Die Serie „Die Zweiflers“ reflektiert warmherzig, humorvoll und zugleich ungeschönt die Lebenswelt einer jüdisch-deutschen Familie.
Preisgekrönte ARD-Serie „Die Zweiflers“Vielfältige Einblicke in einen jüdisch-deutschen Mikrokosmos
Frankfurt am Main, Bahnhofsviertel. Hier hat Smycha Zweifler (Mike Burstyn) vor vielen Jahren sein Delikatessengeschäft aufgebaut, nachdem er den Holocaust überlebt hatte. Die neue sechsteilige ARD-Serie „Die Zweiflers“ erzählt unter anderem davon, was seine – teils traumatische – Biografie mit der Familie und den nachkommenden Generationen macht.
„Ganz viele Menschen in Deutschland wissen sehr wenig über jüdische Menschen, die hier leben. Und das ist auch ganz nachvollziehbar, denn lange Zeit gab es die Berührungspunkte überhaupt nicht“, sagt David Hadda, Creator und Showrunner der Serie. Er selbst habe bisher kaum einen Filmstoff gesehen, in dem er sich als Kind jüdischer Eltern repräsentiert fühlte. So entstand das Bestreben, über dieses Milieu zu erzählen.
Themen von vier Generationen
Doch „Die Zweiflers“ behandelt nicht nur die jüdische Kultur und Lebenswelt: „Familie, Liebe, Identität, Zugehörigkeit – es ist eine Reihe an Themen, die die Serie anspricht“, macht Hadda deutlich.
Symchas Enkel Samuel (Aaron Altaras) beispielsweise lernt die Köchin Saba (Saffron Coomber) kennen und bekommt mit ihr ein Kind. Er muss im Verlauf der Serie nicht nur in die Vaterrolle finden, sondern sich auch mit der Frage auseinandersetzen, ob er seinen Sohn beschneiden lassen will oder mit den Traditionen und Erwartungen seiner Familie bricht.
Samuels Bruder Leon (Leo Altaras) hingegen begeistert als Künstler mit seinen Bildern zwar das Fachpublikum, stößt bei Eltern und Großeltern aber auf blankes Entsetzen. Mutter Mimi (Sunnyi Melles) wiederum findet heraus, dass ihr Mann Jackie (Mark Ivanir) sie betrügt. Und Großvater Symcha sorgt für Unmut in der Familie, weil er sein erfolgreiches Delikatessengeschäft an Investoren verkaufen will.
Genre-Mix mit internationaler Topbesetzung
„Jede Figur hat ihre eigene Lebenswirklichkeit, ihre eigenen Themen, ihre eigenen Konflikte“, so Hadda. Diesem Prinzip folgt die Inszenierung. So ist die Serie humorvoll, wenn sich Saba und Samuel necken. Oder skurril, wenn sich Familie Zweifler die Werke von Leon und anderen Kunstschaffenden in einer Ausstellung ansieht. Dann folgen wieder ernste und dramatische Momente, beispielsweise, wenn Symcha plötzlich erpresst wird, Großmutter Lilka (Eleanor Reissa) eine schockierende medizinische Diagnose gestellt bekommt oder über die Beschneidung von Samuels Sohn diskutiert wird.
Dabei wird Deutsch gesprochen, Englisch und Jiddisch. Immer wieder erklingt Musik, sowohl traditionelle als auch moderne. Passend zu diesem Stilmix dominiert das multikulturelle Frankfurter Bahnhofsviertel mit seinem Kontrast zwischen alkoholsüchtigen Junkies und Bänkern. Die Stadt selbst ist für Hadda auch ein Protagonist der Serie und wird wie die Figuren in ihrer Widersprüchlichkeit gezeigt.
Dass „Die Zweiflers“ bereits vor Ausstrahlung mehrere Preise beim diesjährigen Cannes International Series Festival abräumen konnte (u.a. „Beste Serie“ und „Beste Musik“), liegt auch an den Schauspielern, von denen einige internationales Format haben. Zum Beispiel der Smycha-Darsteller Mike Burstyn (gefeieter Darsteller im Jiddischen Theater am Broadway) oder Eleanor Reissa, die Symchas Frau Lilka spielt. Fast alle Darsteller haben einen jüdischen Hintergrund. Dies ist laut Hadda ein wichtiger Aspekt für die Serie, „weil die Schauspieler ihre eigenen Erfahrungen und ein Rollenverständnis mitbringen. Das macht die Figuren persönlicher und authentischer.“
Mentalität jüdischen Lebens im Fokus
Das Team um David Hadda und die Regisseurinnen Anja Marquardt und Clara Zoë My-Linh von Arnim haben eine vielschichtige Familienstudie geschaffen. Stets mit dem Willen, die Mentalität der Familienmitglieder und der jüdisch-deutschen Kultur authentisch abzubilden – und „sich nicht von einem Genre limitieren zu lassen“, so Hadda.
Der Gedanke hinter der Serie sei allerdings nicht, „etwas auf eine dokumentarische Art und Weise abzubilden und zu sagen: So ist jüdisches Leben in Deutschland“, betont Produzent David Hadda. „Die Serie soll nicht repräsentativ sein oder irgendjemanden belehren.“ Es gehe ihm vielmehr darum, „die eigenen Erfahrungen, Sichtweisen und Erinnerungen zu verarbeiten, Fragen zu stellen, Dinge zu hinterfragen und zu zeigen, wie universell die Themen in dieser Familie eigentlich sind.“ Vor diesem Hintergrund glaubt der Produzent auch nicht, dass sich die Rezeption seiner Serie durch die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten verändert. „Denn die Themen, die Ressentiments, die da mitschwingen, sind ja nicht neu und gab es schon vor dem 7. Oktober.“
Angefangen, so Hadda, hat alles mit der Idee, über einen Großvater zu erzählen, der Auschwitz überlebt hat und sich danach im Frankfurter Rotlichtviertel durchschlägt. Das Ergebnis ist ein liebevolles und facettenreiches Familien-Comedy-Drama, das viele spannende und interessante Einblicke in den Mikrokosmos jüdischer Familien in Deutschland bereithält. „Die Zweiflers“ ist komisch, ernst, emotional, spannend – kurzum: definitiv unterhaltsam und eindringlich.
Die sechsteilige Serie „Die Zweiflers“ ist ab dem 3. Mai in der ARD-Mediathek zu sehen. In der ARD laufen die sechs Folgen ab dem 10. Mai um 22.20 Uhr am Stück. Produziert wurde die Serie von der Berliner Turbokultur GmbH in Koproduktion mit der ARD Degeto Film und dem Hessischen Rundfunk.