Mit seiner Band Abwärts und dem Song „Computerstaat“ brachte Frank Ziegert den Punk nach Deutschland. Ein Nachruf.
Punk-Pionier Frank Ziegert totDer Mann, der den Toten Hosen die Richtung wies
„Wir sind die Cholera bei Hertie“, leiert Frank Z. im pseudo-orientalischen Singsang, „und das Plastik aus Hongkong/ Wir sind die Bomben von Hiroshima/ Und so süß wie Marzipan.“ Den „Türkenblues“ findet man auf dem ersten Album seiner Band Abwärts, „Amok Koma“, 1980 auf Alfred Hilsbergs legendären ZickZack-Label veröffentlicht. Die Platte wurde einer der ersten großen Erfolge aus unabhängiger Produktion in Deutschland.
Es sind Zeilen, die jeden, der damals alt genug war, sofort wieder zurückversetzen in die westdeutschen Jahre zwischen RAF-Terror und Atomkriegspanik. Frank Z., als Frank Ziegert 1957 in Bochum geboren und gelernter Schriftsetzer, hatte Abwärts Ende 1979 in Hamburg gegründet. Punk hatte den Kontinent mit der üblichen Verspätung der vordigitalen Jahrzehnte erreicht, doch der Abwärts-Sound passte nicht in die Schablonen der britischen Vorbilder: Er feierte die Entfremdung als surreales Hochgefühl, der Abstand zum bundesrepublikanischen Ist-Zustand konnte ja nur gut tun.
Frank Ziegert war eine Punk-Legende in Deutschland
Gleich die erste EP, „Computerstaat“, gelang phänomenal: Der Bass wummerte im Titelstück in gescheiterter Imitation des „Peter Gunn“-Themas, darüber schneidet Frank Z.s abgehackte Stimme: „Dienstag gibt es Probealarm/ Paranoia in der Straßenbahn/ Mittwoch ist der Krieg sehr kalt/ Breschnew lauert in der Badeanstalt.“
Während die gut situierten Herren von Kraftwerk zur gleichen Zeit den Anbruch einer schönen, neuen „Computerwelt“ feierten, reimte Ziegert „Computerstaat“ auf „Stalingrad“. Der Rasterfahndungsstaat war für ihn ihm als Fortsetzung des Hitler-Regimes. In seiner monotonen Insistenz hatte der Song etwas ausgelöst, die linksradikale Punk-Band Slime coverte ihn ebenso wie der Techno-Guru Westbam. Die Toten Hosen hatten gleich mehrere von Ziegerts Kompositionen im Programm, auf einigen Abwärts-Konzerten hatten die jungen Düsseldorfer das Vorprogramm bestritten.
Bis zuletzt blieb Frank Z. die einzige Konstante bei Abwärts. In den frühen Jahren gehörten auch Mark Chung und FM Einheit zur Band, bevor sie Bass und Schleifmaschine einpackten, um sich in Berlin den Einstürzenden Neubauten anzuschließen.
Frank Ziegert an Prostatakrebs gestorben
Für ihr zweites Album, „Der Westen ist einsam“ wechselten Abwärts zur Plattenindustrie und vereindeutigten ihren Sound mit Blick auf das Moshpit. Der Kunst tat der mutmaßliche Ausverkauf keinen Abbruch: Abwärts klingen hier wie die deutsche Antwort auf Joy Division oder die frühen Killing Joke, dunkel-funkelnd. Diese erste heroische Phase von Abwärts endete – wie die so vieler einheimischer Acts –, als die Neue Deutsche Welle brach, nachdem sie zuletzt nur noch seichte Schlager ans Ufer gespült hatte.
Frank Z. aber gelangen immer wieder wunderbare Preziosen, zum Beispiel seine „Alkohol“ betitelte Neu-Eindeutschung des Charles-Aznavour-Chansons „Du lässt dich gehn“ aus dem Jahr 1988, oder „Hallo, ich heiße Adolf“, seine Reaktion auf den mörderischen Ausländerhass, der neu auflebte, kaum dass die beiden Deutschlands wiedervereinigt waren. Diesmal wählte Ziegert den Drei-Akkorde-Gitarren-Punk alter Schule, als direkt möglichsten Ausdruck seiner Wut.
In den Nuller Jahren überredete Ärzte-Bassist Rodrigo Gonzáles Ziegert, die Band zu reaktivieren und Fatih Akin verwendete seinen Song „Beim ersten Mal tut’s immer weh“ in seinem Film „Gegen die Wand“. Zuletzt war 2023 das Album „Superfucker“ erschienen, im Video zum Titelstück sieht man Frank Z. mit Warnweste und angeklebtem Oberlippenbart über einen leeren Strand gehen und über alles und jeden wettern: dagegen bis zuletzt. Am 17. Januar ist der Schwerkraft-Prophet Frank Ziegert an Prostatakrebs gestorben. Er wurde 66 Jahre alt.