Publikum, alle sind gut drauf. Vielleicht ist das ja unser Mini-Mini-Beitrag zur mentalen Befindlichkeit, dass wir die Menschen zusammen statt auseinander bringen. Es ist ja aktuell ein zentrales Problem, dass sich die Leute voneinander wegbewegen, während die Aufgabe der Musik das genau Gegenteil ist.“
Premiere von Root 70 im Jahr 2000
Seine öffentliche Premiere erlebte Root 70 im Juni 2000 auf dem Jazzfestival in Moers. Die sich im Herbst anschließende Tournee startete im ausverkauften Loft, das auf seinem hauseigenen Label 2ndFLOOR Edition auch die erste CD der Band veröffentlichte. Darauf enthaltene Stücke wie „Faces of the Blues“ oder „Deep and Warm“ wurden moderne Jazz-Klassiker und haben nichts von ihrer Kraft und Energie eingebüßt.
Das ebenfalls enthaltene Stück „Sushi High“ kehrt nun ins aktuelle Programm zurück, ebenso Stücke aus anderen CDs, etwa „Lunch Break“ vom dritten Album mit dem schönen Titel „Fahrvergnügen“. Wogram: „Alles ganz schön lange her, dass wir das gespielt haben, aber es ist schön zu erleben, wie sich daraus immer noch neue Impulse ergeben und sich für die Band viele Möglichkeiten eröffnen.“

Root 70
Copyright: Telemach Wiesinger
Die über Jahrzehnte gewachsene Verbundenheit mit dem Loft hat Nils Wogram dazu veranlasst, die Band um einige Gäste zu erweitern. „Das haben wir uns für den festlichen Anlass gegönnt. Alles, was jetzt im Loft passiert, findet exklusiv nur in Köln statt: mit Gästen, einer kleinen Ausstellung, Tombola und Glücksrad, das wird schon etwas Besonderes.“
Wie im Konzert im letztjährigen Winter im Stadtgarten verdoppeln sich die Bläser durch Posaunistin Shannon Barnett und Saxofonistin Theresia Philipp. Ebenfalls dabei ist die junge Schauspielerin Nellie Hächler, die für zwei Stücke Texte von Robert Walser rezitiert. „Ich hatte für unser Album ‚Listen to Your Woman‘ Auszüge aus Walsers erstem Roman ‚Geschwister Tanner‘ vertont, die Hayden Chisholm auf Englisch vorgetragen hat. Ich fand es eine schöne Idee, dass Nellie die Texte jetzt im deutschen Original einbringt, wobei die Musik dann erneut die Brücke ist.“
Perfekte Balance aus Improvisation und Komposition
Einige Root-70-Alben basieren auf musikthematischen Narrativen und erschaffen daraus intensive Stimmungen, die nie einengen, vielmehr Steilvorlagen für brillant genutzte Freiräume sind. So basiert „Listen to Your Woman“ auf komplex adaptierten Blues-Strukturen, auf „Root 70 on 52nd 1/4 Street“ fliegen die Noten sozusagen mikrotonal durch den hochverdichteten Klangraum, für „Riomar“ erweiterte sich Root 70 um die Geigerin Gerdur Gunnarsdottir, den Cellisten Adrian Brendel sowie den Bratschisten Garreth Lubbe. Wogram setzte sie nicht als bloße Streichergruppe ein, sondern als improvisierende Protagonisten, die das Quartett erzählerisch ergänzen.
Garreth Lubbe ist nun auch im Loft dabei. Wogram: „Wir werden keine Stücke von ‚Riomar‘ spielen, dafür bräuchte man das volle Streicher-Ensemble. Gareth Lubbe ist aber auch darüber hinaus für uns wichtig. Auch er war an der Kölner Musikhochschule, seitdem sind wir menschlich miteinander verbunden. Jetzt habe ich zwei Root-70-Stücke so arrangiert, dass er sowohl mit seinem Oberton-Gesang als auch mit seiner Bratsche einsteigen kann.“
Ansonsten folgen Nils Wogram, Hayden Chisholm, Matt Penman und Jochen Rückert dem Titel ihres aktuellen Albums „The Pristine Sound of Root 70“: dem „unverfälschten Klang“, der nach 25 Jahren so frisch und authentisch klingt wie am ersten Tag. Im Spannungsfeld von individueller Klasse und gruppendynamischer Einheit findet Root 70 perfekt die Balance aus Improvisation und Komposition, Herz und Verstand. Und bei allen Bezügen auf die Jazz-Tradition schöpft die Band inzwischen Energien auch aus dem eigenen Repertoire, quasi um die Zukunft zu erproben. „Rehearsing the Future“ heißt denn auch ein weiterer, wunderbarer Titel von Root 70.
25 years pristine sound of Root 70 | Das Jubiläumskonzert. Loft, 12.4., 20 Uhr.