Performance im NS-DOKIn „Arrest“ wird man zum Augen- und Ohrenzeuge der Nazi-Folter
Die Mauern zum Reden bringen, das gelingt vorbildhaft bei „Arrest“ in den Räumlichkeiten des NS-Dokumentationszentrums Köln. Hier, im ehemaligen Gestapo-Gefängnis am Appellhofplatz, kam es während der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten systematisch zu Folter und brutalen Übergriffen an den Häftlingen. Das Schicksal von drei Frauen in Haft beleuchtet die doku-fiktionale Audio-Performance von und mit Nicola Schubert.
Basierend auf den dokumentarisch belegten Erlebnissen der Häftlinge bekommt das Publikum einen Eindruck vom Leben und Leiden in den engen Zellen des Gefängnisses. Als Gegenentwurf zum Leid der Opfer kommt als vierte Person eine Gestapo-Mitarbeiterin dazu. Ausgestattet mit Kopfhörern folgt man der Performerin Nicola Schubert in die düsteren Untergeschosse des ehemaligen Gefängnisses.
Blitzschnell wechselt Nicola Schubert zwischen den Rollen
Während im Off Informationen zu den einzelnen Frauen zu hören sind und fiktive Dialoge szenisch eingesprochen werden, agiert Nicola Schubert stumm. Blitzschnell wechselt sie im Spiel zwischen den einzelnen Frauenfiguren hin und her. Gerade ist sie noch die diensteifrige Schreibkraft Erna K., die mit beflissener Strenge sich für höhere Aufgaben bei der Gestapo empfehlen will, schon wechselt sie mit nur wenigen Veränderungen in Mimik und Kleidung in die Rolle der ukrainischen Zwangsarbeiterin Marija Klimenko.
Die kämpft, eingepfercht unter menschenunwürdigen Bedingungen, wie die meisten der Häftlinge ums nackte Überleben. Die Kommunistin Johanna Melzer soll unter der Folter Mitstreiter verraten, während die letzte der Gefangenen nicht wirklich wegen Gegnerschaft zum Regime, sondern eher aufgrund eine gewissen Schnoddrigkeit im Umgang mit Autoritäten einsitzt.
Immer wieder wird bei dem gut einstündigen Audio-Walk das Gebäude zum Akteur. Die beklemmende Atmosphäre in den dunklen Gängen, die nahezu lichtlosen Zellen, lassen die Anwesenden hautnah in das Geschehen eintauchen. So wird das Publikum zu Augen- und Ohrenzeugen der historischen Ereignisse. Besonders eindringlich gerät auch die Ortsbegehung im Hinterhof des Gebäudes. Hier wurden in den letzten Kriegsmonaten noch 400 Gefangene am Galgen hingerichtet. Ein Blick in die Höhe des Hofes weist auf zahlreiche Fenster von benachbarten Wohnhäusern. Zeitzeugen gab es also genug, auch wenn nach dem Krieg kaum einer etwas gewusst haben wollte.
Dass die überlebenden Opfer der Gestapohaft in der Nachkriegszeit oft vergeblich um Wiedergutmachung kämpften, während viele der Täter nahezu nahtlos ihre Karrieren in der jungen Bundesrepublik weiter vorantrieben, gehört zu dem ernüchternden Epilog der Performance. Es war dieser fehlende Wille zur schonungslosen Aufarbeitung in der Nachkriegszeit, der nicht zuletzt dazu beitrug, dass der Schoß bis heute fruchtbar bleibt.
Nächste Termine: 17., 18.10., 19 Uhr, NS-DOK, Appellhofplatz