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Premiere in der Tanzfaktur KölnDas Schicksal verspielen

Lesezeit 3 Minuten
The Death At The Code! Tanzfaktur Köln

Brig Huezo und drei weitere Tänzer tanzten „The Death At The Code!“ in der Tanzfaktur Köln

Mit viel Digitaltechnik brachte Brig Huezo „The Death at the Code!“ auf die Bühne der Tanzfaktur in Deutz.

In den Spiegel zu ihren Füßen schauen die vier Personen auf der Bühne nie. Nie erkennen sie sich selbst. Als Rückwand drei Leinwände. Dieser Hintergrund explodiert vor projizierten Farben, Formen, Flügen. Viel Feuer, auch Metall, Wasser, Strahlen, Rot. Die Vier tragen dicke Sneaker, hautenge Bodys, Bänder um Gliedmaßen und zunächst starre Gesichter. Zähes Schieben, kleines Knicken und langsames Blinzeln machen sie als künstliche Wesen kenntlich. Hörnchenförmige Plastikgeräte auf ihren Handflächen bieten sie dem Publikum an, richten sie auf sich wie Kameras, tauschen sie untereinander aus. Schalter? Diese vier Figuren in Brig Huezos „The Death at the Code!“ explodieren gar nicht, vielleicht möchten sie es und können nicht, weil sie sich nicht selbst knacken können. Gegen Ende begeben sie sich in eine kleine Techno-Ekstase, brav im Takt der Musik, linker Fuß, rechter Fuß.

Mensch oder Avatar?

Sie scheinen zum Entertainen bestimmt zu sein. In Posen wölben sie häufig die Hintern heraus. Krauchen sie langsam auf uns Zuschauer zu, ragt der Po hoch, dann der Kopf, die Arme nach vorn geschoben, ziehen das knickbeinige Gebilde nach vorn. Die offenen Augen starren blank. Oder betteln sie? Zu wedelnden Show-Tänzchen formieren die vier sich in Reihe, mal schreiten sie in Bögen umher oder trippeln, zu Brücken, also Vierbeinern, gebogen, die Gesichter verkehrt herum, wie aufgesetzt. Sie bauen sich zu vielarmigen symmetrischen Skulpturen zusammen. Nur die schöne Irritation, was Mensch, was Kunstfigur ist, was Avatar oder Puppe, macht das interessant. Für die Tanzkunst samt klassischem Ballett ist dies seit langem ein bewährtes Thema.

Die Klein-Choreos geraten nur ansatzweise synchron, was den Mechanikeindruck stört. Vielleicht soll das den lustigen Versuch von Maschinen zeigen, Menschsein zu fingieren. Die Tänzerinnen, nennt man sie mal so wegen ihrer Gesichter, treten nie aus ihren Rollen als irgendwie gemachte Figuren heraus. Das ist die Stärke des Stückes. Es nimmt Anleihen an Tiktok- und an Gothic-Ästhetik, mit Spinnenfingerhandschuhen, nur am linken Arm, und den friedhofsartigen Projektionen, ebenso an Computerspielen, die Benzinexplosionen frönen. Cedric Schusters Sounddesign ist vereinnahmend laut, dicht, schnell getaktet.

Technikgetöse, made in Köln

Man könnte das für naiv halten und die vier pseudo-lebendigen Spielfiguren, darunter Brig Huezo, für Verlorene, die sich in der brüllenden Welt kaum behaupten könnten, sodass Huezo in ihr einmal als weiße Wolke zerstiebt und alle auf der Bühne am Ende schwarzes Blut sabbern. Wäre da nicht der Hinweis, den Huezo, selbst non-binär, per Grabinschrift einbaut, ein Zitat von Paul Preciado über menschliche Transition: in ein maschinenhaftes Arrangement mit dem Hormon eines anderen lebenden Codes zu kommen. Ein riesiger Aufwand auf Emotions-, auf Molekular- und Deutungsebenen. Dem entspricht, ansatzweise, das Technikgetöse hier. Und das made in Köln: Die Performance wurde in dem neuen Studio 2 der Tanzfaktur erarbeitet, das speziell für Digitaltechniken wie Motion-Capture-Interaktionen eingerichtet ist.


„The Death of The Code“, Brig Huezo: nächste Aufführungen im Tanzhaus NRW in Düsseldorf vom 16. bis 18. Januar 2025. In der Tanzfaktur bietet das „(Rh)einfach Fest vom 2. bis 13. Oktober Tanz, Performance und Neuen Zirkus.