Rapper Ahzumjot über Musikvertrieb„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“
- Rapper Ahzumjot tritt am 13. Mai im Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld auf.
- Anfang Mai hat er sein „Raum“-Projekt, eine Online-Playlist, abgeschlossen und daraus ein Album arrangiert.
Köln – Eigentlich hatte Alan Julian Asare-Tawiah erreicht, wovon Tausende Jugendliche in Deutschland träumen. Als Rapper Ahzumjot erhält er 2013 bei Universal Music, einer der größten Plattenfirmen, einen Vertrag. Es herrscht Goldgräberstimmung in der deutschen Musikbranche. Groß ist die Hoffnung, dass Ahzumjot nach Künstlern wie Cro, Casper und Marteria der nächste deutsche Rap-Superstar wird. Hoch ist daher der Vorschuss. Doch das viele Geld, das weiß Ahzumjot heute, ist geknüpft an die Erwartung, dass das neue Album „Nix mehr egal“ mindestens in den Top 5 der Charts einschlägt. Nach mehr als einem Jahr mühsamer Arbeit erscheint die Platte. Tief ist der Fall: Platz 32. Aus der Traum.
Seitdem haben nur noch wenige Ahzumjot-CDs den Weg in die Läden gefunden. Dennoch hat der in Hamburg geborene, heute 29-Jährige nie aufgehört, Musik zu machen. Der Plattenvertrag wird 2015 einvernehmlich aufgelöst und der Musiker wagt den Neustart: Er produziert einfach wieder alles in Eigenregie – von zu Hause aus.
Internet als Verbreitungs-Plattform
Doch anstatt wie bei seinem Debütalbum „Monty“ (2011) haufenweise CDs zu brennen und einzeln zu verschicken, hat Ahzumjot vor allem das Internet als Plattform zur Verbreitung seiner Musik auserkoren: entweder als kostenlose EP zum Runterladen oder wie seit vergangenem Jahr als Playlist-Album namens „Raum“ bei Musik-Streamingdiensten wie etwa Spotify und iTunes. Bei dem Projekt konnten die Hörer bis Anfang Mai mitverfolgen, wie Ahzumjot in unregelmäßigen Abständen Lieder veröffentlichte und diese schrittweise zu einem Album arrangierte. „Das Schöne daran ist, dass es so spontan und nicht festgelegt war“, so Ahzumjot. So hatte er die Freiheit, flexibel zu entscheiden, ob ein Stück überarbeitet werden muss; ob es überhaupt auf die Liste kommt – oder eben nicht.
Dennoch ist er nicht der Ansicht, dass das altbekannte Konzept eines durchgeplanten Albums heutzutage hinfällig ist. „ Musik hat für Hörer nicht mehr denselben Wert wie einst“ In der immer schnelllebigeren Welt werde vieles nur noch nebenbei konsumiert: Modetrends etwa hätten eine kürzere Halbwertszeit, anstelle von abendfüllenden Kinobesuchen seien spontane Serienabende auf der Couch gerückt. „Zwischen alledem wird es zunehmend uninteressant, Musik so zu konsumieren wie bisher“, sagt Ahzumjot. Während er als zehnjähriger Junge noch monatelang ein und dasselbe Eminem-Album rauf und runter gehört habe, stünde heutzutage durch das Internet zu jeder Zeit und an jedem Ort nahezu die komplette Musikwelt zur Verfügung – im Gegenzug für abgespielte Werbung häufig sogar kostenlos.
Musiker müssen sich neue Wege überlegen
Diese Luxussituation birgt dem Musiker zufolge Vor- und Nachteile: Hörer seien schlichtweg nicht mehr in der Lage, alle Neuerscheinungen zu hören. Stattdessen gingen viele dazu über, nur noch ausgewählte Songs ihrer liebsten Interpreten in Playlists zu sammeln und mit ihren Freunden zu teilen. „Das finde ich eigentlich ganz geil, weil es Musik wieder zu etwas Sozialem macht, unabhängig von den Plänen der Künstler und Labels“, sagt Ahzumjot.
Auf der anderen Seite müssten Musiker sich neue Wege überlegen, um auf ihre Kunst aufmerksam zu machen. „Wie sagt man so schön? ‚Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit‘.“ Bekannte Beispiele für aufsehenerregende Veröffentlichungen sind etwa Beyoncés „Lemonade“-Platte (2016), die sowohl als gewohnte CD als auch in Form eines Video-Albums erschien. „Once Upon a Time in Shaolin“ (2015), das Unikat-Album des Wu-Tang Clans, wurde nur ein einziges Mal auf Platte gepresst und schließlich für rund zwei Millionen Dollar versteigert. „Wie Musik veröffentlicht wird, ist heutzutage das Spannende“, konstatiert Ahzumjot, weil dadurch festgefahrene Strukturen aufgebrochen würden.
Ahzumjot hat nicht nur die Art verändert, wie er seine Musik veröffentlicht, sondern sich in all den Jahren auch musikalisch kontinuierlich weiterentwickelt. Deutschrap mit persönlichen Geschichten anstelle von gangsterhaften Bling-Bling-Texten ist der Kern seiner Werke geblieben. Soundtechnisch sind hingegen in vielen Liedern deutliche Trap-Einflüsse zu erkennen. Außerdem nutzt der Musiker noch häufiger als früher Auto-Tune-Effekte, um mit Melodien zu spielen.
Am Ende macht es die Masse
Und auch finanziell ist wieder alles im Lot: Seinen nicht näher erläuterten Nebenjob hat Ahzumjot im vergangenen Jahr an den Nagel gehängt, alte Schulden sind beglichen, und er kann wieder von der Musik leben. Geld verdient er mit Auftritten und vor allem durch Tantiemen der Streamingdienste. Wie hoch diese genau sind, weiß außer den Anbietern und Künstlern niemand. Berichten zufolge wird pro geklicktem Lied meist ein Kleinstbetrag von etwa 0,006 US-Dollar ausgezahlt. Bei einem Nischenalbum können so rund 3000 US-Dollar im Monat rausspringen, bei einem globalen Hitalbum sogar Beträge im mittleren sechsstelligen Bereich. Am Ende macht es also die Masse.
Im Gegensatz zur Pressung von CDs oder Vinylplatten sind bei den Streamingdiensten außer anfallenden Gebühren vorab jedoch keine Investitionen nötig. Die Verluste im Falle eines Flops sind gering. „Das einzige Risiko ist, dass meine Songs im Internet nicht gut genug entdeckt werden“, sagt Ahzumjot. Ob er trotzdem noch mal eine CD oder Vinyl herausbringen wird? „Habe ich zumindest vor.“ Auf das „Raum“-Projekt folgt im Mai die Deutschlandtour. Dann kann seine Musik in Köln (13. Mai, Club Bahnhof Ehrenfeld, ausverkauft) und acht weiteren Städten live gehört werden – und für alle anderen Tage gibt es ja immer noch das Internet.