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Viel Alltag, wenig AbenteuerlandSo war die Premiere des ersten Pur-Musicals in Düsseldorf

Lesezeit 5 Minuten
Das Musical „Abenteuerland“ mit den Songs der Popband Pur feiert in Düsseldorf Premiere.

Das Musical „Abenteuerland“ mit den Songs der Popband Pur feiert in Düsseldorf Premiere.

30 Hits der Popband Pur gibt es im Musical „Abenteuerland“ zu hören, das nun in Düsseldorf Premiere feierte.

­Zur Begrüßung gibt es im Düsseldorfer Capitol Theater erstmal ein Paket Taschentücher. „Geweint vor Glück“ steht drauf. So lautet der Titel eines Songs der Popband Pur und wenn es nach den Machern des Musicals Abenteuerland geht, das am Sonntagabend seine Premiere feiert, wird das Publikum das eine oder andere davon in den folgenden 150 Minuten brauchen.

Der Teppich vor dem Theater ist blau, ein großer Fesselballon, wie er auf dem Cover des Albums „Abenteuerland“ abgebildet ist, schmückt den Eingangsbereich. Aber auf „Peter Pan und Captain Hook mit 17 Feuerdrachen, Donnervögel, Urgeschrei, Engel, die laut lachen“, die Sänger Hartmut Engler im Titelsong des Albums besingt, wartet man vergeblich.

Zwar bildet „Abenteuerland“ den durchaus schmissigen Auftakt der Show, doch es drängt sich das Gefühl auf, dass sich der Song einfach nicht vernünftig in die Handlung integrieren ließ, denn in der ist von fantastischen Welten wenig zu sehen. Statt ins Abenteurland, geht es in den Alltag der Düsseldorfer Familie Schirmer.

Die Idee zum Musical kam dem Produzenten auf dem Jakobsweg

Drei Generationen leben in dem Haus und alle kämpfen mit ihren mehr oder weniger großen Problemen. Die 16 Jahre alte Tochter Anna (Mascha Volmershausen) wird gemobbt und fühlt sich ungeliebt, der 18-jährige Alex (Johann Zumbült) hingegen träumt von einer Karriere als Musiker und probt dafür mit seinem besten Freund Tom (Lukas Baeskow) schon mal in der Schülerband Crusade.

Mutter Petra (Carolin Soyka) hingegen fühlt sich nach 20 Ehejahren nicht mehr von ihrem Mann Robert (Hannes Staffler) gesehen, zumal der auch noch ihren Geburtstag vergisst. Und Oma Lena (Regina Venus) ist seit dem Tod ihres Mannes einsam und versucht es mit Online-Dating.

Konzept und Buch stammen von Martin Flohr, der auch als Produzent der Show von BB Promotion fungiert. Auf dem Jakobsweg kam ihm die Idee, ein Musical mit den Hits von Pur zu realisieren. Und davon gibt es bekanntlich reichlich. Denn auch wenn sich an den Schwaben seit Jahrzehnten die Geister scheiden, ist ihr Erfolg unbestritten. Zwölf Millionen verkaufte Tonträger, zehn Nummer-Eins-Alben, mehr als zehn Millionen Besucher ihrer Konzerte - Flohr und sein Kreativteam konnten aus dem Vollen schöpfen.

Sie haben 30 Songs ausgewählt, die sich mal mehr und mal weniger gut ins Geschehen eingliedern. Wenn etwa Petra und ihre beste Freundin Beate (Jana Stelley) bei einem Glas Sekt Petras Geburtstag feiern und übers Älterwerden sinnieren, passt „Ein graues Haar“ ganz wunderbar.

Warum aber Alex, der als der coole Junge der Schule angelegt ist, mit seiner Band ausgerechnet Pur-Songs singt, weiß der Pop-Gott allein. Zumal Crusade, wie sie sich nennen, wirken, als wären sie den 1950er Jahren entsprungen. Und die ziemlich aufgesetzt klingende Jugendsprache, die ihnen in den Mund gelegt wird, macht es auch nicht besser. Welche Jugendliche sagt bitte „Abgespaced, voll die Internet-Omi“? Und nur weil alles nice oder cringe ist, ist es eben noch lange nicht authentisch.

Ist es nun gut, normal zu sein, oder nicht?

„Normalsein ist cool“, sagt Alex' Schwarm Amira (Elvin Karakurt) irgendwann zu ihm, der genau das nicht will. Das bringt das Dilemma dieser Show perfekt auf den Punkt. Auf der einen Seite soll sie das normale Leben normaler Menschen zeigen.

Auf der anderen Seite ist sie so vollgepackt mit Dramen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll: Eheprobleme, Midlifecrisis, Emanzipation, Mobbing, Einsamkeit im Alter, ein Suizidversuch, eine ungewollte Schwangerschaft, ein Coming-Out, Integration - die Liste ist endlos.

Und vor allem im zweiten Teil werden die einzelnen Themen so atemlos abgehandelt, dass keines so richtig wirkt. Dabei gibt es durchaus visuell gelungene Umsetzungen, etwa wenn Anna mit sich und ihrem Selbstbild kämpft und das vor scheinbaren Spiegeln tut, in Wahrheit jedoch Ensemblemitglieder jede ihrer Bewegungen spiegeln.

Auch die Live-Band macht ihre Sache sehr gut, bei den Darstellern gibt es allerdings sehr große Unterschiede. Während Mascha Volmershausen, Carolin Soyka und Jana Stelley schauspielerisch und gesanglich überzeugen, nimmt man Johann Zumbült den coolen Alex überhaupt nicht ab. Und auch die Stimme schwächelt. Er wird von Lukas Baeskow, der ja eigentlich nur den Sidekick gibt, in den Schatten gestellt. Und auch Regina Venus und Harrie Poels als ihr Love Interest Karl haben zwar die Sympathien auf ihrer Seite, aber ihre Stimmen tragen die Songs nicht.

Trotz aller Dramen löst sich am Ende dann alles mit einer solchen Schnelligkeit in Wohlgefallen auf, dass Autoren von Daily Soaps vermutlich ungläubig den Kopf schütteln würden. Das muss man erstmal hinkriegen.

Das Premierenpublikum schwenkt auf jeden Fall zum Abschluss mit Begeisterung blaue Knicklichter. Für Pur-Fans ist die Show sicher ein großer Spaß, alle anderen müssen, um noch mal den Titelsong zu zitieren, vielleicht nicht gerade den Verstand als Eintritt abgeben, aber sie dürfen zumindest nicht zu lange darüber nachdenken, ob das alles einen Sinn ergibt.


„Abenteuerland - Das Musical mit den Hits von Pur“ ist bis 10. März 2024 im Capitol Theater in Düsseldorf zu sehen. Gespielt wird dienstags, donnerstags und freitags um 19.30 Uhr, mittwochs um 18.30 Uhr, samstags um 15 und 19.30 Uhr, sonntags um 14 Uhr und 18.30 Uhr. Tickets gibt es ab 49,90 Euro. Informationen unter www.abenteuerland-musical.com