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NS-Zeit in KölnDer erfolglose Kampf der Arbeiterbewegung

Lesezeit 4 Minuten
Nazi besetzen das Kölner Rathaus am 13. Mär 1933.

Nazi besetzen das Kölner Rathaus am 13. Mär 1933. Martin Rüther beschäftigt sich in seinem Band damit, welchen Widerstand es gegen das Regime in der Stadt gab und wie er aussah.

Historiker Martin Rüther setzt sich im ersten Buch einer fünfbändigen Reihe zu „Widerstand und Verweigerung in Köln“ mit der Arbeiterbewegung auseinander.

Karl Zimmermann ist zum Äußersten entschlossen. „Du stellst dich deiner Überzeugung voll und ganz zur Verfügung trotz drohendem Gefängnis und Verfolgung“, schreibt er in seinen Aufzeichnungen vom 31. Mai auf den 1. Juni 1933. „Du gehst nicht ins Ausland. Opfer müssen gebracht werden von allen, auch von dir.“ Hinter dem 25-Jährigen liegt ein Treffen mit der Kölner SPD-Spitze in Saarbrücken. Georg, Emil, Wilhelm, Heinz und Robert, wie Zimmermann seine Gesprächspartner nennt, sind im März 1933 in das heutige Saarland geflohen. Das Gebiet steht unter französischer Verwaltung, und die Führungsgruppe der Kölner Arbeiterbewegung ist dort sicher vor den Repressalien der Nationalsozialisten.

Stundenlang, das legen Zimmermanns Aufzeichnungen nahe, diskutieren die Männer über den richtigen Weg, sich den neuen Machthabern entgegenzustellen. Soll man aus dem Ausland agieren und Propagandamaterial über die Grenzen nach Deutschland schmuggeln, eine Form des Widerstands, die der Exilvorstand der SPD in Prag favorisiert? Oder ist der Faschismus nur von innen „mit bewaffneter Gewalt, vielleicht in Strömen von Blut“ zu besiegen?

Das Dilemma der Sozialdemokraten

„Die Jungen wollten Mut und Flagge zeigen, aber die Alten waren dazu nicht bereit“, fasst Martin Rüther das Dilemma der Sozialdemokraten zusammen. Der Kölner Historiker und langjährige Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln hat sich viele Jahre mit dem Thema Widerstand befasst. Jetzt hat er im EL-DE-Haus im Gespräch mit Stefan Müller vom Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung sein Buch „Sozialdemokraten, Sozialisten, Gewerkschafter – Arbeiterbewegung und Widerstand in Köln 1933-1938“ vorgestellt. Die umfangreiche Aufarbeitung eines fünfjährigen und weitgehend erfolglosen Kampfes der Arbeiterbewegung gegen das NS-Regime ist Thema des ersten Bandes einer fünfbändigen Reihe „Widerstand und Verweigerung in Köln“. Der zweite Band über kommunistische Gegnerschaft mit Beiträgen des 2021 verstorbenen Kölner Historikers Ulrich Eumann soll im kommenden Jahr erscheinen.

Hervorgegangen ist die Buchreihe aus einem Forschungsprojekt des NS-Dokumentationszentrums, das 2007 seinen Anfang nahm. Geplant waren zunächst eine Einzelpublikation und eine Ausstellung über Widerstand in Köln im EL-DE-Haus. Im Laufe mehrere Jahre wurde das Thema ausgeweitet und neu formuliert. Ziel sei „eine umfangreichere wissenschaftliche Publikation über Selbstbehauptung, Protest und Widerstand in Köln in der Zeit des Nationalsozialismus“, hieß es 2019. Die Reihe habe keine gemeinsame Begriffsdefinition von Widerstand, betonte denn auch der Direktor des NS-Dokumentationszentrums, Hennig Borggräfe. Vielmehr liege dem Projekt ein breit angelegter Untersuchungsrahmen zugrunde.

Linke Splittergruppen waren besser auf den Regimewechsel vorbereitet

Das Kölner NS-Dokumentationszentrum betritt mit seiner anspruchsvollen Buchreihe Neuland. Bis heute spielt das Thema Widerstand in der regionalen wie auch der überregionalen Geschichtsforschung eine eher untergeordnete Rolle. Zwar initiierte das Historische Archiv bereits 1974 eine vielbeachtete Ausstellung zum Thema „Widerstand und Verfolgung in Köln 1933-1945“, doch seitdem ist nicht mehr viel passiert. Damals habe man sich auf Willi Schirrmacher, Hein Hamacher und Franz Bott konzentriert, prominente Vertreter des sozialdemokratischen Widerstands, die 1934 aktiv gewesen seien. „Doch es gab wesentlich mehr an Widerstand, und es gab ihn schon im Jahr 1933“, betont Martin Rüther. Beispielsweise in der Person des Karl Zimmermann, der in der Nacht zum 1. Mai 1933 „zum Widerstandskämpfer wurde“.

Während die Sozialdemokraten von der Machtübernahme der Nationalsozialisten regelrecht überrollt worden seien, sei man in den sogenannten Zwischengruppen, also den linken Splittergruppen, wesentlich besser auf den Regimewechsel und seine Folgen vorbereitet gewesen. „Sie fingen bereits 1932 an, ihre Politik auf Widerstand umzustellen“ – ein „bunter, privat und politisch ungebundener Haufen“ mit dem Ziel, „eine Einheitsfront gegen das Regime zu schaffen“. In Köln gehörte beispielsweise der 1907 geborene spätere Literaturwissenschaftler Hans Mayer zu einem Kreis politisch interessierter Studenten, die sich gegen die Regierung positionierten.

1938 endet der Widerstand der Arbeiterbewegung gegen das NS-Regime. Doch schon vorher seien die Voraussetzungen dafür schlecht gewesen, sagt Martin Rüther. „Man darf nicht vergessen, dass spätestens seit der Reichstagswahl im März 1933 in Deutschland Angst und Schrecken herrschten.“


Martin Rüther: „Sozialdemokraten, Sozialisten, Gewerkschafter - Arbeiterbewegung und Widerstand in Köln 1933-1938“, Metropol, 454 Seiten, 26 Euro