„SchlefaZ - Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ geht bei RTL Nitro in eine zweite Staffel. Ein Gespräch über die Schönheit des Scheiterns und angemessene Kritik.
Oliver Kalkofe und Peter Rütten„Wir machen wirklich aus Scheiße Gold“

SchleFaZ - Die schlechtesten Filme aller Zeiten
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Herr Rütten, Herr Kalkofe. In „SchleFaZ“ beschäftigen Sie sich schon seit 2013 mit schlechten Filmen, sowohl in Ihrer Sendung als auch in Live-Shows. Wie haben Sie sich über so viele Jahre Ihre Begeisterungsfähigkeit bewahrt?
Peter Rütten: Es ist tatsächlich ein sehr reizvolles Spannungsfeld zwischen Leidensdruck, den man empfindet, bevor man so einen Film bearbeitet, und der Erlösung, wenn wir die Wirkung unserer Bearbeitung sehen. Und live ist es eine große Belohnung, dieses Gemeinschaftserlebnis zu haben. Die Begeisterung ist nicht geheuchelt. Für uns ist das immer noch frisch, authentisch, einfach schön.
Oliver Kalkofe: Man beschäftigt sich ja wirklich sehr intensiv mit jedem Film, aber es ist ein Phänomen: Je mehr Filme man bearbeitet hat, desto schneller ist der einzelne wieder vergessen. Deshalb macht mir jeder Film fast wieder so viel Spaß wie beim ersten Mal.
Rütten: Das misslungene Kunstwerk an sich hat immer wieder seine Kraft.
Kalkofe: „SchleFaZ“ ist eigentlich eine pädagogische Veranstaltung. Man lernt was. Wenn sich tausend Leute einen schlechten Film allein angucken, wären 95 Prozent davon genervt und gelangweilt. Wir nehmen den Film und machen daraus ein Event, bei dem man mit unseren Moderationen quasi zweieinhalb Stunden hysterisch durchlachen kann. Das ist doch Zauberei. Wir machen wirklich aus Scheiße Gold.
Rütten: Es ist eigentlich Alchemie.
Woher kommt denn Ihre ungebrochene Begeisterung fürs Scheitern?
Rütten: Hinter den Biografien von Regisseuren und Darstellern, die solche Filme mit sehr viel Herzblut gemacht haben, lauert eine große Tragikomik. Die Fallhöhe zwischen seriösem Eigenanspruch, vielleicht auch hohem wirtschaftlichen Druck und dem Ergebnis ist enorm. Wir entdecken die Schönheit innerhalb des Leidensdrucks. Für mich liegt sie in den Filmen, die viel wollten und mit sehr beschränktem Budget und sehr beschränktem handwerklichen Vermögen eine Vision hatten, die man dann abbrennen sieht. Das ist nicht gehässig, sondern tragikomisch.
Kalkofe: Wir fassen es immer zusammen unter: Gewollt, aber nicht gekonnt. Mit Herzblut an die Wand gefahren. Tolle Sachen kuratieren ist etwas für Feiglinge. Sich am Schönen laben kann jeder. Das ist keine Herausforderung. Aber aus etwas Schlechtem etwas Schönes zu machen, ist Kunst. Das ist eine Art Recycling, wir sind die Grüne Tonne der Medienwelt. Wir lassen auf einem Haufen Dung Blumen sprießen. Scheitern gehört doch zum Leben. Wir erleben jeden Tag, dass Sachen nicht funktionieren. Das zu würdigen, ist viel wichtiger, als immer nur die Sieger zu feiern.
Sich am Schönen laben kann jeder. Das ist keine Herausforderung. Aber aus etwas Schlechtem etwas Schönes zu machen, ist Kunst
Rütten: Wir kümmern uns um die verlorenen Kinder einer kulturellen Bemühung.
Kalkofe: Wir finden die Schönheit im Scheitern. Wir leben ja in einer Welt, in der alle immer so tun, als sei alles perfekt. Wo ich bin, scheint die Sonne. Aber wir leben in einer Fake-Welt. Wir zeigen, dass wir alle nicht perfekt sind. Deshalb haben wir auch so viele treue Fans.
