Der WDR warnt vor diskriminierenden Inhalten in alten Shows von Otto Waalkes oder Harald Schmidt. Manchen Zuschauer treibt das zur Weißglut.
Otto, Schmidt, SchimanskiTriggerwarnungen triggern – aber wir brauchen sie trotzdem
Als „Trigger“ bezeichnet man in der Traumatherapie Reize, die bei bestimmten Personen Erinnerungen an zurückliegende seelische Verletzungen auslösen können. Wer Inhalten, in denen solche Reize vorkommen könnten, sogenannte Triggerwarnungen voranstellt, will den Betroffenen mögliche Retraumatisierungen ersparen. Steht zum Beispiel im Germanistikkurs ein Roman auf der Leseliste, in dem eine Vergewaltigung geschildert wird, liegt der Gedanke doch nahe, dass nicht alle Studierenden die entsprechende Passage mit nüchternem Forscherblick lesen werden, egal wie stilistisch gelungen oder inhaltlich notwendig sie sein mag.
Gegen solche Warnungen gibt es zunächst einmal nichts zu sagen. Sie fällen weder ein ästhetisches Urteil, noch ein moralisches. Es geht auch gar nicht um das Ziel, nur noch möglichst triggerfreie Inhalte zu behandeln, oder, wie zuletzt im Falle des WDR, zu versenden.
Der öffentlich-rechtliche Sender hatte alte Shows von Otto Waalkes und „Schmidteinander“-Folgen mit Harald Schmidt und Herbert Feuerstein mit eben solchen Triggerwarnungen versehen: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.“ Eine ähnliche Warnung findet man auch vor „Tatort“-Folgen mit Götz George als fluchenden und prügelnden Kommissar Horst Schimanski.
Darüber hast Du gelacht? Schäm Dich, Rassist!
Soll niemand behaupten, die gäbe es nicht, die diskriminierenden Passagen. Beziehungsweise, dass andere Zuschauer manche Passagen als diskriminierend empfinden könnten, auch wenn die genannten Programme vergleichsweise harmlos sind. Es sind Zeitdokumente und selbstverständlich guckt man 30, 40 Jahre später als Teil einer veränderten Gesellschaft darauf. Manche leugnen freilich diesen gesellschaftlichen Wandel, beziehungsweise begreifen ihn als persönlichen Affront: Darüber hast Du gelacht? Schäm Dich, Rassist! Diese doch eher vorsichtig und vage formulierten Triggerwarnungen treiben sie zur Weißglut. Für sie sind Triggerwarnungen der Trigger.
Nun haben Psychologen festgestellt, dass auch im Falle von real Traumatisierten Triggerwarnungen ein Problem sein können. Stellen Sie sich vor, Sie litten unter Arachnophobie und müssten in den Keller gehen. Die Triggerwarnung „Der Keller könnte Spinnen enthalten, die manche als beängstigend empfinden“ würde Ihnen nicht wirklich weiterhelfen. Sie hätte Sie nur in einen permanenten Alarmzustand versetzt.
Wenn meine Teenagertöchter dagegen die Triggerwarnungen der Streamingdienste lesen – die gibt es dort bei jedem Inhalt, da könnte man die Öffentlich-Rechtlichen mit abstrusen Woke-Vorwürfen auch in Frieden lassen – gilt umgekehrt: je mehr, desto besser. Die Aufzählungen wirken auf sie ähnlich verlockend wie einst der Vorhang vorm verbotenen Raum der Videothek auf ihren Vater.
Alle diese Einwände ändern aber nichts daran, dass manchmal Schutzhinweise angebracht sind: Nicht alle Inhalte eignen sich für jeden, Traumata existieren, Jugendschutz auch und manchmal ist es eben auch der Sender selbst, der sich mit zwei kleinen Sätzen durch die beiden feindlichen Lager lavieren muss, zwischen denjenigen, die alles Problematische einfach verbannen möchten und denen, die ungestört in ihren ganz privaten 1980er Jahren leben wollen. Der nächste Satz verdient deshalb eine Triggerwarnung, er enthält eine verstörende Meinung: Der WDR hat alles richtig gemacht.