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Putin-Versteher unter DruckMünchen weist dem Dirigenten Valery Gergiev die Tür

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München – Die georgische Geigerin Lisa Batiashvili (die auch einen deutschen Pass hat) wollte schon 2015 – nach dem Abschuss der niederländischen Passagiermaschine über dem ostukrainischen Separatistengebiet – nicht mehr mit Valery Gergiev zusammenarbeiten. Und 2017 protestierte eine kleine Truppe mit Plakaten, Rasseln und Pfeifen gegen den Auftritt des Putin-Vertrauten beim Eröffnungskonzert des Beethovenfestes vor dem Bonner World Conference Center.Das Festival biete „keinen Platz für einen politischen Diskurs“, wurde den Kritikern vom damaligen Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan und von NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet abwiegelnd bedeutet. Gerade in schwierigen Zeiten könne Kultur als „Brückenbauer“ fungieren. Das Publikum sah das offensichtlich genauso – und begrüßte das Orchester des Petersburger Marinskij-Theaters unter seinem illustren Chefdirigenten überaus freundlich (das Konzert geriet dann, gemessen an den Erwartungen, fade und spannungslos).

Mit dem verbreiteten Wohlwollen ist es jetzt vorbei. Am Dienstag zog Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter die Notbremse und entließ Gergiev mit sofortiger Wirkung aus den Diensten der Stadt, wo er seit 2015 als Chefdirigent der Philharmoniker amtiert. Reiters Begründung im Angesicht des laufenden militärischen Angriffs von Putin-Russland auf die Ukraine und Münchens Partnerstadt Kiew: „Ich hätte mir erwartet, dass er seine sehr positive Einschätzung des russischen Machthabers überdenkt und revidiert. Das hat er nicht getan.“ Dem 68-jährigen war ein Ultimatum gesetzt worden, das er verstreichen ließ. Der Orchestervorstand steht hinter der Entscheidung des Stadtoberhaupts.

Nicht nur München

Und da ist nicht nur München. Zahlreiche andere Kulturinstitutionen in Westeuropa erklärten ihn gleichsam in einer Kettenreaktion zur Persona non grata – der Luftraum über der hiesigen Musiksphäre, in der Gergiev in den vergangenen Jahren vielfältig präsent war, ist für ihn fortan gesperrt: Bereits am Wochenende hatte sich seine Münchner Künstleragentur von ihm getrennt, jetzt setzte ihm die Hamburger Elbphilharmonie den Stuhl vor die Tür und sagte Konzerte „infolge des anhaltenden Schweigens zur russischen Invasion in der Ukraine“ ab. Auch die Pariser Philharmonie strich geplante Auftritte. Unter erheblichem Druck musste Gergiev sodann als Ehrenpräsident des Edinburgh International Festival zurücktreten – auch Edinburgh ist Partnerstadt von Kiew. Die New Yorker Met kündigte an, einstweilen generell nicht mehr mit Künstlern oder Institutionen zusammenzuarbeiten, die Putin unterstützen.

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Endlich, muss man sagen, denn dank seiner Putin-freundlichen, zum Beispiel die Annexion der Krim verteidigenden Kommentare wäre das Aushängeschild russischer Kultur im liberalen Westen eigentlich schon seit Jahren fällig gewesen (wobei er sein persönliches Sündenregister noch durch manifest schwulenfeindliche Äußerungen erweiterte). Kritik hatte Gergiev selbst lange mit dem Hinweis abgetan, er sei kein Politiker, sondern ausschließlich Musiker und Künstler. Dabei waren seine einschlägigen Statements immer schon erkennbar eben nicht künstlerischer, sondern politischer Natur.

Gilt's nur der Kunst?

Trotzdem hatte man dem Dirigenten das Versteckspiel hinter der „Meistersinger“-Devise „Hier gilt’s der Kunst“ durchgehen lassen – die Grußworte auf dem 2017er Beethovenfest waren da kein Einzelfall. Sein Münchner Vertrag etwa wurde – 2018 – verlängert, obwohl die Kremlnähe damals längst sattbekannt war. Und da war nicht zuletzt jenes gespenstische 2016er Gergiev-Konzert mit dem Marinskij-Orchester im antiken Theater von Palmyra gewesen, wo russische und syrische Soldaten sowie syrische Regimepolitikern im Publikum saßen, während 350 Kilometer entfernt russische und syrische Kampfjets eine wehrlose Zivilbevölkerung terrorisierten.

Der Krug geht halt, heißt es, so lange zum Wasser, bis er bricht. Dennoch regt sich jetzt – in bemerkenswerter Weise parallel zum Tadel hartnäckiger westlicher Langmut und Naivität gegenüber Putins Russland – massive Kritik nicht nur an Gergiev, sondern auch daran, dass man viel zu lange vor ihm den Kopf in den Sand gesteckt habe. In diesem Zusammenhang fällt etwa der Name des Philharmoniker-Intendanten Paul Müller, der kritische Nachfragen immer wieder mit Standardantworten dieser Güte ausgebremst habe: „Wenn Herr Gergiev von seinem Recht auf Meinungsäußerung Gebrauch macht, werden wir das nicht kommentieren.“

Gegenbeispiel Petrenko

Gergiev hat übrigens einen Landsmann, der einen noch prominenteren Leitungsposten in der deutschen Orchesterwelt besetzt: Kirill Petrenko, den Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Der lieferte soeben auf der Homepage der Formation das Kontrastprogramm zu Gergiev: „Der heimtückische und völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine ist ein Messer in den Rücken der ganzen friedlichen Welt. Es ist auch ein Angriff auf die Kunst, die bekanntlich über alle Grenzen hinaus verbindet.“

Eine Frage drängt sich freilich angesichts der vereint-solidarischen Gergiev-Prügel dann doch noch auf: Hat man hierzulande eigentlich auch amerikanische Dirigenten nach ihrer Einstellung zur Sache gefragt, als die USA völkerrechtswidrig den zweiten Irakkrieg vom Zaun brachen?