Haben Sie nach so vielen Folgen ein Muster gefunden, was zusammenkommen muss, damit ein Film so richtig scheitert? Es ist doch auch nicht immer nur das Geld, oder?
Kalkofe: Nein, auf keinen Fall. Das ist eben das Spannende. Es gibt nicht immer nur den einen Faktor. Es kann das Buch sein, es können die Schauspieler sein, es kann die Regie sein oder das Kostüm. Meistens ist es aber alles zusammen.
Rütten: Es greift oft eine fachspezifische Idiotie. Man hat zum Beispiel eine besonders spektakuläre Special-Effects-Abteilung. Das ist eine schöne Sache, wenn du in der Geschichte wirkungsvolle Effekte zur entsprechenden Zeit einsetzen möchtest. Wenn sich um diese Spezialfähigkeit aber alles rankt und alles andere zweitrangig wird, gibt es am Ende keine gute Geschichte, sondern nur eine Aneinanderreihung von fantastischen Effekten.
Kalkofe: Wenn es niemanden gibt, der die Dinge zusammenführt und hinterfragt, geht es in die Hose. Und wenn dir dann nur das B- oder C-Team zur Verfügung steht, das zwar Ahnung hat, aber auch nicht aus Topexperten besteht, ist das Scheitern umso größer. Man sagt sich dann ständig, das wird schon. Ich habe das beim Film und beim Fernsehen selbst oft genug mitgemacht.
Rütten: Die Mutter des Schreckens ist meistens das Drehbuch. Wenn das, was du zeigen willst, keinem Zweck folgt, löst das nichts aus. Und wenn man dann wie RTL bei „Haialarm auf Mallorca“ glaubt, es sei eine gute Idee, Ralf Möller die Hauptrolle zu geben, entstehen diese blinden Flecken. Diese Unfälle zu protokollieren, ist immer noch reizvoll.
Wir leben in einer Welt, in der sehr schnell geurteilt wird, gerade bei Social Media. Wie gehen Sie mit der Verantwortung um, Menschen, die vielleicht wirklich etwas mit Herzblut gemacht haben, nicht zu vernichten?
Rütten: Die Verantwortung dafür, wen ich da unter Umständen lächerlich mache, habe ich eigentlich schon als Headwriter in der „Harald Schmidt Show“ empfunden. Man muss sich der Langzeitwirkung bestimmter Gehässigkeiten bewusst sein. Aber wer mit einem Produkt, einer Rolle, einer Moderation oder am besten einer Homestory sein Gesicht in der Öffentlichkeit zeigt, weiß ja auch, dass andere das unter Umständen nicht ganz so toll finden. Bloß den Reflex, den es heute gibt, gab es damals noch nicht. Das ist der Social-Media-Fluch: Keiner will Verantwortung mehr für die eigene Meinung übernehmen. Das finde ich hässlich und verdammenswert. Ich fand es immer schon scheiße, wenn Bullies auf Schwächeren rumgekloppt haben. Wir haben uns mit Social Media dafür eine Zuchtanstalt hergestellt. Aber unser Satire-Verständnis unterscheidet sich davon auf atemberaubend signifikante Weise.
Das ist der Social-Media-Fluch: Keiner will Verantwortung mehr für die eigene Meinung übernehmen
Wie denn?
Kalkofe: Es gibt einen Unterschied, ob du einfach nur über jemanden lachst oder ob du dich auch satirisch oder ironisch damit auseinandersetzt. Man wird ja heute bei Social Media bepöbelt für Dinge, wo klar ist, die Leute haben das gar nicht gesehen. Wir sagen: Lass uns doch gemeinsam darüber lachen, was schiefgelaufen ist. Aber das ist kein Auslachen. Lachen ist nicht immer gleich, es ist nicht immer Häme und auch nicht immer bösartig.
Rütten: Lachen ist ein Reflex. Wir lachen, weil wir überrascht werden von einem Zusammenhang, der keinen Sinn macht. Das ist etwas anders als dieses Kabarettlachen in der Kleinkunst, wo das Publikum die Überlegenheit des Wissenden mit dem Kabarettisten teilt. Lachen hat immer einen innewohnenden moralischen Kompass. Diese Pöbeleien im Netz sind eine Folge von mangelnder Kinderstube und einer unfassbaren Verwahrlosung des Gehirns. Das ist Dummheit.
