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Philosoph Peter Sloterdijk erklärtWas Dichter von Göttern lernen

Lesezeit 3 Minuten

Figur aus der Kölner Ausstellung „Die Rückkehr der Götter“, ein Thema, mit dem sich Sloterdijk philosophisch beschäftigt.

Köln – Wir leben in einem Zeitalter des unbemerkten Massensterbens der Götter. Höchste Zeit, sagt Peter Sloterdijk, die „Götter-Rückstände“, die uns die aufgeklärte Moderne hinterlassen hat, zu entgiften und die metaphysischen Scheinwerfer wieder einzuschalten. Dabei sollen die schönen Künste helfen, voran die Dichtkunst, die seit Homer die Götter zum Sprechen brachte. Aber was haben die Götter in der Dichtung zu sagen? Und wie können die Dichter die Geister, die sie riefen, notfalls wieder loswerden?

Peter Sloterdijk, den viele für Deutschlands klügsten und berühmtesten Philosophen halten, was nicht unbedingt dasselbe ist, hat sich dieser Fragen in seinem aktuellen Buch „Den Himmel zu Sprechen bringen“ angenommen. Der Titel ist Programm und zugleich Stil-Ansage. Was auch immer man Sloterdijk angekreidet hat, nebelwerfende Argumente, düstere Prophetien, Außenseiterphilosophie ohne den Begleitschutz des Kanons, er ist ein hochbelesener Philosoph, der zugleich populär ist, ein nach seinen eigenen Worten „Mundschenk in den Ideenströmen“.

Peter Sloterdijk 2006

Dank solch blumiger Selbstporträts könnte man ihn fast für einen Dichter halten. Mag sein; zuletzt hat er jedenfalls einfallsreich in seinem E-Mail-Roman „Das Schelling-Projekt“ gegen das Gender-Mainstreaming erzählt. Es ist die Literatur, die ihn nachhaltig fasziniert und inspiriert, gerade auch bei diesem neuen „Himmels“-Projekt. „Den Himmel zum Sprechen bringen“, das zielt nicht auf den Himmel der Astronomen, Astrologen und Theologen, sondern auf die Ideen und die Sprachen, mit denen ihn die Dichter ausstatten.

Das Buch

Peter Sloterdijk: Den Himmel zum Sprechen bringen. Suhrkamp, 26 Euro, 352 Seiten.

Und die haben es in sich. Nehmen wir zum Beispiel eine Erfindung der attischen Bühnenkunst, auf die Sloterdijk im Eingangskapitel eingeht. Die Dramaturgen hatten eingesehen, dass Konflikte zwischen unvereinbaren Positionen manchmal zu groß waren, um sie mit menschlichen Mitteln zu lösen. Also musste ein „Gottschauspieler“ her, der mit einem Kran von oben auf die Bühne einschwebte: der „deus ex machina“ als „Happy-end-Provider“. Mit diesem Verfahren machten die Theaterdichter das Göttliche aber nicht nur sicht- und hörbar. Sie hoben das Machbare und Spielbare auf eine höhere Ebene, auch sprachlich. Die Götter grooven anders.

Sloterdijk argumentiert religionskritisch und dichtungsfreundlich. Für ihn ist der Mythos noch heiß: Wer zu hoch hinaus will auf der Weltflucht nach oben, der versengt sich die Flügel. Der Sturzflug vom Himmel ist das Schicksal von Ikarus. Er durchleuchtet die Stationen dieser Überwelt-Epiphanien von den König-Göttern der Pharaonenzeit über den antiken Vielgötterglauben und die frühen Eingottreligionen bis zu Nietzsche und Kafka und zu einer Religionsfreiheit, die sich nicht in der Freiheit der Konfession erschöpft.

Zur Person

Peter Sloterdijk, geboren am 26. Juni 1947 in Karlsruhe, ist ein Philosoph, der mit seinen Beiträgen und Büchern zahlreiche Debatten in Deutschland ausgelöst hat.

Frei ist die Religion für Sloterdijk neuerdings, wenn sie nicht mehr für Sozialdienste, Weihehilfe, Festkult zuständig ist, sondern Sache von „schöpferischer Kunst und besinnendem Denken“ ist. Die Dichter und, gleich hinter ihnen, die Philosophen teilen mit, was uns der Himmel an Lob oder Tadel zu sagen hat. Nachzulesen durch die Brille der Sloterdijkschen Philosophie gerade auch in der Bibel. Denn Jesus, so Sloterdijk, habe weder einen Dramaturgen noch einen Souffleur gebraucht, der ihm zu sagen gehabt hätte, warum er leide: „Zu seinen Dichtern gehörten die Evangelisten, die seine Geschichte vom Ende her erzählten“.

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