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phil.ColognePrecht und Butterwegge im Rede-Duell über Grundeinkommen

Lesezeit 3 Minuten

Richard David Precht (l.) und Christoph Butterwegge mit Moderatorin Simone Rosa Miller

Es waren offenbar nicht sehr viele Finanzbeamte oder Busfahrer unter den 600 Zuhörern im vollbesetzten Klaus-von-Bismarck-Saal des WDR-Funkhauses. Sonst hätte es mehr Unmutsäußerungen geben müssen, als Richard David Precht davon schwärmte, dass die Digitalisierung diesen und anderen „langweiligen Scheiß-Berufen“ endlich den Garaus bereiten und uns alle von „dämlichen Tätigkeiten befreien“ werde. Ein etwas gemeiner Hieb gegen den Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge, Prechts Gegenspieler auf dem Podium, der sich bemüßigt sah, die Busfahrer in Schutz zu nehmen, die doch einen verantwortungsvollen Job zum Wohl der Allgemeinheit machten.

„Ein uralter linker Menschheitstraum wird endlich wahr“

Wie es bei einem guten und obendrein unterhaltsamen Streitgespräch sein sollte, fühlte sich Precht durch Butterwegges Gegenrede nur noch mehr dazu animiert, seine konträre Auffassung zu bekräftigen: dass es darum gehen müsse, die Menschen vom Joch ungeliebter Arbeit zu erlösen: „Ein uralter linker Menschheitstraum wird endlich wahr.“

Gesteuert von Moderatorin Simone Rosa Miller (Deutschlandfunk) steuerte der Abend so auf seinen Höhepunkt zu, das Duell Precht-Butterwegge in Sachen bedingungsloses Grundeinkommen. Der Philosoph findet es nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, der Armutsforscher lehnt es kategorisch ab. Precht schlägt 1500 Euro für jeden vor. „Alles, was man aufstockt, kann man behalten. Milliardäre können das Geld ja spenden.“ Dieses Gießkannen-Prinzip, kritisierte Butterwegge, sei weder sozial noch bedarfsgerecht. „Das wäre so eine Art Kombilohn für alle und bringt uns nicht weiter, weil es an der Ungleichheit nichts ändern würde.

Den Kernpunkt von Prechts Modell, die hauptsächliche Finanzierung durch eine Transaktionssteuer, fand der Politologe „nicht nur utopisch, sondern illusionistisch“. Im Endeffekt würde es zu einem „Paradies für Unternehmer“ führen, weil Errungenschaften des Sozialstaats wie etwa Kündigungsschutz oder Mindestlohn obsolet würden. Er jedenfalls werde weiter für einen „bedarfsgerechten inklusiven Sozialstaat“ werben. Zwei Diskutanten, die sich beide im linken Spektrum verorten, fanden nicht zusammen.

Weniger kontrovers, aber genauso spannend

Ortswechsel in den Kleinen Sendesaal. Dort ging es weniger kontrovers, aber nicht minder spannend zu. Der Philosoph Reinhard Mehring, seit 2007 Politik-Professor an der PH Heidelberg, referierte über „Konservative Revolution“. Und Joachim Frank, DuMont-Chefkorrespondent, entlockte ihm durch zugespitzte Fragen Anmerkungen im aktuellen Kontext. Das Publikum nahm mit Schmunzeln zur Kenntnis, dass auch Wissenschaftler ab und zu auf Wikipedia zurückgreifen. „Warum nicht?“, meinte Mehring und zitierte: Konservative Revolution sei „ein Sammelbegriff für eine Gruppe ideologischer Strömungen, die sich im Kontext der Weimarer Republik entwickelten, und die sie tragenden Akteure“.

Auf unterschiedliche Weise sympathisierten mit dieser Denkrichtung Ernst Jünger, Carl Schmitt und Oswald Spengler, aber auch Hugo von Hofmannsthal und Thomas Mann. Ausführlich stellte Mehring dar, wie sich insbesondere Mann gegen die schon früh erfolgte ideologische Umdeutung des schillernden Begriffs durch „verbrecherisches Banausentum“ verwahrt habe.

Mehring kritisiert Gaulands NS-Zeit-Aussage

Besonders erfolgreich sei dieser Missbrauch nach 1945 vom Vordenker der Neuen Rechten, Armin Mohler, betrieben worden. Der Schweizer Publizist und Schriftsteller, der einst der Waffen-SS angehörte und später zu den Beratern und Redenschreibern von Franz Josef Strauß gehörte, verfasste ein Standardwerk zum Thema. Mohler habe die „konservative Revolution“ zur Weltanschauung erhoben und ein „ursprünglich liberales Schlagwort zu einem autoritären und antidemokratischen Projekt“ verfälscht.

Mehring stimmte Franks These zu, der Begriff sei im rechten Lager lange Zeit gemieden worden, weil er „kontaminiert und gefährlich“ sei. Umso irritierender fanden es beide, dass CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Terminus ohne jede Scheu benutzt, nachdem er Anfang des Jahres gegen die „68er Revolution linker Eliten“ zu Felde gezogen war. Als „weit furchterregender“ empfand Mehring indes das „abartige und unverantwortliche“ Zitat von AfD-Vormann Alexander Gauland über die NS-Zeit („Vogelschiss“). „Wir brauchen eine massive und offensive Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten“, forderte Mehring.