Kalkofe: Wir nehmen uns mit rein, wir lachen mit. Wir sind nicht die allwissenden Kritiker. Wir machen uns gemein mit denen, über die wir lachen. Daraus entsteht im Grunde die größte Form von Ehrung, die diese Menschen jemals für ihren Film erfahren haben. Man muss nicht immer nur auf einem Podest einen goldenen Pokal überreichen. Man kann auch sagen, was schiefgelaufen ist und trotzdem sagen, ich liebe den Film. Es geht immer um Emotionen.
Wie wichtig ist es, immer auch im Blick zu behalten, dass sich das Humorverständnis gewandelt hat?
Kalkofe: Genau das versuchen wir ja zu analysieren, zum Beispiel beim Thema Political Correctness. Welche Witze in den 1970er und 1980er Jahren über Hautfarbe, Rasse, Geschlecht oder die Rolle der Frau gemacht wurden, ist schon erstaunlich.
Rütten: Da steht einem der Mund offen. Aber es ist natürlich trotzdem ein sehr reizvolles Stück Trash-Kultur.
Kalkofe: Wir müssen das zeigen, wir müssen den Finger drauflegen und sagen: Das hier galt damals als vollkommen normal, und das ist noch gar nicht so lange her.
Rütten: Wer nur den Kern des Gedankens einer Cancel Culture abnickt, hat allerdings schon verloren. Wenn ich einen Rassisten nicht zitieren kann, kann ich auch Rassismus nicht erklären. Diese Unterscheidung zu schützen, finde ich wahnsinnig wichtig. Cancel Culture ist Irrsinn.
Kalkofe: Cancel Culture ist einfach die große Angst von Redaktionen, etwas falsch zu machen. Da werden dann eben Inhalte aus den Mediatheken gelöscht. Wachheit für diese Themen ist ja etwas Positives, aber wenn sie falsch verstanden wird, man die Vergangenheit verfälscht, und nicht zeigt, wie es wirklich war, wird es ein Problem.
Haben Sie als „alte, weiße Männer“ denn eine Schere im Kopf, welche Witze Sie noch machen können und welche nicht?
Rütten: Tatsächlich nicht. Ich nehme genau das Instrumentarium, das ich immer hatte. Ich habe auch schon Sachen gemacht, wo ich kurz danach dachte, das war jetzt nicht so gut. Selbstkritik gehört dazu, aber ich finde, die gehört in jedem Job dazu.
Kalkofe: Eine Schere im Kopf habe ich nicht. Aber die Welt ist immer im Wandel. Wenn ich mir Sachen von früher anschaue, gibt es viel, wo ich heute sagen würde, das mache ich nicht mehr, entweder weil sich das kollektive Bewusstsein oder mein eigenes geändert hat. Man sollte immer auf seinen eigenen moralischen Kompass achten.
Haben Sie zum Abschluss drei Tipps, wenn man einen richtig schlechten Film machen will?
Kalkofe: Irgendwelche skurrilen Monster sind immer gut. Außerdem sollte man kein fertiges Buch haben, sondern einfach mal anfangen.
Rütten: Kaum Budget und Selbstüberschätzung helfen. Vor allem aber muss man sich natürlich fest vornehmen, einen guten Film zu machen.
Kalkofe: Und dann braucht es noch Geldnot und Schauspieler, die einen kleinen Karriereknick haben. Also Ralf Möller ist immer super.
Oliver Kalkofe und Peter Rütten bringen in „SchleFaz“ schon seit 2013 ihrem Publikum „die schlechtesten Filme aller Zeiten“ nahe, erst bei Tele 5, seit 2024 beim RTL-Kanal Nitro. Gerade hat der Kölner Sender bekannt gegeben, dass es ab September eine neue Staffel geben wird. Darin wird auch die 175. Sendung gefeiert. Kalkofe und Rütten sind zudem mit „Schlefaz“-Liveshows erfolgreich auf Tour, neue Termine sind in Planung.