An der polnischen Grenze muss Vincent Ross ab jetzt ohne Langzeit-Ermittler Adam Raczek arbeiten – allein bleibt er aber nicht lange. Gut so.
Polizeiruf 110Der Gott des Bankrotts – Wie Vincent Ross sich ohne Adam Raczek schlägt
Nahe beim Jakobsweg, der erstaunlicherweise durch Brandenburg führt, wird die Leiche von Antoni Mazur (Frank Jendrzytza) gefunden, er liegt in einer Kiesgrube. Karl Rogov (Frank Leo Schröder), Polizist im nahegelegenen Lebus, findet die Leiche des Mannes, der offenbar mit einer Pilgergruppe unterwegs gewesen war. Rogov beginnt sofort mit den Befragungen, was insofern besonders ist, als dass er gar nicht mehr bei der Kriminalpolizei arbeitet. Kurz ist Vincent Ross (André Kaczmarczyk) erstaunt über den ältlichen Mann, der einfach loslegt mit etwas, das ursächlich gar nicht mehr seine Aufgabe ist.
Lukas Gregorowicz ist aus dem „Polizeiruf “ausgestiegen
Undankbar ist er dann aber nicht über die Unterstützung, schließlich würde Ross jetzt, nachdem sein früherer Partner Adam Raczek (Lukas Gregorowicz) ausgestiegen ist, eigentlich allein ermitteln.
Mazur hatte, das finden Ross und Rogov heraus, enorme Schulden, ihm stand sogar ein Insolvenzverfahren bevor. Seine Ehefrau Lina (Katrin Heller) und sein Vater Klaudiusz (Roman Wieslaw Zanowicz) berichten von dem enormen Druck, den Insolvenzverwalter Udo Schick (Bernhard Schir) und sein Schuldenberater Jonathan Hüter (Godehard Giese) auf Mazur ausgeübt haben sollen.
Als dann auch noch herauskommt, dass Schick seine Tochter Maria (Anna-Maria Bednarzik) auf dem Pilgerweg, kurz vor dem Tod von Antoni Mazur, getroffen hat, gerät er in Ross' und Rogovs Fokus.
Ermittler ohne klassisches Rollenverständnis
Vincent Ross ist schon für sich genommen ein besonderer Ermittler. „Er ist frei von einem klassischen Rollenverständnis, es ist ihm nicht wichtig, männlich zu wirken“, das schreibt der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) über die Figur. Das zeigt sich zum einen in seinem Äußeren: Ross schminkt seine Augen, in einer Szene ist zu sehen, dass seine Fußnägel lackiert sind, er kleidet sich auf eine androgyn-schicke Weise.
Das zeigt sich aber auch in seinem Verhalten: Ross hat keine Angst vor Gefühlen, versucht sogar, zwei Kollegen, die grade Stress haben, dazu zu bewegen, über ihre zu sprechen – dass das nicht so gut funktioniert, hält ihn in der nächsten Situation sicher nicht von einem neuen Versuch ab.
Ross ist ein sehr menschlicher Ermittler, zeigt Mitgefühl, will verstehen und nicht einfach stumpf urteilen. Und er hat ganz offensichtlich ein intaktes Herz. Der RBB erklärt den Ermittler anhand seiner Vita so: „Soziales Jahr, diverse Praktika und ein abgebrochenes Psychologiestudium. Er selbst hätte nie gedacht, dass er einmal bei der Polizei landen würde. Aber am Ende hat sein unerschöpfliches Interesse am Menschen dazu geführt, sich für eine höhere Laufbahn bei der Polizei zu bewerben.“
Adam Raczek war ohne Frage eine tolle Figur, aber er war sperrig und knarzig, konnte schlecht vertrauen, war meist in sich gekehrt und ein Geheimnis auf zwei Beinen.
Jetzt also Rogov, zumindest für diesen einen Fall. Dass auch der kein einfacher Typ sein soll, in der Vergangenheit Probleme im Dienst hatte, ist grade nur insoweit vorstellbar, als dass er sich nicht abspeisen lässt und Leuten gehörig auf die Nerven gehen kann mit seiner Beharrlichkeit. Geheimnisse scheint auch er zu haben, das macht ihn spannend. Und: Rogov ist im Alter fortgeschritten, passt aber dennoch nicht in das alte übermännliche Ermittler-Klischee – er scheint keinen Testosteron-Überschuss zu haben, und das ist so, so gut.
Ross und Rogov – hoffentlich war das nicht nur eine einmalige Zusammenarbeit.
Info Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste