Wolfgang Beltracchi bei der phil.CologneKann KI es mit diesem Kunstfälscher aufnehmen?

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Wolfgang Beltracchi sitzt auf einem roten Sessel und überkreuztdie Beine. Er trägt ein buntes Hemd und einen Hut. Er hat schulterlange Haare.

Wolfgang Beltracchi bei der phil.cologne

Deutschlands berühmtester Kunstfälscher trat bei der phil.Cologne auf. Er erklärte, was er von Künstlicher Intelligenz hält.

Wolfgang Beltracchis Leben liest sich wie ein Schelmenroman. Mit gefälschten Gemälden im Stile von Max Ernst, Heinrich Campendonk, Louis Marcoussis und vielen anderen narrte er die Kunstszene und wurde reich. Und auch wenn der Schwindel letztlich aufflog und zur Anklage gebracht wurde, hängt wohl noch immer der eine oder andere unentdeckte Beltracchi in Sammlungen und Museen. Betrachtet man die lange Schaffenszeit des Fälschers, könnten das auch etliche sein.

Seine Haftstrafe hat er in Köln verbüßt, die Faszination über seine Geschichte hält aber weiterhin an. Die phil.cologne bot dem gealterten Meisterfälscher nun eine Bühne, nämlich die des Comedia Theaters, und obwohl er dort nur wenige Stunden vor Anpfiff des EM-Eröffnungsspiels auftrat, war der Saal proppenvoll.

Wolfgang Beltracchi bei der phil.cologne versöhnlich mit Köln

Ums Verurteilen und Vergeben soll es an diesem Abend nicht gehen, wie der Moderator René Scheu ankündigt, und auch Beltracchi ist trotz seiner Haft ohne Groll nach Köln zurückgekehrt. Auf die Frage, ob sein Auftritt für ihn ein Heim- oder Gastspiel ist, antwortet er: „Es ist jedenfalls kein Gang nach Canossa.“ Der Moderator sieht ebenfalls keinen Grund, Bescheidenheit in ihm zu wecken: „Wolfgang wäre es nie eingefallen, ein Werk zu kopieren. Er hat die Werke bekannter Künstler aus vier Jahrhunderten gemalt, wie sie sie gemalt hätten, wenn sie sie tatsächlich gemalt hätten. Und dabei in Topform gewesen wären.“

Aus diesem Verständnis heraus lässt der Moderator Beltracchi die Fähigkeiten bekannter Künstler auf einer Skala von Eins bis Zehn bewerten. Leonardo da Vinci bekommt eine Fünf, jedenfalls malerisch. Verglichen mit Bellini, Tizian oder Raphael könne sich der Schöpfer der Mona Lisa nur verstecken. Immerhin Vincis Zeichnungen bekommen vom Fälscher eine Neun oder Zehn. Bei Dürer geht er etwas höher, auf eine Sechs oder Sieben, während Rembrandt eine Zehn bekommt. „Hauptsächlich wegen seiner Kreativität. Rembrandt hat in einer Zeit gemalt, in der alle relativ gleich gemalt haben.“ Er habe sich davon entfernt und sei damit ein Risiko gegangen. „Und er war wirklich gut, er konnte nur keine Pferde malen.“ Eine Null verpasst er Jeff Koons und Damien Hirst.

Der Kunstfälscher geht mit KI ins Gericht

Mit Verstreichen der Minuten fragt man sich allmählich, ob man mit dem Titel der Veranstaltung: „Kunst und Kunstfälschen im Zeitalter der KI. Mit Wolfgang Beltracchi“ nicht einer dreisten Variante des Clickbaitings erlegen ist. Denn mit den Themen, mit denen die phil.Cologne das Event auf ihrer Website beworben hat, kann der Meisterfälscher nichts anfangen. Walter Benjamins Erwägungen zur Aura eines Kunstwerks etwa speist er schnell ab mit den Worten: „Ist Bullshit“.

Und das Thema Künstliche Intelligenz? Das taucht erst in den letzten 20 Minuten des Abends auf. René Scheu klickt – nach anfänglichen technischen Problemen mit der Fernbedienung – eine Powerpoint-Präsentation durch. Links sieht man ein Original-Kunstwerk, etwa ein Triptychon von Max Beckmann, rechts dann den Versuch der KI Midjourney, ein Bild im Stile des entsprechenden Künstlers zu malen. Die Ergebnisse sind natürlich furchtbar, und Beltracchi kann genau ausführen, wo die Mängel liegen. „Man sieht ja schon auf Anhieb, dass zum Beispiel die freien Flächen, wo der Untergrund der Leinwand steht, nicht existieren. Alles zugepinselt. Dann sind die Striche, die Strukturen in alle möglichen Richtungen gesetzt.“

Bei der Kunst scheint der Mensch der Maschine überlegen zu sein

Man könne unterscheiden zwischen einem hastigen Pinselstrich und einem geruhsamen, zwischen Rechts- und Linkshändern. Er könne sogar erkennen, wie lange ein Künstler an einem Werk saß. Die Bewegung des Künstlers in der Zeit würden schließlich seine Handschrift ausmachen. „Die Handschrift kann der Computer nicht umsetzen, und schon gar nicht die Zeit, in der die Handschrift stattfindet.“

Beltracchi habe ja keine Ahnung von Computern, vielleicht können sie es irgendwann. „Aber jetzt können sie es definitiv nicht. Und es ist ziemlich gruselig, was die produzieren.“ Eine Person, die mehr Ahnung von Computern hat, könnte durchaus derselben Meinung sein. Die würde aber der Fairness halber wenigstens erwähnen, dass diese gezeigten Resultate auch mit lächerlich kurzen Prompts zu tun haben könnten. Egal, man nimmt es als ein bisschen Selbstermächtigung im Kampf Mensch gegen Maschine. Wenn wir schon das Schachspiel an sie verloren haben, haben wir wenigstens noch die Kunst. So zumindest, wenn man einen alternden Meisterfälscher fragt.

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